FernsehenEntsetzlich und wahr - das Justizdrama „Verleugnung“

Professorin Deborah E. Lipstadt wehrt sich gegen einen Holocaust-Leugner.

Professorin Deborah E. Lipstadt wehrt sich gegen einen Holocaust-Leugner.

Vier Jahre ging der Verleumdungsprozess, den der britische Holocaust-Leugner David Irving gegen US-Professorin Deborah E. Lipstadt anstrengte. Er endete als Sieg über Geschichtsfälscher und Fanatiker.

  Vor 25 Jahren begann ein Prozess, der Geschichteschrieb: Der Brite David Irving hatte die renommierte US-Historikerin Prof.Deborah E. Lipstadt wegen Verleumdung verklagt. In ihrem Buch„Betrifft: Das Leugnen des Holocaust“ hatte sie denGeschichtsautor als Rassisten, Antisemiten und Holocaust-Leugnerbezeichnet.

David Irving war durchaus ein Mann von wissenschaftlicher Reputation,bis er sich zum glühenden Hitler-Verehrer wandelte und zu einem derprominentesten Vertreter der internationalen rechten Szene aufstieg.Ein durch und durch unsympathischer Mann, der sich seine Welt nachseinen ganz eigenen Vorstellungen zurechtgelegt hat. Und dabei istnicht nur die Wahrheit auf der Strecke geblieben.

In seinem stellenweise dokumentarisch anmutenden Polit-Drama„Verleugnung“ (heute im RBB-Fernsehen, 20.15 Uhr) hat Regisseur Mick Jackson 2016 ganz zurückhaltend diesen Prozess mit einer hochkarätigen Besetzung verfilmt, in dem Moral, Geschichte und Justiz aufeinanderprallen - was nicht selten ungläubiges Staunen, Schrecken und Entsetzen hervorruft: Lipstadt muss beweisen, dass ihre Behauptungen wahr sind - kein leichtesUnterfangen.

„No Holes, No Holocaust“

„No Holes, No Holocaust“ war eine der erschütterndsten Schlagzeilennach einem Prozesstag, bei dem Irving behauptet hatte, dass es in demdeutschen Konzentrationslager Auschwitz nicht zur Massenvernichtung gekommen sei, da es im Krematorium Nummer 2 keine Löcher gegeben habe, durch die die todbringenden Zyklon-B-Kristalle hätten eingeleitet werden können. In Auschwitz habe es keine Gaskammern gegeben,behauptet Irving. Keine Löcher, kein Holocaust.

Die Verteidigung muss nun die Wahrheit beweisen. Längst geht es indem Prozess nicht mehr nur um Verleumdung, es geht darum, zubeweisen, dass der Holocaust überhaupt stattgefunden. In seinerAbsurdität kaum zu begreifen. Aber in Lipstadts brillantem AnwaltRichard Rampton (Tom Wilkinson) hat David Irving seinen Meistergefunden. Wie der Stratege sich einen ganz eigenen Plan zurücklegt,um den Holocaust-Leugner zu überführen, ist ein detektivisches undjuristisches Lehrstück.

Die wichtigsten Zeugen kommen nicht zu Wort

Timothy Spall („Mr. Turner - Meister des Lichts“) verkörperteindringlich und brillant diesen sich in seiner selbstgefälligenArroganz sonnenden Mann, der sich vor Gericht selbst vertritt. Wiediese Selbstsicherheit aber immer brüchiger wird und Irving nach undnach in sich zusammenfällt, ist mit großer Schauspielkunstvorgebracht. Ein Leugner und Lügner, ein Verdreher der Wahrheit, derwillentlich Fakten für seine abstruse Geschichtsklitterung gefälschthat - was es aber zu beweisen gilt.

Den schwierigsten Part während des Prozesses aber muss Prof. DeborahE. Lipstadt übernehmen, die von Rachel Weisz verkörpert wird. Dieüberaus engagierte Frau, die ihre Überzeugungen kompromisslosvertritt, ist zum Schweigen verurteilt. Ihre Anwälte wollen sie nichtder Gefahr ausgesetzt sehen, sich vor Irving rechtfertigen zu müssen.Auch Holocaust-Überlebende wurden nicht in den Zeugenstand gerufen,um sie vor Irvings möglichen Demütigungen zu schützen.

„Verleugnung“ ist ein starkes, ein wichtiges, ein aufwühlendes unddabei auch noch überaus spannend inszeniertes Gerichtsdrama, das inpostfaktischen Zeiten und durch den globalen Anstieg derRechtspopulisten aktueller nicht sein könnte. (dpa)