NS-ZeitStreit um Welfenschatz: Stiftung gesprächsbereit

Teile des Welfenschatzes sind im Kunstgewerbemuseum in Berlin zu sehen. (Archivbild)

Teile des Welfenschatzes sind im Kunstgewerbemuseum in Berlin zu sehen. (Archivbild)

Eine Gruppe jüdischer Besitzer verkaufte 1935 enorm kostbare Goldschmiedearbeiten. Geschah das unter Zwang? Die Frage ist auch nach mehr als 15 Jahren nicht endgültig geklärt.

Der jahrelange Streit über die mögliche Einordnung des kostbaren Welfenschatzes als NS-Raubkunst geht in die nächste Runde. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) teilte mit, man habe erneut Kontakt zu den Anwälten von Personen aufgenommen, die Ansprüche geltend machten. Auch die Beratende Kommission NS-Raubkunst habe die SPK nochmals kontaktiert. Man versuche, offene Fragen zu klären. 

Der sogenannte Welfenschatz umfasst kostbare Altaraufsätze, Schmuckkreuze und Schreine aus dem Braunschweiger Dom - Goldschmiedearbeiten aus dem 11. bis 15. Jahrhundert im Schätzwert von dreistelligen Millionensummen. Er gehörte seit Ende der 1920er Jahre einer Gruppe von jüdischen Besitzern. Die Streitfrage: Mussten diese den Teil des Schatzes, der heute im Besitz der SPK ist, 1935 wegen NS-Verfolgung in einer Zwangslage verkaufen? Daraus könnten sich Ansprüche auf Rückgabe oder Entschädigung ergeben.

Komplizierte Ausgangslage

Die Ausgangslage ist jedoch kompliziert. Schon 2008 wurden von Nachfahren der jüdischen Verkäufer Ansprüche auf Restitution geltend gemacht. Damals prüfte die Beratende Kommission und kam 2014 zur Auffassung: Der Verkauf sei nicht „verfolgungsbedingt“ gewesen, es gebe keine Ansprüche der Nachfahren. Inzwischen sind neue Dokumente aufgetaucht. Gestritten wird vorerst darüber, ob und wie die Beratende Kommission sich den Fall noch einmal vornehmen soll.

Konkret geht es um eine jüdische Frau namens Alice Koch, die zu den Besitzern gehörte. Den neu entdeckten Dokumenten zufolge presste ihr der NS-Staat für die Erlaubnis zur Ausreise in die Schweiz die sogenannte Reichsfluchtsteuer in Höhe von 1,155 Millionen Euro ab, wie der „Spiegel“ berichtete. Diese habe Alice Koch nur aus dem Verkauf des Welfenschatzes aufbringen können. Ein Nachfahre von Alice Koch macht nach Angaben der SPK seit 2022 Ansprüche geltend. Daneben gebe es weitere, konkurrierende Ansprüche. Insgesamt sei man mit drei Gruppen im Gespräch.

Kommissionschef meldet sich zu Wort

Die Stiftung erklärte, sie würde zustimmen, die Beratende Kommission erneut mit dem Fall zu befassen. Vorher sei aber „die Berechtigung der einzelnen Anspruchsteller zu klären“. Der Vorsitzende der Kommission, der frühere Verfassungsrichter Hans-Jürgen Papier, hatte hingegen dem rbb erklärt: „Die SPK ist dazu verpflichtet, einer Anrufung der Kommission unverzüglich zuzustimmen. Die Prüfung der Zulässigkeit ist allein Sache der Kommission.“ (dpa)