„Die Mafiamorde von Duisburg“ARD-Doku zeigt, wie ein Karnevalsstreich zum Massaker führte

An den Ermittlungen rund um die Mafiamorde von Duisbrug waren über 120 Beamtinnen und Beamte beteiligt. (Bild: NDR / WDR / Film Five / Jakob Stark)

An den Ermittlungen rund um die Mafiamorde von Duisbrug waren über 120 Beamtinnen und Beamte beteiligt. (Bild: NDR / WDR / Film Five / Jakob Stark)

Die ARD-Doku „Die Mafiamorde von Duisburg“ zeigt, wie ein kurioser Karnevalsstreich in Italien zu sechs kaltblütigen Ermordungen in Deutschland geführt hat. Auch heute ist die 'Ndrangheta-Mafia noch in zahlreichen Restaurants und Cafés hierzulande aktiv.

Es war ein Fall, der ganz Deutschland erschütterte: In den frühen Morgenstunden des 15. Septembers 2007 wurden sechs Männer vor einem beliebten italienischen Restaurant in der Duisburger Innenstadt kaltblütig ermordet. Schon bald entpuppte sich die grausame Tat als Racheaktion innerhalb der italienischen Mafiaorganisation 'Ndrangheta, die aus Kalabrien stammt, im großen Umfang aber auch in Deutschland operiert. Einen ähnlichen Vorfall hatte es hierzulande nie gegeben - der Schock war enorm.

Heute ist klar, dass die 'Ndrangheta nach wie vor hinter zahlreichen Restaurants und Cafés in Deutschland steckt. Die ARD-Doku „Die Mafiamorde von Duisburg“, die in voller Länge am Mittwochabend, 9. April, um 22.15 Uhr im WDR und schon jetzt in der ARD-Mediathek zu sehen ist, rollt die Morde noch mal groß auf. Dabei wird nicht nur deutlich, dass die gefährliche Mafiabande noch immer auf deutschem Boden aktiv ist, sondern auch, was für eine kuriose Vorgeschichte dem blutigen Racheakt von Duisburg zugrunde liegt. Alles begann mit einem harmlosen Karnevalsstreich ...

„Müssen uns ein sehr gut besuchtes Restaurant vorstellen, wo das Essen gut ist“

Bis zu den Mafiamorden 2007 in Duisburg galt das Restaurant „Da Bruno“ für viele Duisburger als der Lieblingsitaliener, beliebt auch bei Prominenten. Was die Gäste nicht ahnten: Hinter der idyllischen Fassade diente ein versteckter Raum als Treffpunkt der 'Ndrangheta. Im Keller lagerte ein Maschinengewehr. (Bild: WDR/Film Five/Jakob Stark)

Bis zu den Mafiamorden 2007 in Duisburg galt das Restaurant „Da Bruno“ für viele Duisburger als der Lieblingsitaliener, beliebt auch bei Prominenten. Was die Gäste nicht ahnten: Hinter der idyllischen Fassade diente ein versteckter Raum als Treffpunkt der 'Ndrangheta. Im Keller lagerte ein Maschinengewehr. (Bild: WDR/Film Five/Jakob Stark)

„Es ist unmöglich für jemanden, der ein italienisches Restaurant besucht, zu verstehen, welches Restaurant der Mafia gehört und welches nicht“, erklärt die Soziologin Dr. Zora Hauser in der ARD-Doku eine beunruhigende Tatsache, die in Deutschland vor allem das Ruhrgebiet betreffe. Denn die Nähe zur niederländischen Grenze würde sich für den Drogenhandel besonders anbieten, weiß die Expertin.

Wie zentral diese Restaurants und Cafés der Mafia tatsächlich liegen, habe auch sie zuvor nicht geahnt. „Wenn wir uns die 'Ndrangheta heutzutage vorstellen in Deutschland, dann müssen wir uns ein sehr gut besuchtes Restaurant vorstellen, wo das Essen eigentlich auch relativ gut ist“, erklärt Dr. Zora Hauser.

Frank Rabe, Leiter der Duisburger Kriminaltechnik: „Das war die größte Mordkommission, an der ich jemals mitgearbeitet habe.“ (Bild: WDR/Film Five/Jakob Stark)

Frank Rabe, Leiter der Duisburger Kriminaltechnik: „Das war die größte Mordkommission, an der ich jemals mitgearbeitet habe.“ (Bild: WDR/Film Five/Jakob Stark)

Am Abend vor den Morden stieg eine Geburtstagsfeier des 16-jährigen Opfers in „Da Bruno“, einem beliebten italienischen Restaurant in Duisburg, in dem sich auch prominente Namen hin und wieder niederlassen. Neben dem 16-Jährigen waren am Ende der Feier noch fünf weitere Personen übrig - sie alle wurden in der Nacht vor dem Lokal mit gezielten Kopfschüssen getötet.

„Die größte Mordkommission, an der ich jemals mitgearbeitet habe“

„Das war die größte Mordkommission, an der ich jemals mitgearbeitet habe. Auch danach gab es keinen Fall mehr, der diese Dimensionen angenommen hat“, erzählt Frank Rabe, Leiter der Duisburger Kriminaltechnik. In enger Zusammenarbeit mit den italienischen Behörden konnte eine Spur nach Kaarst (NRW) ermittelt werden, die schließlich zu einem der Täter führte. Der war bereits als Mitglied des Strangio-Nirta-Clans der 'Ndrangheta bekannt und besaß zwei Pizzaläden in Kaarst.

Das 3.500-Einwohner-Städtchen San Luca im süditalienischen Kalabrien ist bis heute der Sitz der 'Ndrangheta. (Bild: WDR / Film Five / Peter Jeschke)

Das 3.500-Einwohner-Städtchen San Luca im süditalienischen Kalabrien ist bis heute der Sitz der 'Ndrangheta. (Bild: WDR / Film Five / Peter Jeschke)

Bei den Ermittlungen sei auch klargeworden, dass es sich bei der schrecklichen Tat um eine Racheaktion gehandelt haben musste. Denn einige Monate zuvor war die Cousine des Todesschützen wohl von 'Ndrangheta-Mitgliedern des Pelle-Romeo-Clans in San Luca (Italien) erschossen worden. Schon damals wurde das Mafia-Mitglied bei der anschließenden Beerdigung auffällig, da er illegalerweise eine Waffe dabei hatte. Er wurde verhaftet - und kam wenige Tage vor dem Duisburg-Massaker wieder auf freien Fuß.

Der Karnevalsstreich von 1991

Wie der ARD-Film aufschlüsselt, sei die Ermordung der Cousine allerdings nur der unmittelbare Auslöser für den Vorfall in Duisburg gewesen. Die Fehde zwischen dem Pelle-Romeo-Clan und dem Strangio-Nirta-Clan innerhalb der 'Ndrangheta begann demnach bereits im Jahr 1991 - und zwar auf äußerst kuriose Weise. So berichtet ein italienischer Kommandant, dass es damals bei einem Fest in San Luca zu einem „Karnevalsstreich“ gekommen sei, bei dem zwei Mitglieder der Strangio-Nirta-Familie getötet wurden.

Vor allem im Süden Italiens sei es Tradition, dass an Karneval Geschäfte mit Eiern und Mehl beworfen werden. Dabei traf es 1991 auch ein Geschäft der Pelle-Romeo-Familie. Die soll das jedoch überhaupt nicht amüsant gefunden haben und verprügelte die Eierwerfer, die der Strangio-Nirta-Familie angehörten. Schließlich eskalierte der Streit, und zwei Mitglieder des Strangio-Nirta-Clans wurden erschossen.

Ein solcher Vorfall wird bei der 'Ndrangheta standesgemäß mit Blut gerächt. So kam es letztlich dank eines eigentlich harmlosen „Karnevalsstreiches“ zu einer langanhaltenden Fehde zweier Mafia-Clans, die 2007 zu den sechs Ermordungen in Duisburg führen sollte.

Die beiden Schützen der „Mafiamorde von Duisburg“ wurden in Italien zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Dr. Zora Hauser mahnt dennoch: „Langfristig wurde der Organisation nicht wirklich geschadet. Die ist immer noch aktiv, die gleichen Clans sind immer noch aktiv.“ Wie die ARD-Doku zum Abschluss einblendet, registrierte das Bundeskriminalamt im Jahr 2008 „nur“ 136 Mitglieder der Mafia in Deutschland. 2024 wurden über 1.000 gezählt - und die Dunkelziffer dürfte wesentlich höher sein. (tsch)