„Frieden ist eine Kunst“TV-Doku fragt, wie „Kriege enden und Frieden möglich ist“

Freunde und Menschenrechtsaktivisten im Nahostkonflikt: Eliaz Cohen (rechts) und Khaled Abu Awwad treffen sich an einem eigens eingerichteten Versöhnungsort.
 (Bild: ARTE / Jean Schablin)

Freunde und Menschenrechtsaktivisten im Nahostkonflikt: Eliaz Cohen (rechts) und Khaled Abu Awwad treffen sich an einem eigens eingerichteten Versöhnungsort. (Bild: ARTE / Jean Schablin)

In der Dokumentation „Wie Kriege enden und Frieden möglich ist“ werden Menschen vorgestellt, „die wissen, wie Frieden geht“: Friedensnobelpreisträger, Diplomaten, Unterhändler. Fazit: Krieg führen ist leichter als Frieden stiften.

Der Philosoph Immanuel Kant, Verfasser der Schrift „Vom ewigen Frieden“ (1795), hätte an diesem Dokumentarfilm zumindest als Versuch seine Freude gehabt. Wusste er doch, dass Frieden „kein natürlicher Zustand zwischen den Menschen“ sei. Er müsse stattdessen gestiftet und abgesichert werden. Genau das sagen 230 Jahre später all die Diplomaten, Vermittler und gar Friedensnobelpreisträger, welche die Reporter von ZDF und ARTE für ihr Werk „Wie Kriege enden und Frieden möglich ist“ befragten. ARTE zeigt den 90-Minüter am Dienstag, 22. April, um 20.15 Uhr.

Fatima Gailani war Vermittlerin im Friedensprozess von Afghanistan zwischen USA und Taliban. (Bild: ARTE / Craig Herd)

Fatima Gailani war Vermittlerin im Friedensprozess von Afghanistan zwischen USA und Taliban. (Bild: ARTE / Craig Herd)

„Wie Frieden geht“, das ist die große Frage, die der Film an Politiker und Diplomaten wie Cyril Ramaphosa, den derzeitigen südafrikanischen Präsidenten, an den Friedensnobelpreisträger und ehemaligen kolumbianischen Präsidenten Juan Manuel Santos, die afghanische Diplomatin Fatima Gailani, sowie den ehemaligen israelischen Außenminister Schlomo Ben-Ami und vor allem an den kubanischen Philosophen und Diplomaten Sergio Jaramillo richtet. Das ergibt viele Statements und kurz angeschnittene Erfahrungsberichte.

Aus der Namensauflistung geht bereits hervor, dass es zur einen Hälfte nicht um Kriege zwischen Staaten geht, sondern, wie in Südafrika und Kolumbien, um innerstaatliche Konflikte. Aber auch anhand der Erfahrungen mit den Konflikten der kolumbianischen Regierung und der Guerilla Farc wird klar, wie schwer es den jeweiligen Diplomaten gemacht wurde. Erst recht im Falle Südafrikas und der Apartheid, die es zu überstehen galt - hier hieß es für die Schwarzen, den Rassisten nach ihrer Abdankung zu verzeihen.

Im Falle Afghanistans ist wiederum nichts ausgestanden. Der schlecht vorbereitete Rückzug der Amerikaner stiftete keinen wirklichen Frieden im Sinne von Gerechtigkeit. Auch heute werden Frauen und Mädchen durch die Taliban zum Teil ihrer Freiheit beraubt. Ob daher der Krieg als fortgesetzt zu bewerten ist, erscheint jedoch fragwürdig.

Nelson Mandela (links) und Südafrikas Präsident Frederik Willem de Klerk erhielten 1993 den Friedensnobelpreis für ihre Bemühungen um einen friedlichen Übergang von der Apartheid zu einer freien Gesellschaft in Südafrika.
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 (Bild: ARTE / Jörg Adams / Gerard Julien / Getty Nelson )

Nelson Mandela (links) und Südafrikas Präsident Frederik Willem de Klerk erhielten 1993 den Friedensnobelpreis für ihre Bemühungen um einen friedlichen Übergang von der Apartheid zu einer freien Gesellschaft in Südafrika. alt (Bild: ARTE / Jörg Adams / Gerard Julien / Getty Nelson )

Und im Falle Israels hinkt der Film, so der Eindruck, den gegenwärtigen Ereignissen vor allem im Gazastreifen hinterher. Allerdings finden sich hier auch die beeindruckendsten Versöhnungsbilder, wenn sich nahe Jerusalem ein vom Krieg gezeichneter Palästinenser und ein Jude versöhnen. „Den Deutschen habt ihr verziehen, warum könnt ihr es mit uns nicht genauso halten?“ - Der Satz des Palästinensers gräbt sich tief im Gedächtnis ein.

Allen Statements, ob sie nun von kolumbianischen oder israelischen Diplomaten stammen mögen, ist die Erfahrung eigen, dass Friedensstiftung ein zähes, oftmals frustrierendes Geschäft ist, das den Willen braucht, sich selber zurückzunehmen und den anderen um fast jeden Preis zu akzeptieren, mag man von der Vernunft her auch noch so sehr anderer Ansicht sein. Es gelte, Rückschläge hinzunehmen und immer wieder von Neuem mit den zumeist geheimgehaltenen Verhandlungen zu beginnen. Kein Abbruch sei endgültig - das wurde in den schweißtreibenden Camp-David-Verhandlungen 1978 positiv deutlich und im Jahr 2.000 mitsamt Bill Clintons hochroten Kopf leider widerlegt.

Schaut in die Zukunft, nicht in die Vergangenheit!

Südafrikas heutiger Präsident und Friedensstifter Cyril Ramaphosa war zur Zeit des Apartheidregimes Verhandlungsführer des aufständischen ANC (Afrikanischer Nationalkongress).

 (Bild: ARTE / Craig Herd)

Südafrikas heutiger Präsident und Friedensstifter Cyril Ramaphosa war zur Zeit des Apartheidregimes Verhandlungsführer des aufständischen ANC (Afrikanischer Nationalkongress). (Bild: ARTE / Craig Herd)

„Frieden ist eine Kunst“, so sagt es der Autor Jobst Knigge (zusammen mit Susanne Utzt und Cristina Trebbi) im Vorgespräch mit ARTE. „Frieden ist mehr als die Abwesenheit von Krieg. Frieden bedeute, dass Menschen in Freiheit leben können, nicht nur, dass nicht geschossen wird.“ Hier spätestens schlägt die Stunde der Nobelpreisträger, des Nelson Mandela in Südafrika, der noch nach seiner Befreiung schwer kämpfen musste, um Weiße zum Schuldbekenntnis und Schwarze zu bitterer Verzeihung anzuleiten.

Angesichts der Kriege in der Ukraine (das Land kommt hier nur am Rande vor) und Palästina wirken viele Weisheiten der Friedensstifter leider etwas schal, wie Heikus, die an die Wand zu pinnen sind. „Schaut in die Zukunft und schaut nicht in die Vergangenheit“, ist einer dieser Sätze. „Fragt nicht: Was ist da schiefgegangen?“. Und auch das: „Vertrauen“ sei „eine Folge, keine Voraussetzung für Frieden“. So sagt der Diplomat und Friedensforscher Sergio Jaramillo. Wichtig sei, zu fragen: „Wohin sollen die Verhandlungen führen?“ statt „Was soll aus der Vergangenheit bewahrt werden?“

So sind denn auch die Weisheiten, die sich weniger auf eine gewitzte Verhandlungsführung beziehen, als vielmehr auf die Bewahrung des Friedens danach, die wertvolleren. Eindrucksvoll Mandelas Südafrika-Zusammenhalt, aber auch die Bemühungen in Kolumbien, ehemalige Guerillakämpfer in die Gesellschaft einzubinden und ihnen Geld und Arbeit zu geben. Etwas mehr solcher Impressionen hätte dem Film, der viele Statements aneinanderschneidet, sicher gutgetan. (tsch)