Der seltsame MeisterTrauer um US-Regisseur David Lynch

Regisseur David Lynch ist im Alter von 78 Jahren gestorben. (Bild: 2017 Getty Images/Antony Jones)

Regisseur David Lynch ist im Alter von 78 Jahren gestorben. (Bild: 2017 Getty Images/Antony Jones)

Er schuf Meisterwerke wie „Twin Peaks“ und „Mulholland Drive“: Nun ist US-Kultregisseur David Lynch mit 78 Jahren gestorben.

Er war der Schöpfer von Meisterwerken wie „Twin Peaks“, „Mulholland Drive“ und „Lost Highway“ - und einer der ganz Großen: Nun ist US-Regisseur David Lynch im Alter von 78 Jahren gestorben. Dies teilte seine Familie über die Plattform Facebook mit. „Mit tiefem Bedauern“ gebe man „den Tod des Mannes und Künstlers David Lynch“ bekannt, heißt es darin. Über die Todesursache jenes Genies, das nicht nur Filme schuf, sondern auch als Schriftsteller und Musiker tätig war, gab es keine Informationen. Nur so viel: „Es gibt eine große Lücke in der Welt, jetzt, da er nicht mehr unter uns ist“, so die Mitteilung - „Aber, wie er sagen würde: 'Behalte den Donut im Auge und nicht das Loch'“.

David Lynch, das waren vor allem derlei Zitate, Momente und Szenen, die sich einprägen. Das Atmen von Dennis Hopper in „Blue Velvet“ (1986), das rote Zimmer in „Twin Peaks“ (1990), in dem FBI-Agent Dale Cooper die Lösung seines Falls offenbart wird. Die schleifenartige Sinnsuche in der Aussage „Dick Laurent ist tot“ aus „Lost Highway“ (1997) oder die schwarze Schachtel in „Mulholland Drive“ (2001), welche die Handlung des Films in sich aufsaugt, um sie neu wieder auszuspucken. Irgendwann haben selbst die Kritiker aufgegeben, die Filme David Lynchs mit herkömmlichen Mitteln analysieren zu wollen - spätestens nach „Inland Empire“ (2006), dem letzten Kinofilm Lynchs, der in den USA gerade einmal 100.000 Besucher hatte.

Der vielleicht seltsamste Regisseur

Wer Lynch verstehen will, muss seine Geschichte kennen. In den 70-ern begann der 1946 in Montana geborene Sohn eines viel reisenden Agrarwissenschaftlers mit Animation und Filmerei zu experimentieren, weil er ohnehin den Eindruck hatte, dass sich die dunklen Passagen in seiner Malerei zu bewegen begannen. Zum Studieren zog er schließlich nach Philadelphia. Eine furchtbare Stadt, erinnert sich Lynch einmal, voller Angst und Depression und Verrückten. Eine davon war eine Frau im Nachbarhaus, die auf allen Vieren durch den Garten kroch und gackerte und behauptete, sie wäre ein Huhn. Aus dem Kunststudenten und bildenden Künstler David Lynch wurde der verstörendste Regisseur, den das Kino der letzten Jahrzehnte gesehen hat.

Grandiose künstlerische, aber auch finanzielle Erfolge wechselten sich in der Karriere des vielleicht seltsamsten Regisseurs des anglo-amerikanischen Mainstreamkinos immer wieder ab. Nach seinen gefeierten beiden ersten Underground-Filmen, „Eraserhead“ (1977) und „Der Elefantenmensch“ (1980), gab Produzent Dino de Laurentiis dem hochbegabten Visionär 45 Millionen Dollar an die Hand, um den Science-Fiction-Roman „Dune - Der Wüstenplanet“ (1984) zu verfilmen. Ein gigantischer Flop und für David Lynch, der damals keine Kontrolle über den Schnitt besaß, blieb er der einzige seiner Filme, mit dem er unzufrieden war.

„Lynchesk“ als Adjektiv erfunden

Eines seiner wichtigsten Werke, „Twin Peaks“, die Serie - vordergründig geht es um die Aufklärung des Mordes an einer jungen Schönen in einem US-Provinzkaff - war eigentlich nur eine schnöde Auftragsarbeit für Lynch. Stattdessen wurden die Serie und der nachfolgende gleichnamige Film (1992) zu einem seiner größten finanziellen Erfolge. „Twin Peaks“ mit seiner fortlaufend und dennoch nonlinear erzählten Handlung gilt heute zu Recht als Meilenstein der TV-Geschichte und früher Vorläufer jener komplexen Serien, für die das US-Fernsehen heute so gefeiert wird. Die mit viel zeitlichem Abstand 2017 nachgeschobene dritte Staffel war noch verstörender als das Original, wurde aber gleichsam als Meisterwerk gefeiert.

Der eigentliche Durchbruch seiner Kunst in den Mainstream erfolgte für Lynch bereits ein paar Jahre vor „Twin Peaks“. „Blue Velvet“, einer der ersten Filme, der die dunkle Seite des amerikanischen Kleinbürgertums zeigte, brachte ihm 1986 eine Oscar-Nominierung ein. Für sein mit exzessiver Gewalt spielendes Road-Movie „Wild At Heart“ gewann er 1990 die Goldene Palme in Cannes. Es waren jene Jahre, in denen alle über David Lynch sprachen. In denen sein Kino den größten Suchtfaktor auf eine ganze Generation heranwachsender Bildersüchtiger ausübte, in denen sogar das Adjektiv „lynchesk“ zur Beschreibung seiner einzigartigen Ästhetik erfunden wurde. Eines ist klar: Er wird sehr fehlen. (tsch)