In den 50-ern Rebell und Rocker, in den 60-ern Schauspieler und idealer Schwiegersohn, vor seinem Tod glamouröser Entertainer und traurige Figur: Elvis Presleys wechselhafte Lebensgeschichte fasziniert bis heute.
ElvisDas Synonym für Rock'n'Roll
Kaum eine Todesnachricht versetzte die Menschheit so in Aufregung und Trauer wie die, die am 16. August 1977 durch den Äther strömte: „Der King ist tot“, meldeten die Nachrichten weltweit. „Der King“, das war der „King of Rock'n'Roll“, Elvis Presley. Er wurde von seiner damaligen Freundin Ginger Alden am Boden seines Badezimmers gefunden und nach mehreren Wiederbelebungsversuchen mit 42 Jahren für tot erklärt. Am 8. Januar wäre Elvis 90 Jahre alt geworden, und bis heute gilt er als Galionsfigur der Jugendrebellion der 50er-Jahre und als Urvater des Rock'n'Roll - mit Recht.
„Der Rock'n'Roll ist geboren“ - mit diesen Worten feierten unzählige Radiosender weltweit die erste Single von Elvis Aron Presley 1954. Mehr als 1.000 Sender spielten „That's All Right (Mama)“, den ersten Song, den der 19-Jährige am 5. Juli 1954 in Memphis aufgenommen hatte, in Dauerrotation. Bereits mit jenen ersten öffentlichen Klängen machte er sich daran, die Welt im Sturm zu erobern und zu einer jener Ikonen zu werden, die sich bis heute in eine Reihe mit Beethovenbüsten, Marilyn-auf-Lüftungsgitter-Postern und Che-Guevara-T-Shirts in eine Reihe stellen kann.
Elvis: Der weiße Junge, der wie ein Schwarzer singen konnte
Elvis wurde 1935 in East Tupelo, Mississippi/USA als Sohn des Baumwollpflückers und Fabrikarbeiters Vernon Presley und der Näherin Gladys Presley geboren. Sein Zwillingsbruder Jesse Garon kam tot zur Welt. Klein-Elvis sang im Kirchenchor, bekam mit elf seine erste Gitarre, die er autodidaktisch erlernte. Als er 13 war, zog die Familie nach Memphis. Elvis galt als stets behütetes Kind, als durchschnittlicher Schüler, normaler Junge, später als schüchterner Jugendlicher und als netter Nachbar. Er konnte ein bisschen singen und ein wenig Gitarre spielen, und für alles, was er wollte, musste er hart arbeiten.
In seinem vorletzten Schuljahr an der Humes High School 1951, veränderte sich Presley: Er wurde offensiver, trug Klamotten des Geschäfts „Lansky Brothers“, in dem vornehmlich Afroamerikaner einkauften und ließ Haare und Koteletten wachsen. Elvis begeisterte sich für Gospel-Quartette wie die Statesmen, eine Band, deren Hauptsänger Jake Hess schon damals weibliche Fans in Hysterie versetzte. Mit dem Gehalt seines ersten Jobs nach dem Schulabschluss im Juni 1953 rannte er geradewegs zum Memphis Recording Service, einem Studio, in dem man für wenige Dollar eine doppelseitige Scheibe aus Celluloseacetat aufnehmen konnte. Für seine Mutter, wie er der Sekretärin, der er auch seine Nummer hinterließ, versicherte.
Wie es der Zufall und die Rockgeschichte wollten, hatte der Betreiber des Studios, Sam Phillips, dort außerdem sein Label Sun Records, das bereits Größen Howlin' Wolf und B.B. King gesignt hatte. Phillips hoffte schon damals, den wachsenden weißen Teenagermarkt für schwarze Künstler zu ebnen. Als er aber auf Elvis traf, hatte er gefunden, was er suchte: Einen weißen Jungen, der wie ein Schwarzer singen und agieren konnte, ohne sich zu verstellen. Eher durch Zufall stimmte Elvis bei der ersten Aufnahmesession „That's All Right Mama“ an, eine Bluesnummer von Arthur Crudups, die Elvis aber völlig anders anpackte - als „Rockabilly“, wie man heute sagt, als Fusion zwischen „schwarzem“ Rhythm & Blues und „weißem“ Country.
Elvis' erster TV-Auftritt war eine Revolution
Phillips war begeistert, die folgenden Studioaufnahmen brachten schnell den gewünschten Erfolg: Presley gab 1955 bereits 160 Konzerte, im März des gleichen Jahres schwang er erstmals im Fernsehen die Hüften, und kurz darauf begann seine Geschäftspartnerschaft mit Colonel Thomas Andrew Parker. 1956 erreichte Elvis mit „Heartbreak Hotel“ die Nummer eins und Goldstatus, erntete einen Sieben-Jahres-Filmvertrag mit Paramount Pictures in Hollywood und kaufte den berühmten rosaroten Cadillac für Mama Presley.
Die Promotionsmaschinerie lief wie geschmiert, und alle machten - auch unfreiwillig - mit: Nach seinem Auftritt in der „Ed Sullivan Show“ liefen Zeitungsredakteure Sturm und echauffierten sich auf den Titelblättern über Elvis' Obszönität. Sein Hüftschwung, der ihm den Namen „Elvis the Pelvis“ (zu Deutsch: Elvis, das Becken) einbrachte, wurde zum Politikum. Seine feminin anmutenden Outfits wurden wechselweise als schwul, obszön, geschmacklos oder Teufelswerk verdächtigt.
Dabei war Elvis genau das, was sich Teenager wünschten: eine Figur, über die sich ihre Eltern maßlos aufregen konnten. Er war der Erste, mit dessen Hilfe sich in den 50-ern erstmals eine weiße Gegen-Jugendkultur aufbauen lassen konnte. Rückblickend betrachtet, mag sich das revolutionäre Potenzial seiner Auftritte nicht sofort erschließen. In Anbetracht der damals lustfeindlichen, verklemmten und angstgeschwängerten Phase des Kalten Krieges und der McCarthy-Ära, sollte aber klar sein: Damals reichte eben schon ein babyspeckiger Sakkojunge und ein kleiner Hüftschwung zum Ausbruch einer kleinen Rebellion.
Elvis: Erst Rock-Ikone, dann Schwiegermutterfreund, zuletzt traurige Figur
1958 wurde Elvis als GI nach Deutschland abkommandiert, was seine Popularität nur noch steigerte, allein in den 60er-Jahren drehte er 27 Hollywoodfilme. Mit der aufkommenden British Invasion, Bands wie den Beatles, Stones und Kinks, verlor Elvis an rebellischem Potenzial: Der aufmüpfige Rock'n'Roller wurde zum Schwiegermutterfreund.
Während seine Karriere in den späten 60er-Jahren stagnierte, heiratete er 1967 Priscilla, die er als 14-Jährige in Deutschland kennengelernt hatte, bekam seine Tochter Lisa-Marie. Nach einer musikalischen Stiländerung, wieder aufkeimenden Erfolgen wie „In The Ghetto“ und nach einem erfolgreichen TV-Special beschloss Elvis 1969, sich auf sein Dasein als Live-Künstler zu konzentrieren. Lukrative Engagements in Las Vegas - anfangs 500.000 Dollar bei zwei Auftritten am Abend - und millionenschwere Tourneen mit dieser Show sicherten ihm ab 1969 ein Dasein als nach wie vor lebendige, megaerfolgreiche Rock-Ikone.
Dieses Bild wurde aber nach und nach von einem Ruf als schwergewichtiger Glitzer-Strampelanzug-Träger und White-Trash-Mode-Ikone abgelöst. 1973 wurde Elvis Ehe geschieden, und er sorgte trotz ausverkaufter Engagements immer öfter für Schlagzeilen wegen diverser Krankheiten, Gewichts- und Medikamentenprobleme, die ihm - so wird vermutet - 1977 auch den tödlichen Herzstillstand bescherten.
Lebt Elvis noch?
Bis heute ist Elvis' Tod ein Mysterium und gibt Anlass zu wilden Theorien. Die Tatsachen, dass einige Akten über den Tod bis 2027 unter Verschluss stehen, dass der Totenschein erst zwei Monate später ausgefüllt wurde, dass der Name „Elvis Aaron“ auf dem Grab steht, obwohl Elvis mit zweiten Namen „Aron“ (mit einem „a“) hieß, nährten die Gerüchte, Elvis sei nicht tot, sondern hätte sich einfach elegant zur Ruhe gesetzt. Ikone hin, Untoter her: Kaum ein Musiker hat das 20. Jahrhundert so geprägt wie Elvis. Oder wie es der Rock-Historiker Mark Kirkeby in einem Interview mit dem „Stern“ knapp und treffend formulierte: „Das, was wir heute Rock'n'Roll nennen, ist Elvis.“ (tsch)