Der FC Hollywood oder als der Fußball Teil des Boulevards wurde ...

Die Dokumentation „FC Hollywood - Der FC Bayern und die verrückten 90er“ von Nicolas Berse-Gilles, Markus Brauckmann und Simone Schillinger erinnert an die turbulenten 90er-Jahre des FC Bayern München. (Bild: ZDF / POW / Serviceplan)

Die Dokumentation „FC Hollywood - Der FC Bayern und die verrückten 90er“ von Nicolas Berse-Gilles, Markus Brauckmann und Simone Schillinger erinnert an die turbulenten 90er-Jahre des FC Bayern München. (Bild: ZDF / POW / Serviceplan)

Weil sich mit den Bayern ja immer und überall Quote machen lässt: Das ZDF blickt in einer mehrteiligen Dokumentationsreihe zurück auf eine turbulente Zeit des Rekordmeisters und holt dafür zahlreiche Ex-Profis vor die Kamera.


Das ZDF strahlt die ersten zwei Filme der Dokumentation am Freitag, 17. Januar, 22.30 Uhr aus. Weiter geht es am Samstag, 18. Januar, ab 0.25 Uhr. (Bild: ZDF / POW / Serviceplan)

Das ZDF strahlt die ersten zwei Filme der Dokumentation am Freitag, 17. Januar, 22.30 Uhr aus. Weiter geht es am Samstag, 18. Januar, ab 0.25 Uhr. (Bild: ZDF / POW / Serviceplan)

Der Fairness halber sollte zu Beginn der FC Bayern selbst zu Wort kommen. Auf seiner Homepage schreibt der Rekordmeister wie folgt: „Die 90er-Jahre waren ein Jahrzehnt ständiger Unruhe. Durch die neuen Privat-Medien entstand ein anderes, nicht immer sportgerechtes Interesse am Fußball und seinen Stars - ein Grund, dass der FC Bayern einerseits als Dreamteam andererseits als FC Hollywood tituliert wurde.“ Die Medien also sind's gewesen - so kann man es natürlich sehen. Und fürwahr hatten sie ihren Anteil an den Ereignissen in diesen Jahren, die jedem älteren Bayernfan selbstverständlich noch sehr präsent sind. Aber: Der Verein selbst und seine Stars waren ganz sicher nicht unbeteiligt.

„Es hat hat wieder gefetzt“, sagt Jürgen Klinsmann rückblickend auf die Zeit mit Lothar Matthäus und lacht dabei. (Bild: ZDF / Benjamin Zeller)

„Es hat hat wieder gefetzt“, sagt Jürgen Klinsmann rückblickend auf die Zeit mit Lothar Matthäus und lacht dabei. (Bild: ZDF / Benjamin Zeller)

Das echte Hollywood produzierte in dieser Zeit großes Unterhaltungskino: „Mission Impossible“, „Independence Day“, „The Rock“. Hierzulande aber kam „Werner“ in die Kinos und der FC Bayern in die Schlagzeilen des Boulevards. In einer nicht weniger als fünf Folgen umfassenden Dokumentation erinnert das ZDF nun an Hahnenkämpfe und leere Flaschen, an Teenie-Idole und Tagebücher, an Nacktshootings und nächtliche Partys. Übrigens: Der Fußball, der damals gespielt wurde, war keineswegs so schlecht, wie man heute annehmen mag. Nur zweimal landeten die Bayern in den 90-ern jenseits von Rang zwei. Nur gerät dies, was einst Normalität war, eben über die Triumphe der vergangenen Jahre schnell in Vergessenheit.

Zu Beginn des Film sieht man den noch jüngeren Lothar Matthäus, während ihm eine Horde von Pinguinen tapsig folgt. Es sind genau zehn. Manche Bildbotschaften sind geradezu absurd offensichtlich. (Bild: ZDF / Sabine Finger)

Zu Beginn des Film sieht man den noch jüngeren Lothar Matthäus, während ihm eine Horde von Pinguinen tapsig folgt. Es sind genau zehn. Manche Bildbotschaften sind geradezu absurd offensichtlich. (Bild: ZDF / Sabine Finger)

Das ZDF strahlt die ersten zwei Filme am Freitag, 17. Januar, 22.30 Uhr, aus. Weiter geht es dann leider zu sehr später Stunde am Samstag, 18. Januar, ab 0.25 Uhr. Die Dokumentation „FC Hollywood - Der FC Bayern und die verrückten 90er“ von Nicolas Berse-Gilles, Markus Brauckmann und Simone Schillinger ist dann doch eher etwas für Freunde der Mediathek, wo die Doku schon ab Freitag, 10. Januar, 10 Uhr, abrufbar ist.

„Es gab nie zwei Lager. Es gab 15.“

„Verlieren ist Kacke“, sagt Mehmet Scholl. „Wer will schon gerne verlieren? Und bei Bayern München ist verlieren nicht erlaubt.“ (Bild: ZDF / Sabine Finger)

„Verlieren ist Kacke“, sagt Mehmet Scholl. „Wer will schon gerne verlieren? Und bei Bayern München ist verlieren nicht erlaubt.“ (Bild: ZDF / Sabine Finger)

Mario Basler wechselte 1996 zu den Bayern. Bis heute arbeitet er als Experte. (Bild: ZDF / Ben Knabe)

Mario Basler wechselte 1996 zu den Bayern. Bis heute arbeitet er als Experte. (Bild: ZDF / Ben Knabe)

Mehmet Scholl bringt es zu Beginn auf den Punkt: „Es gab nie zwei Lager. Es gab 15 verschiedene Lager.“ Im Kern aber geht es in der Auftaktfolge um die Rivalität zwei Alphatiere, die aus einem Grund, den auch dieser Film nicht nennen kann, einfach nicht miteinander auskommen wollen. Lothar Matthäus und Jürgen Klinsmann. Mitspieler Thomas Helmer, damals Kapitän, erinnert sich simpel: „Wenn der eine links lang wollte, wollte der andere rechts lang.“ Was soll man da machen?

Mit Stefan Effenberg, der 1998 zum FC Bayern zurückkehrte, begann eine neue ausnehmend erfolgreiche Ära. (Bild: ZDF / Bernd Schuller)

Mit Stefan Effenberg, der 1998 zum FC Bayern zurückkehrte, begann eine neue ausnehmend erfolgreiche Ära. (Bild: ZDF / Bernd Schuller)

Klinsi und Lothar spielten bereits zuvor in Italien miteinander, und eben dort muss wohl etwas geschehen sein, was den Libero und den Mittelstürmer auf ewig entzweite. Wie schön wäre es doch gewesen, wenn die Doku beide zusammen vor die Kamera gebracht hätte - gemeinsam sich erinnernd und Frieden schließend. Aber sie wurden getrennt voneinander befragt. Klinsmann und Matthäus erinnern sich an ihre Sicht der Dinge.

Markus Babbel erinnert sich an die - von den Namen her - sehr starke Mannschaft von einst. Internationale Titel konnten die Bayern in den 90er-Jahren aber nicht holen. (Bild: ZDF / Ben Knabe)

Markus Babbel erinnert sich an die - von den Namen her - sehr starke Mannschaft von einst. Internationale Titel konnten die Bayern in den 90er-Jahren aber nicht holen. (Bild: ZDF / Ben Knabe)

Der Franke beklagt, Klinsmann habe ihn zusammen mit anderen Spielern und Trainer Berti Vogts aus der Nationalmannschaft werfen wollen. Der andere bestreitet das vehement. Der eine forderte damals gar ein TV-Duell (Matthäus), was die Medien natürlich zum Jauchzen brachte. Der andere (Klinsmann) gibt sich an allem vollkommen unschuldig. In Interviews lacht einer im Interview viel bei seinen Erinnerungen. Der andere lacht auch heute noch nicht. Die Tendenz in der Doku, wer denn nun der Gute ist, geht leicht zu Klinsmann. Die Mehrheit der Bayern-Fans dürfte sich inzwischen allerdings auch ein eigenes Urteil gebildet haben.

Kein PR-Trainer weit und breit

Immer gut gelaunt: Jürgen Klinsmann. Er spielte drei Jahre für den FC Bayern und kehrte 2008 als Trainer zurück. (Bild: ZDF / Benjamin Zeller)

Immer gut gelaunt: Jürgen Klinsmann. Er spielte drei Jahre für den FC Bayern und kehrte 2008 als Trainer zurück. (Bild: ZDF / Benjamin Zeller)

Thomas Helmer war in den 90er-Jahren Kapitän des FC Bayern. Den Konflikt zwischen Klinsmann und Matthäus konnte auch er nicht beilegen. (Bild: ZDF / Ben Knabe)

Thomas Helmer war in den 90er-Jahren Kapitän des FC Bayern. Den Konflikt zwischen Klinsmann und Matthäus konnte auch er nicht beilegen. (Bild: ZDF / Ben Knabe)

Genüsslich geradezu packt der Film alles aus, was die Bayern damals so schillernd machte. In Teil eins zum Beispiel Lolita, des Kaisers blaues Auge, zahllose kontroverse Interviews. Wobei deutlich wird, was diese 90er-Jahre im Besonderen prägte: Die Spieler sagten damals noch, was sie dachten. Kein PR-Trainer weit und breit, aber Fluten von Journalistinnen und Journalisten im ehemals äußerst präsenten Wettbewerb von Privatsendern und Öffentlich-Rechtlichen. Der Fußball wurde auch hierzulande in diesen Jahren endgültig zum Teil des Boulevards. Zahlreiche Medienvertreter erinnern sich im Film an ihre Sicht auf die Dinge und ordnen ein, unter anderem Reinhold Beckmann, Waldemar Hartmann, Uli Köhler, Gaby Papenburg, Carlo Wild und Claudia Neumann. Aber eben auch Patricia Riekel, ab 1997 Chefredakteurin von „Bunte“.

Mario Basler war früher ab und an auch mal zu späteren Stunde unterwegs. Fotografierende Fans gab es noch nicht. Doch die Oberen des FC Bayern erfuhren dennoch davon und zogen irgendwann Konsequenzen. (Bild: ZDF / Ben Knabe)

Mario Basler war früher ab und an auch mal zu späteren Stunde unterwegs. Fotografierende Fans gab es noch nicht. Doch die Oberen des FC Bayern erfuhren dennoch davon und zogen irgendwann Konsequenzen. (Bild: ZDF / Ben Knabe)

Aber zurück auf den Platz - viele Protagonisten aus jener Zeit kommen zu Wort, wenngleich mehrheitlich jene, die auch im neuen Jahrtausend den Medien eng verbunden waren und sind. Darunter die Spieler Lothar Matthäus, Jürgen Klinsmann, Thomas Helmer, Markus Babbel, Mehmet Scholl, Dietmar Hamann, Andreas Herzog, Thomas Strunz sowie Mario Basler und Stefan Effenberg, die erst gegen Ende der „Hollywood-Ära“ nach München wechselten. Mindestens ebenso interessant ist indes die Liste derer, die nichts sagen: Uli Hoeneß etwa, Karl-Heinz Rummenigge, aber auch Oliver Kahn, Christian Nerlinger, Ciriaco Sforza, Jean-Pierre Papin sowie die Trainer Otto Rehhagel, Giovanni Trapattoni, Klaus Augenthaler und Ottmar Hitzfeld. Letzterer war es, der die Ära der Turbulenzen in München beendete und den FC Bayern gemeinsam mit Uli Hoeneß neu erfand.

Das Ende vor dem Anfang

Stefan Effenberg wurde mit den Bayern dreimal Deutcher Meister. Im Jahr 2001 holte er mit dem Team die Champions League. (Bild: ZDF / Bernd Schuller)

Stefan Effenberg wurde mit den Bayern dreimal Deutcher Meister. Im Jahr 2001 holte er mit dem Team die Champions League. (Bild: ZDF / Bernd Schuller)

In fünf Episoden haben die Macher ihre ausführliche Dokumentation unterteilt, die ohne Off-Kommentar auskommt. Nach dem „Duell“, das Matthäus und Klinsmann in den Mittelpunkt stellt, folgt „Die Jagd“. Hier steht die Zusammenarbeit mit den Medien im Fokus, die gerade auch den damaligen Teeniestar Mehmet Scholl prägte. Beim folgenden „Verrat“ geht es zum einen um Interna, die per Maulwurf an die Presse gerieten und auch um das Tagebuch, das Lothar Matthäus schrieb. „Die Wutrede“ erinnert im Speziellen an den Höhepunkt der Hollywood-Zeiten, als der Trainer Giovanni Trapattoni mit undisziplinierten und „immer verletzten“ Spielern zu kämpfen hatte und seinem Ärger in einer Pressekonferenz Luft machte. Ein Auftritt, der insbesondere das Leben von Thomas Strunz bis zum heutigen Tage prägt. Den Abschluss bildet schließlich die Episode „Das Endspiel“, in deren Mittelpunkt die dramatische Niederlage gegen Manchester United im Champions-League-Finale 1999 steht.

Was sich damals wie das Ende anfühlte, war im Grunde der Anfang einer neuen Ära in der Geschichte des FC Bayern, die bis heute andauert. Seit dem Spiel in Barcelona holte der FC Bayern in 25 Saisons insgesamt 18-mal die Meisterschaft. 2001 gewannen Effenberg, Elber, Jeremies und die anderen mit Trainer Hitzfeld den lang ersehnten „Landesmeisterpokal“, der wie eine Erlösung war: „25 Jahre - und jetzt ist er da“, formulierte Torhüter Oliver Kahn kurz und knapp. Der Leitspruch „Mia san mia“ wurde erfunden, um die Philosophie des Clubs zu festigen. Es geht um die Einheit aller in ihrem Streben nach Pokalen.

Immer wieder wird seither der FC Hollywood beschworen, wenn es an der Säbener Straße mal turbulent wird. Die Ausmaße von damals erreichten die Ereignisse jedoch bei Weitem nicht mehr. Schon verständlich also, dass das ZDF im Rahmen des derzeit grassierenden Sportdoku-Trends genüsslich diese vielen Peinlichkeiten rezitiert. Die meisten Fußballfans werden es mit Freuden verfolgen und sich laben am Münchner Tohuwabohu. Bayern-Anhänger indes sehen ihren Verein ein weiteres Mal „benutzt“ für den Fußball-Boulevard, von dem der Verein selbst freilich auch gut lebt. (tsch)