Bob Marley wurde schon zu Lebzeiten zur Legende, doch sein Wirken wird teilweise bis heute falsch gelesen - selbst von seinen Fans. Am 6. Februar wäre die Reggae-Ikone 80 Jahre alt geworden.
Bob MarleyEin Leben „auf der Seite der Wahrheit“
Unter Sternenhimmel, bei wohligen Temperaturen, Meeresrauschen und dem sanften Knistern einer etwas zu dick geratenen Zigarette fällt in einer - nennen wir es „sehr entspannten“ Runde - der Name Bob Marley. So manchem zaubert er ein verklärtes Lächeln unter die verengten Augen, der eine säuselt etwas vom „König des Reggae“, ein anderer nimmt zurückgelehnt das Wort vom „friedlichen Rebellen“ in den Mund. Bob Marleys Namen schmücken in etwa so viele Anhängsel wie er Platten veröffentlicht hat. Seine Karriere, die ihn zu einer Legende der Musikgeschichte machte, endete am 11. Mai 1981, als der Rasta-Man aus Jamaika im Alter von nur 36 Jahren einem Krebsleiden erlag. Songs wie „Get Up, Stand Up“ stehen bis heute als manifestiertes Synonym für Gesellschaftskritik. Am 6. Februar wäre Bob Marley 80 Jahre alt geworden.
Auch ein Bob Marley hat mal klein angefangen. Mit 17 Jahren zappelte er in abgewetzten und zu kleinen Hosen vor dem Plattenproduzenten Leslie Kong herum, klatschte in die Hände und gab ohne Unterstützung von Instrumenten einen selbst geschriebenen Song zum Besten. Weniger die Tanzeinlagen als seine eindringliche Stimme überzeugten Kong, und so entstand die erste Platte „Judge Not“. Das war 1962 und die jamaikanische Musik der Stunde hieß damals noch Ska. Zwar ließ der Erfolg zunächst auf sich warten (und diese erste Platte wurde wieder eingeschmolzen, da Vinyl damals ein teures Gut war), doch sein späterer Produzent Chris Blackwell glaubte an Marleys besondere Art der Musik, in der sich ein Aufbegehren der schwarzen Bevölkerung, Afrozentrismus und die Ideologie der Rastafari widerspiegelten. Und so kam Marley Anfang der 70-er mit seiner Band The Wailers zum Vertrag mit dem renommierten Plattenlabel Island Records.
Auf der Suche nach dem Reggae-Megastar
Ende der 60-er und Anfang der 70-er war Reggae, auch dank einer großen Zahl jamaikanischer Einwanderer im Land, in den britischen Charts angekommen - allerdings oft in nachbearbeiten Versionen, denen der Rohschliff des jamaikanischen Ursprungsmaterial fehlte. Was diese Phase jedoch nicht hervorbrachte: einen veritablen Reggae-Superstar. Die Popularität des Genres war schon wieder am Verfliegen, da entdeckte Chris Blackwell in dem charismatischen Bob Marley doch noch das Potenzial dafür - dem nur noch ein Sound fehlte, der auch das westliche Publikum begeisterte.
Und so entstand in britischen Tonstudios eine Reggae-Rock-Mischung, die für den Sound aus Jamaika zwar nicht repräsentativ war, aber die Massen im Rest der Welt begeisterte. Zu „No Women, No Cry“ wurde getröstet, zu „Could You Be Loved“ geliebt und zu „Stir It Up“ gekifft. Auch Eric Clapton vergrößerte Bob Marleys Fanschar, als er 1974 „I Shot The Sheriff“ coverte und damit Platz eins der amerikanischen Charts belegte. Die rhythmische Musik der Insel war kommerziell geworden, der Weg für viele nachfolgende Reggaekünstler geebnet. Auch einige von Bob Marleys Kindern, allen voran Ziggy, Damian und Stephen, sind seit vielen Jahren als Reggae-Musiker erfolgreich.
Der „Mythos Marley“
In Interviews bemühte sich Bob Marley immer wieder, seine Gefühle und Ansichten deutlich zu machen. In seinen Liedern vermittelte er die Botschaft von Liebe und Frieden, dem Kampf gegen Rassismus und nicht zu vergessen dem essentiellen „Heilkraut der Völker“ - und wurde genau dabei missverstanden. Er wollte keinen Aufstand anzetteln, wenn er von „burning and looting“, also wörtlich „Niederbrennen und Plündern“ sang, sondern zum „Aufstehen und für sein Recht eintreten“ auffordern. Sein neues Publikum interpretierte gewohnte Begriffe wie „Revolution“ auf seine eigene, oft falsche Art.
Marley sang aus der Sicht der schwarzen Bevölkerung, er war kein Revolutionär, aber er wollte sich aus der „geistigen Sklaverei“ befreien. Viele Weiße dagegen deuteten seine Texte unter anderem als Widerstand gegen Leistungsprinzipien und Materialismus der Gesellschaft. Dazu kam der Schleier des Geheimnisvollen, den Europäer wie Amerikaner um die Reggae-Kultur legten und dadurch die Religiösität der Rastafari sozusagen als „mystischen Zufluchtsort“ ihrer sonst so rationalistisch geprägten Welt ansahen. Bob Marley selbst wurde zunehmend in der Rolle des Propheten gesehen - der „Mythos Marley“.
Aus heutiger Sicht betrachtet, wurde er diesem teilweise tatsächlich gerecht. Zu DDR-Zeiten zweifelte er in weiser Voraussicht nie an einer Wiedervereinigung von Ost- und Westdeutschland. Auf seinem „One Love Peace“-Konzert 1978 in Kingston brachte er den damaligen Präsidenten Jamaikas, Michael Manley, und Oppositionsführer Edward Seaga, zwei verfeindete Politiker, immerhin zu einem Handschlag. Marley unterschied nicht zwischen Nationalitäten, sondern zwischen Macht und Ohnmacht. Auf die Frage, für wen er sich Einigkeit wünsche, antwortete er einmal: „Meine Mutter ist Afrikanerin, mein Vater ist Engländer. Wie kann ich da auf der Seite der Schwarzen oder Weißen sein? Ich bin auf der Seite der Einheit. Ich bin auf der Seite der Wahrheit.“ (tsch)