ARD-Doku über „Macht der Influencer“„Sie merken nicht einmal, dass sie dabei sind, Island zu zerstören“

Die ARD-Doku zeigt, wie sich die vielen Influencer auf Island auswirken. (Bild: NDR/Jens Husmann/Gunnar Freyr Gunnarsson)

Die ARD-Doku zeigt, wie sich die vielen Influencer auf Island auswirken. (Bild: NDR/Jens Husmann/Gunnar Freyr Gunnarsson)

Island ist eines der beliebtesten Reiseziele Europas. Das liegt vor allem an den vielen Influencern, die die Insel mit spektakulären Aufnahmen bewerben und so den Tourismus massiv anheizen. Doch was hier wirtschaftlich für einen großen Profit sorgt, bringt auch viele Probleme mit sich ...

Sie gilt als Insel aus Feuer und Eis. In den sozialen Medien sind beeindruckende Bilder und Videos von Influencern zu finden, die sich mit tollen Landschaften, Wasserfällen, Vulkanen, Eishöhlen oder natürlich auch den Polarlichtern in Szene setzen. Jährlich werden so etwa zwei Millionen Besucher nach Island gelockt - dabei leben hier gerade einmal 400.000 Einwohner. Was das mit dem Land macht, erforscht Journalist Christian Benker in der neuen ARD-Doku „Island - die Macht der Influencer“ - und stößt dabei auf einige Probleme.

Islands erfolgreichste Influencerin ist Ása Steinars. Sie erreicht nach eigenen Angaben im Schnitt 40 Millionen Fans im Monat nur auf Instagram - beinahe überflüssig zu erwähnen, dass ihre geteilten Aufnahmen der Insel schlichtweg atemberaubend sind. Aber wie viel ist davon wirklich echt? Und was sind die Folgen für den Tourismus und damit für das Land? Christian stattet ihr einen Besuch ab, um Antworten zu erhalten ...

„Die Leute gehen an gefährliche Orte, nur für ein Foto“

Wenn Ása Steinars auf Foto-Jagd geht, legt sich die Influencerin mächtig ins Zeug, überlässt dabei nichts dem Zufall. So erzählt sie, dass sie schon vor dem Sonnenaufgang aufstehen würde, für ihre Bilder stets den richtigen Zeitpunkt und die richtigen Wetterbedingungen abwarte. „Deshalb frustriert es Menschen vielleicht, wenn sie sehen, dass der Ort gar nicht so aussieht, wie in den sozialen Medien“, weiß die Isländerin, dass alles eine Frage des Moments und der Perspektive ist.

Außerdem achte Ása darauf, dass andere Anwesende nicht auf den Fotos zu sehen sind. „Du bekommst als Zuschauer dieses verträumte Gefühl, das du genau diese Person sein könntest“, erklärt sie den Effekt, den ihre Aufnahmen auslösen. Allein in unberührter Natur. In der Realität sind hier allerdings etliche Foto-Jäger unterwegs. Dabei fällt Christian auf, dass er an den ganzen Touri-Spots zwar Sprachen aus aller Welt hören kann, aber so gut wie keine Isländer selbst anzutreffen sind.

Der ARD-Korrespondent sucht Einheimische auf und findet heraus, dass diese sich zu einem großen Teil über die vielen Influencer ärgern. Zwar bringe der ganze Tourismus viel Geld ins Land und sei daher enorm wichtig, doch leide die schöne Natur massiv darunter. Ein großes Problem beispielsweise: Leute, die offroad fahren, um an besondere Orte zu gelangen. Wer dabei erwischt wird, muss mehrere Tausend Euro Strafe zahlen. Alles für das perfekte Foto.

Eine Frau, die für die isländische Umweltbehörde arbeitet, hat eine klare Meinung zu den vielen Influencern: „Ich glaube, sie merken nicht einmal, dass sie dabei sind, Island zu zerstören.“ Sie berichtet: „Das Problem ist, dass sie eine Region berühmt machen können. Sehr schnell. Und diese Gegend verträgt dann diese Menge an Menschen nicht. Diese ganzen Leute, die wegen ein paar Selfies kommen - und die Gegend ist zerstört. Das geht ganz schnell.“

Teilweise begeben sich die Leute für eine gute Momentaufnahme auch in Gefahr, wie Christian von einem freiwilligen Nothelfer erfährt: „Die Leute gehen an gefährliche Orte, nur für ein Foto. Wir versuchen sie zu warnen, aber sie hören nicht auf uns.“

„Social Media ist Fluch und Segen zugleich“

Doch nicht alle stehen den vielen Besuchern negativ gegenüber. Im Ministerium für Kultur und Wirtschaft trifft Christian die ehemalige Wirtschaftsministerin des Landes, die für Tourismus zuständig war. Sie zeigt auf: „Tourismus macht etwa neun Prozent unseres Bruttoinlandproduktes aus. Er bringt uns 34 Prozent Export-Einnahmen.“

„Der größte Wirtschaftsfaktor ist Tourismus. Er hat uns wieder aufgerichtet nach dem wirtschaftlichen Kollaps“, erklärt sie weiter. Denn im Jahr 2008 war Island praktisch pleite, weil innerhalb weniger Tage die drei größten Banken zusammenbrachen. Der Tourismus war der große Retter. Dabei würden Influencer „eine enorme Rolle“ spielen, wie die ehemalige Wirtschaftsministerin anmerkt: „Sie haben Island zu einem der beliebtesten Touristen-Ziele gemacht.“

Der PR-Chef einer Marketing-Agentur, zu dessen Hauptaufgaben es zählt, Island als Reiseziel zu bewerben, fasst passend zusammen: „Social Media ist Fluch und Segen zugleich. Die Menschen teilen ihre Geschichten und das hat seine Auswirkungen.“ So stellt auch Christian am Ende seiner Reise fest: „Die Influencerinnen und Influencer haben das Land nachhaltig verändert. Island profitiert davon. Aber das hat seinen Preis.“ Sein Wunsch: dass Island nicht zu einem Massentourismus-Land wird.

„Weltspiegel Doku: Island - Die Macht der Influencer“ ist am Sonntag, 12. Januar, 18.30 Uhr, im Ersten zu sehen. (tsch)