30 Jahre Talk (17 Jahre davon „Kölner Treff“), fast 1200 Sendungen und 5000 Gäste – das macht Moderatorin Bettina Böttinger so schnell keiner nach. Doch ist damit jetzt Schluss.
„Bin jeden Mittag verprügelt worden“Bettina Böttinger über Drama ihrer Kindheit – und wie ihr Vater sie rettete
Bettina Böttinger (67), ganz besonderes Markenzeichen des WDR und der Stadt Köln, nimmt freiwillig den Fuß vom Gas: Die gebürtige Düsseldorferin, die Köln zu ihrer zweiten Heimat erhoben hat, lädt am Freitagabend (27. Oktober 2023) zu ihrem letzten „Kölner Treff“ (22 Uhr, WDR).
Zum Abschied öffnet sie im großen EXPRESS-Gespräch ganz weit ihr Herz.
Bettina Böttinger im großen EXPRESS-Interview
Bettina Böttinger, nach 30 Jahren Schluss. Ist Ihr Herz voller Wehmut?
Bettina Böttinger: Nein, ich habe den Freitagabend-Talk im WDR 30 Jahre lang nicht nur mit großer Freude gemacht, sondern dafür auch 30 Jahre wahnsinnig viel gearbeitet. Ich finde, dass 30 Jahre Freitagabend-Talk genug für ein Leben sind. Jetzt kommt eine ganz neue Form von Freiheit auf mich zu: Ich habe nicht mehr diesen Zeitdruck, dieses immer-getaktet-sein, immer-auf-den-Punkt-sein-müssen.
Solche Entscheidungen haben Einfluss aufs private Leben. Was sagt Ihre Frau dazu?
Böttinger: Sie freut sich auch. Sie hat immer gesagt, dass ich zu viel Stress hätte. Jetzt ist sie froh, dass es besser wird.
Keine Angst, dass Sie sich bei diesem Mehr an Zeit gegenseitig auch mal nerven?
Böttinger: Dazu kommt es nicht. Ich habe ja zwei Wohnsitze, einen in der Eifel, einen in Köln. Wenn sich da was anbahnt, kann ich mich zurückziehen. Das ist auch gut für mich: Ich bin ein sehr eigenständiger Mensch, habe meinen eigenen Kopf und brauche manchmal einen Raum für mich.
Was planen Sie für die ersten freien Tage?
Böttinger: Eigentlich wollten meine Frau und ich für zwei Wochen nach Gargnano am Gardasee, wo wir schon sehr oft waren. Aber ich habe schon wieder so viele berufliche Termine, dass ich meiner Frau noch schonend beibringen muss, dass wir das verschieben müssen.
Sprechen Sie Italienisch?
Böttinger: Nur ein ganz kleines bisschen. Aber es ist erstes Ziel in meiner neuen Freiheit, dass ich es lerne. Ich habe mich schon an einer Sprachschule angemeldet.
Wie wollen Sie die neue Freiheit noch nutzen?
Böttinger: Da gibt es noch vieles, alles bunt durcheinander. Ich möchte kraulen lernen, mir ein Vintage-Rennrad kaufen und damit durch die Eifel brettern, mir die Eifel auch erwandern, und ich möchte eine Sommelier-Ausbildung machen.
Warum Sommelier?
Böttinger: Ich trinke nicht nur gern Wein, sondern interessiere mich auch dafür. Ich habe schon als junge Studentin angefangen, mir Listen zu erstellen, und mir die Details von Weinen einzuprägen.
War's damals der Lambrusco aus der Bastflasche, der am nächsten Tag für bohrende Kopfschmerzen gesorgt hatte?
Böttinger: Nee, ich war schon bei den besseren Sorten, ich liebte den Valpolicella von Stüssgen. Kostete 2 Mark 98, damals ein gehobener Preis für eine Studentin.
Wann gabs den ersten richtig teuren Wein?
Böttinger: Den habe ich zum 18. Geburtstag von einem Freund meiner Mutter erhalten, eine Flasche 71er Eltviller Taubenberg. Ich habe ihn getrunken, als ich allein in meiner Bonner Studentenbude saß. Würde ich heute nicht mehr machen, gute Weine muss man teilen.
War's aus Liebeskummer?
Böttinger: Nein, aus Lebensfreude. Zu Liebeskummer passt nur schlechter Wein.
Bettina Böttinger: „Meine Mutter war diesbezüglich eher schwäbisch“
Viele nennen die Studienzeit „die schönste Zeit des Lebens“. Wie war es bei Ihnen?
Böttinger: Ich fand Studieren wahnsinnig schwierig und hatte überhaupt kein Selbstvertrauen. Ich kam nicht gut klar, weil alles so anonym war. Überall musste man sich durchkämpfen. Ich habe ziellos studiert, weil ich auch keinen Berufswunsch hatte. Außerdem hatte ich sehr viel mit meinen feministischen und politischen Gruppen zu tun.
Worüber haben Sie Ihre Examensarbeit geschrieben?
Böttinger: Über das Frauenbild bei Lessing. Ich habe sie neulich wieder gelesen und fand sie gut. Den Tisch, an dem ich sie schrieb, habe ich noch. Er steht in meinem Büro.
Wie kam der Journalistinnen-Beruf ins Spiel?
Böttinger: Reiner Zufall. Ich kellnerte nebenbei in der Bonner „Jazz-Galerie“, als mir ein Kollege sagte: „Du kannst gut reden. Da kannst du bestimmt auch gut schreiben! Versuche es doch mal als Freie an der Zeitung.“ Habe ich gemacht.
Ihren ersten Freitagabend-TV-Termin hatten sie im September 1993 mit „B.trifft…“, die dann bis 2004 lief. Was haben Ihre Eltern dazu gesagt, als Sie da sehr schnell sehr erfolgreich wurden?
Böttinger: Meine Mutter, die ansonsten typische Rheinländerin war, war diesbezüglich eher schwäbisch: Für sie war nicht geschimpft genug gelobt. Sie hat sich meist vornehm zurückgehalten. Mein Vater reagierte anders. Er war stolz auf mich und sagte oft lachend: „Das ist doch die Höhe! Überall werde ich gefragt, ob ich dein Vater bin.“ Meine Eltern waren geschieden, lebten getrennt.
Bettina Böttinger: „Wir leben immer noch in einer hetero-bestimmten Welt“
Anderes großes Thema Ihres Lebens ist Ihr Einsatz für queere und feministische Projekte. Wie haben denn Ihre Eltern reagiert, als Sie merkten, dass Sie nicht hetero sind?
Böttinger: Meine Mutter konnte damit überhaupt nicht umgehen, sie hatte Angst, dass ich damit „in der Gesellschaft“ einen schweren Stand haben würde. Bei ihr waren alle meine Freundinnen unten durch. Sie hat mir erst „vergeben“, als ich Anfang der 2000er eine sehr prominente Partnerin hatte. Bei meinem Vater war das Thema erst tabu. Als es dann doch zur Sprache kam, fand ich das, was er dazu sagte, überhaupt nicht lustig. Ich habe ihn danach jahrelang nicht mehr für voll genommen.
Glauben Sie, dass junge Menschen es heute leichter haben?
Böttinger: Kommt drauf an. Ich bin sehr selbstbewusst und sehr eins mit mir. Ich habe keine Angst, mit meiner Frau händchenhaltend durch die Stadt zu gehen. Ich zeige, dass ich gern lesbisch bin und gern mit meiner Frau zusammen lebe. Doch wir leben immer noch in einer hetero-bestimmten Welt, in der queere Personen größere Schwierigkeiten haben als nicht-queere. Und es wird schlimmer. Die Angriffe gegen queere Personen haben stark zugenommen, das bestätigt auch die Polizei.
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Hatten Sie selbst wegen Ihrer Sexualität Probleme im Beruf?
Böttinger: Natürlich. Auch in der Medienbranche gibt es Menschen mit homophoben Vorurteilen oder Anfeindungen – wie in vielen Bereichen der Gesellschaft auch. Was mir noch in den 90ern passiert ist, was ich durchgestanden habe, hätte andere aus der Kurve geworfen.
Was meinen Sie?
Böttinger: Zum Beispiel sprach ein sehr angesehener Mann im WDR immer von „Herrn“ Böttinger, wenn er mich meinte – bis ich ihn dann in aller Öffentlichkeit als „Frau“ ansprach. Eine Sekretärin sagte mir: „Für sogenannte Frauen wie Sie arbeite ich nicht!“ Und einmal wurde sogar mein komplettes Büro ausgeräumt, als ich nicht da war. Aber ich war immer schon eine Kämpferin, ich habe nicht klein beigegeben.
In Ihrem Freundinnen- und Freundeskreis haben Sie aber auch den Ruf einer „Kümmerin“. Wie ist es dazu gekommen?
Böttinger: Es liegt an meiner Kindheit. Ich war sehr auf meine Mutter fixiert, die aber an Offener Tuberkulose erkrankt war und über Jahre in einem Sanatorium lebte. Der Krankheit wegen war es übrigens erst gar nicht vorgesehen, dass ich überhaupt geboren wurde. Ich habe als Kind oft gehört: „Hauptsache die Mami lebt noch, bis du in die Schule kommst.“ Als ich noch nicht mal vier war, wurde ich in ein Heim ganz in der Nähe ihres Sanatoriums gebracht. Damit wir uns dann öfter sehen konnten.
Tat es Ihnen gut?
Böttinger: Nein, es war ein ganz fürchterliches Heim, ich bin jeden Mittag von einer Kindergärtnerin verprügelt worden. Jeden Mittag! Ich habe das meiner Mami nicht gesagt, weil ich ihr nicht zusätzlich Kummer bereíten wollte. Irgendwann hat sie es rausgekriegt, und mein Vater hat mich da sofort rausgeholt. Seitdem bin ich immer da, wenn Leute krank sind und Zuwendung oder Hilfe brauchen.
Dankeschön für diese offenen und berührenden Worte. Lassen Sie uns jetzt aber bitte von angenehmeren Themen sprechen: Sie sind samstags öfter im Radio im „WDR 3 -Klassik-Forum“ zu hören. Sind Sie Fachfrau?
Böttinger: Ich habe zwar nicht viel Ahnung, bin aber absolute Liebhaberin. Ich bereite mich auf jede Sendung wahnsinnig gut vor. Jetzt höre ich am liebsten Bach. Als Jugendliche war ich Jazz-Fan, mein Held war der Trompeter Chet Baker, den ich in der Jazz-Galerie kennengelernt habe. Er war schon vom Rauschgift restlos zerstört, hat aber gespielt wie ein Gott.
Bettina Böttinger: „Klar ärgere ich mich über die KVB“
Sie gehören zu der im Rheinland besonders geschätzten Spezies: früher Düsseldorf, heute Köln. Welche ist die Stadt Ihres Herzens?
Böttinger: Es gibt da keine, es sind zwei wunderbare Städte. Ich wohne gern in Köln, würde es aber ebenso gern in Düsseldorf tun.
Wo kaufen Sie Ihre Klamotten?
Böttinger: In Düsseldorf, das ist immer noch die Modestadt Nr. 1. Ich habe da ein so gutes Geschäft, das gibt es nirgends anders.
Hören Sie da auf Ihre Frau?
Böttinger: Martina hat da einen besseren Geschmack als ich, sie hat, was Einrichtung und Klamotten angeht, ein ganz klares Bild und ist immer top angezogen. Ich brauche da etwas Hilfe – aber dafür habe ich eine wunderbare Frau beim WDR, die mich berät, weil ich ja fast alles auch beruflich brauche.
Sie wohnen seit 1994, seit Sie in Köln sind, in der Südstadt. Zufrieden?
Böttinger: Natürlich, ich liebe sie. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es irgendwo in Köln ein besseres Wohnen gibt. Ich wohne traumschön, habe sehr nette Nachbarn, und wenn ich aus meinem Arbeitszimmer gucke, sehe ich den Römerpark, in dem immer Leben ist. Ich lebe mitten in der viertgrößten Stadt Deutschlands in einer Idylle. Das gefällt mir.
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Böttinger: Ich habe keine Lust auf Köln-Bashing. Klar ärgere ich mich über die KVB, die immer unpünktlich ist und sehr nervig quietscht, über die vielen Baustellen oder die Oper, die nicht fertig wird – aber das ist alles nicht Köln-spezifisch, das ist doch inzwischen überall in Deutschland so.
Sie haben in Ihrem Podcast „Böttinger – Wohnung 17“, der demnächst im TV wieder aufersteht, eine ständige Rubrik mit persönlichen Fragen. Lassen Sie uns zum Schluss einige davon wiederholen: Was finden Sie an sich besonders schön?
Böttinger: Früher habe ich da gesagt: Meine Beine liegen sehr gut im Rennen. Aber die sind jetzt 67, da werden sie etwas nachgelassen haben. Ich komme aber mit meinem Gesamtbild ganz gut zurecht.
Was kann Ihre Frau besser als Sie?
Böttinger: Sie hat einen besseren Geschmack und ist sportlich weit vorne. Sie läuft schneller, spielt besser Golf. Sie war ja mal Deutsche Meisterin in der 3 x 800 Meter Jugend-Staffel und ist immer noch sehr ehrgeizig.
Was können Sie besser als Ihre Frau?
Böttinger: Kochen.
Wofür würden Sie sich entscheiden: Samt oder Seide?Böttinger: Ich würde Seide nehmen – es ist ein wunderbarer Stoff, kühlt und wärmt gleichermaßen.