Moderatorin Maybrit Illner blickt mit Angela Merkel auf deren Amtszeit zurück. Die ehemalige Bundeskanzlerin steht zu ihren Entscheidungen - und will (fast) nichts falsch gemacht haben.
„Maybrit Illner“Bei Putin-Frage muss Angela Merkel sofort schmunzeln: „Nein, nein, nein. Das bestreite ich“
Die Angela Merkel, die sich am Donnerstagabend bei „maybrit illner“ im Einzelinterview präsentiert, ist eine, die mit den Entscheidungen innerhalb ihrer 16-jährigen Amtszeit im Reinen ist. Eine, die wiederholt betont, dass man diese „immer auch im Kontext der Zeit, in der sie getroffen wurden“, betrachten müsse.
Einzig beim Thema Klimakrise lässt sie dann doch so etwas wie Zweifel durchblicken. Es habe zu viele Probleme auf einmal gegeben, so Merkel. „Ich habe bis zum Ende meiner Amtszeit auf das menschenbedrohende Thema Klima keine entscheidende Antwort gefunden“, gibt sie zu. „Es bleibt das Gefühl, dass eigentlich mehr geschehen müsste - in Deutschland und auch weltweit.“
Bei Putin-Frage muss Merkel schmunzeln
Zur aktuellen Regierung will sich die Altkanzlerin auch auf wiederholte Nachfrage der Moderatorin an diesem Abend nicht äußern. „Ich gebe hier keine Tipps von der Seitenlinie“, sagt sie etwa. Oder: „Jetzt ist Wahlkampf, an dem ich mich nicht beteilige.“ Doch um ein Thema, das neben Klima und Migration oft als „Erblast aus der Ära Merkel“ bezeichnet wird, kommt sie an diesem Abend nicht herum: Putin.
Der russische Präsident habe sich über die Jahre stark verändert, so Merkel. Sie habe 2008, als es Kontroversen um den Membership Action Status (eine Vorstufe des NATO-Beitritts) der Ukraine gab, keine Angst gehabt. „Aber ich hatte die Sorge, dass die Ukraine in eine Situation gebracht wird, die auch uns belastet wird“, erklärt die ehemalige Bundeskanzlerin.
Illner hakt nach und fragt: „Putin hat sich also auf Sie verlassen, dass Sie in seinem Sinne handeln würden, die Ukraine damals nicht in die NATO zu holen?“ Eine Frage, die Merkel schmunzeln lässt. Dann betont sie: „Nein, nein, nein. Das bestreite ich. Putin wollte die NATO spalten. Ich habe gesagt, dass die Ukraine eines Tages NATO-Mitglied sein wird.“
Sie selbst habe immer versucht, auf einem diplomatischen Weg einen Friedensplan durchzusetzen. Auch hier verweist sie auf die Zeit, in der man sich damals befunden habe. „Es war richtig, dass wir uns um Diplomatie bemüht haben, es war immer mein Ansinnen, Putin friedlich zu halten“, so Merkel. „Auch wenn dies nicht den Erfolg hatte, den ich mir gewünscht hätte.“ Daran sei auch die Corona-Pandemie schuld, denn die hätte in der Kommunikation viel geändert und viele persönliche Treffen verhindert.
Merkel über Nordstream: „Ich will mich gar nicht wegducken, ich war ja dabei“
Für ihre Russland-Politik will sich die ehemalige Kanzlerin nicht entschuldigen. „Ich entschuldige mich nur für Dinge, zum Beispiel die Osterruhe während Corona, wenn ich der Meinung bin, dass sie zu einem bestimmten Zeitpunkt falsch getroffen wurden“, sagt sie.
Beim Konflikt über Gaslieferungen aus Russland bleibt Merkel wiederum bei sich. Den gebe es so bereits seit dem Kalten Krieg. „Wir hatten Sanktionen gegen Russland, aber wir wollten auch nicht alle politischen Verbindungen mit Putin kappen“, erklärt sie auch mit Blick auf die Warnungen internationaler Partner wie den USA. „Es gab aber auch die Notwendigkeit, mehr Gas nach Deutschland zu holen und das billigste Gas gab es damals in Russland.“ Sie sei eben eine Realpolitikerin. Kurz wirft sie dann doch ein: „Ich will mich gar nicht wegducken, ich war ja dabei.“
Von einer Frage zeigt sich die Alt-Kanzlerin überrascht
„Die Modernisierung der CDU hat Sie so viel Energie gekostet, dass die Modernisierung des Landes zu kurz kam“, wirft Moderatorin Illner als Überleitung zum nächsten Themenblock in den Raum. Und da zeigt sich die Altkanzlerin das einzige Mal an diesem Abend dann doch etwas überrascht und weniger auf der Buch-Promo-Tour, auf der sie nun mal gerade auch ist. „Das habe ich ja noch nie gehört“, sagt sie lachend.
Doch dann schüttelt sie den Kopf. „Unsere Wettbewerbsfähigkeit hängt neben der Politik von den klugen Köpfen in der Wirtschaft ab“, sagt sie. Sie spricht über Bürokratieabbauverweigerer und kreidet das den Grünen an. Sie spricht von mangelnder Digitalisierung und nimmt die Unternehmen in die Pflicht.
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Und dann ist da noch ein Thema, ohne das derzeit kein Merkel-Interview auskommt. 2015, Flüchtlingskrise, „Wir schaffen das“. „Das Problem der illegalen Migration ist nicht bewältigt“, räumt Angela Merkel ein, sagt aber auch: „Ich stehe ganz eindeutig dazu, dass wir nicht etwa mit Wasserwerfern die Flüchtlinge an der deutsch-österreichischen Grenze aufgehalten haben, sondern dass wir ihnen ein faires Rechtsverfahren gegeben haben.“
Im Übrigen hätte sie den Satz „Wir schaffen das“ ja nicht gesagt, „weil ich fand, dass das mal locker zu machen ist, sondern weil mir klar war, dass wir vor einer großen Aufgabe stehen“. Sie hätte jedoch daraus gelernt, „dass wir Abkommen mit den Herkunfts- und Transitländern schließen müssen, damit Schleuser ihr illegales Handwerk nicht mehr machen können.“
Den Aufstieg der AfD will Merkel mit ihrer Politik nicht befeuert haben. „Als ich aus dem Amt ging, war die AfD bei elf Prozent, heute ist sie bei 18“, sagt sie. „Es muss zwischendurch auch etwas passiert sein.“ Nun sei es wichtig, dass die demokratischen Parteien stark sind und Lösungen anbieten. (tsch)