„Lotti, oder der etwas andere Heimatfilm“Eine Kleinstadt dreht ihren eigenen Film

Lotti Funke (Marion Mitterhammer) kehrt nach mehreren Jahren in Wien in ihre thüringische Heimatstadt Blericherode zurück.

Lotti Funke (Marion Mitterhammer) kehrt nach mehreren Jahren in Wien in ihre thüringische Heimatstadt Blericherode zurück.

Eines der ungewöhnlichsten deutschen Filmprojekte der letzten Jahre: „Lotti, oder der etwas andere Heimatfilm“ entstand unter Mitwirkung zahlreicher Laien, die ihrer Stadt Bleicherode ein Denkmal setzen wollten. Ausgeheckt wurde die Idee unter anderem vom früheren Fassbinder-Kameramann Hans-Günther Bücking.

Am Anfang war's nur eine Schnapsidee unter Filmfreunden, dann wurde aber doch mehr daraus. Vor ein paar Jahren überlegten sich Regisseur Hans-Günther Bücking und der örtliche Kinobetreiber Alf Schneider bei einer durchzechten Nacht in Bleicherode, dass man doch mal einen eigenen Film über die 10.000-Einwohner-Stadt in Thüringen drehen könnte. Und sie zogen es durch. „Lotti oder Bleicherode, der etwas andere Heimatfilm“ sorgte 2020 erst in Bleicherode selbst, dann weit über die Grenzen der Kleinstadt hinaus für viel Aufsehen. Am Montag, 9. September, 23.10 Uhr, zeigt der MDR das ungewöhnliche Filmprojekt bundesweit als TV-Premiere.

Im Zentrum des Films, der jetzt unter dem Titel „Lotti, oder der etwas andere Heimatfilm“ im MDR-Fernsehen ausgestrahlt wird, steht eine Frau in den besten Jahren, die nach langer Zeit nach Hause zurückkehrt. Eine Frau mit viel Charisma und einer bewegten Vergangenheit: Lotti Funke (Marion Mitterhammer) hat sich in Wien einen Namen als Pornodarstellerin gemacht. Die Bleicheröder reagieren zunächst skeptisch auf ihre Rückkehr. Viel Getuschel auf der Straße, viele böse Blicke. Lotti will trotzdem wieder Fuß fassen in Bleicherode - und sich nach all den Jahren mit ihrer Teenager-Tochter Jenny (Joyce Schenk) versöhnen, die sie damals als Sechsjährige bei ihrer alten Mutter zurückgelassen hatte.

„Wir haben das Kino nicht neu erfunden, aber ...“

Lotti trifft in Bleicherode auf einige alte Bekannte - unter anderem auch auf ihren Ex-Freund Benno (Andreas Schieke). (Bild: MDR/Rokonstreetfilm)

Lotti trifft in Bleicherode auf einige alte Bekannte - unter anderem auch auf ihren Ex-Freund Benno (Andreas Schieke). (Bild: MDR/Rokonstreetfilm)

Was „Lotti, oder der etwas andere Heimatfilm“ so besonders macht: Abgesehen von einigen Profis wie Regisseur und Autor Hans-Günther Bücking, seiner Ehefrau Marion Mitterhammer und Gaststar Bruno Jonas wurde der Film vor und hinter der Kamera hauptsächlich mit Laien umgesetzt. Kinobetreiber Alf Schneider etwa fungierte als Kameramann, auch Ton und Maske wurden von Bleicherödern übernommen. Zum Casting kamen etwa 300 Menschen, von denen hinterher zahlreiche mit einer Sprechrolle ausgestattet wurden.

„Wir haben das Kino nicht neu erfunden“, gibt sich der einstige Fassbinder-Kameramann Hans-Günther Bücking bescheiden, „aber wir hatten Spaß und in einer eher abgehängten Gegend ein wunderbares Gemeinschaftsgefühl“. Für einige Amateure von damals wurde der Bleicherode-Film sogar zum Karriere-Sprungbrett. Diana Kölling etwa (Nebenrolle Mandy) ergatterte hinterher eine kleinere Rolle in Bückings und Mitterhammers Kinofilm „Taktik“ (2022) mit Harald Krassnitzer.

Den verdienten Lohn ihrer Gemeinschaftsarbeit konnten die Bleicheröder bereits im Februar 2020 erstmals auf der Leinwand bestaunen. Auch Thüringens Landtagspräsidentin Birgit Keller gab sich zur Filmpremiere die Ehre und setzte das Projekt in ihrer Ansprache in einen politischen Kontext. Keller betonte damals den Wert „der Kultur für die Demokratie“, die man, so wörtlich, nicht den „Chaoten und Idioten in diesem Land und bundesweit überlassen darf“. Vom Film selbst zeigte sich Keller ebenfalls angetan: „Ich fühlte mich glänzend unterhalten und würde Lotti jedem weiterempfehlen.“ Nun ist der launige Streifen erstmals im Free-TV zu sehen. (tsch)