„Zimmer frei!”Götz Alsmann über das erste Treffen mit Christine Westermann

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Götz Alsmann, hier 2017 in Köln, fehlen die Live-Auftritte sehr. Streamen sei nicht vergleichbar. „Das ist, wie einen Witz erzählen und keiner lacht!“, sagt er.

Köln – Er ist anders – und macht nicht das, was andere machen: Götz Alsmann (63). Als Entertainer startete er vor genau 25 Jahren mit Christine Westermann (72) die „Zimmer frei!“-Erfolgsgeschichte, als Musiker entstaubt er gern alte Hits und macht sie frisch für die Gegenwart. Das hat er aktuell mit deutschen Schlagern gemacht – zu hören auf dem neuen, hochgelobten Album „L.I.E.B.E.“.

  1. Götz Alsmann hat ein neues Album gemacht
  2. Der Entertainer spricht mit uns über seine Jugenderfahrungen
  3. Wie er sich an die Zeit bei Zimmer frei erinnert

Götz Alsmann im EXPRESS-Interview

Sie sind mit Ihrem Album „L.I.E.B.E.“ gerade in den Charts – aber wir haben schlechte Zeiten für Musiker, die Live-Konzerte fehlen. Wie überstehen Sie das?Götz Alsmann: Ich mache das, was alle Musiker tun – ich warte drauf, dass wir wieder spielen und so viel wie möglich nachholen können. Viele Konzerte mussten abgesagt werden, das zieht sich noch ins nächste Jahr. Natürlich haben wir mal ohne Saal-Publikum gestreamt, aber das ist so, als erzähle man auf einer Party einen Witz, aber keiner lacht.

Auf „L.I.E.B.E.“ wir hören vor allem Songs aus den 50ern und 60ern. Warum?Ich wollte an die große Tradition deutschsprachiger Schlagergeschichte erinnern. Wenn man zurückblickt, ist man immer wieder überrascht, was es damals für tolle Lieder in Deutschland gab – und dazu ganz großartige Interpretinnen und Interpreten.

Hörte man damals nicht vor allem US- und englische Musik?Heute denken wirklich viele, die 50er und 60er seien nur von Rock’n’Roll und Beatmusik bestimmt gewesen – waren sie nicht! Da gibt’s viel anderes zu entdecken. Der Bogen auf dem Album ist weiter gespannt, geht zurück bis in die 20er.

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„L.I.E.B.E“ heißt das aktuelle Album von Götz Alsmann.

Wie wichtig waren Beatles, Stones & Co. für Sie persönlich?Die Beatmusik nach 1965, egal, von wem sie war, hat mich nie wirklich interessiert oder fasziniert. Es war kein Sound, der mir gefiel, keine Musik, die mir was sagte. Es waren auch keine Looks, die mich inspirierten. Damals hörte ich andere Musik. Louis Armstrong und Fats Waller waren meine Helden. Operetten von Emmerich Kálmán haben mich begeistert: „Komm mit nach Varasdin, solange noch die Rosen blüh’n“!

Haben Sie „Bravo“ gelesen?Nein. Hat mich auch nicht interessiert. Somit war Dr. Sommer an meiner Aufklärung nicht beteiligt.

Bestimmend für die Jugendkultur war das Radio. Gab’s da Musik, die Ihnen gefiel?Ich habe schon mit zehn, elf, zwölf die tollsten Sendungen im WDR gehört, sonntags die „Jazz-Informationen“ von Dr. Dietrich Schulz-Köhn auf WDR3, donnerstags auf WDR 2 alle Sendungen mit der wunderbaren Renata Calani. Sie moderierte im wöchentlichen Wechsel „Bei Scotch und Candlelight“ und „Von Rio bis Bahia“. Man konnte sich bei ihr seinen eigenen Geschmack bilden, auch wenn er vordergründig noch so abseitig schien. Ich bin froh, mit meinen Sendungen auf WDR 3 und WDR 4 an die Tradition dieser Vorbilder anknüpfen zu können.

Was finden Sie an Schlagern der Nachkriegsjahre so toll?Sie wurde von Komponisten verfasst, die einen anderen musikalischen Hintergrund hatten. Sie kamen von der Klassik, der Operette, vom Kabarett, der Bühne. Diese Könner waren es gewohnt, nicht nur einen Schlager zu schreiben, sondern immer gleich ein Dutzend mehr für eine Operette, Revue oder einen Film.

Was störte Sie an den Schlager-Komponisten der Zeit danach?Das war die Generation frustrierter Beat-Musiker, die ihren Traum, die deutschen Rolling Stones oder Beatles zu werden, beerdigt hatten. Sie fingen an, mit ihren Mitteln Schlager zu komponieren. Ein ganz anderer musikalischer Haushalt.

Hören Sie aktuelle deutsche Musik – Helene Fischer & Co. oder die Singer/Songwriter?Nicht bewusst.

Vor fast 25 Jahren haben Sie mit Christine Westermann erstmals „Zimmer frei“ moderiert. Haben Sie sich da vorstellen können, dass die Sendung 20 Jahre läuft?Ganz und gar nicht. Man muss sich ja vorstellen, dass „Zimmer frei“ aus dem Boden gestampft wurde, das war eine Verlegenheits-Sendung. Die Hauptqualifikation für die Moderatoren bestand offensichtlich aus der richtigen Antwort auf die Frage „Haben Sie Zeit?“ Diese Frage ist im Sommer 96 – wenige Wochen vor der ersten Sendung – Christine und mir unabhängig voneinander gestellt worden. Wir hatten Zeit.

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Traumpaar der Moderation: Christine Westermann und Götz Alsmann (hier beim Comedy-Preis 2016).

Waren Sie damals zufrieden mit der Wahl Ihrer Partnerin?Dazu hatte ich zunächst keine Meinung. Wir haben uns erstmals vorm Dreh des Trailers im Kölner „Örgelchen“ bei einem Sekt beschnuppert. Christine wusste gar nicht, wer ich war. Sie lebte nicht in Deutschland, hatte meine Sachen nicht mitbekommen. Es galt noch als besonderes Wagnis, eine Frau aus dem Journalismus und einen Mann aus der Unterhaltung zu nehmen – wäre bis dahin eher umgekehrt gewesen. Es hat supergut geklappt. Hätte auch nicht so gut klappen können.

Sind Shows heute Ihre Welt?Ich bin kein großer Fernsehgucker. Aber ich bin ja nicht vom Bildschirm verschwunden, ich habe bloß kein wöchentliches Format. Vieles, was ich im letzten Jahr hätte moderieren sollen, ist der Pandemie zum Opfer gefallen – u. a. zwei große Eurovisions-Sendungen zum Beethoven-Jahr. Die Pandemie greift also nicht nur in meinen Musikerberuf, sondern auch in meinen Fernsehberuf ein.

Letzte Frage: Haben Sie studiert, um Lehrer zu werden?Ich wollte nie Lehrer werden, sondern Musiker und Entertainer. Ich hatte immer den Plan, von der Musik, von der Bühne, von Rundfunk oder Fernsehen leben zu können. Das war mein Traum. Glücklicherweise hat das geklappt.

Götz Alsmann: Ein heimattreuer Münsteraner

Götz Alsmann (geboren am 12. Juli 1957 in Münster) absolvierte von 1977 bis 1985 ein Studium in seiner Heimatstadt (Germanistik, Publizistik, Musikwissenschaft). 1985 machte er seine Promotion zum Dr. phil.

Von 1973 bis 1979 spielte er mit der Heupferd Jug Band vier Alben ein. 1980 war es als Götz Alsmann & The Sentimental Pounders unterwegs, 1989 wurde die Götz Alsmann Band (zwei Jazz-Echos, Goldene Stimmgabel) ins Leben gerufen. Im Juli 2011 folgte die Ernennung zum Honorarprofessor an der Universität Münster (Geschichte der Popularmusik).

Seit 1985 moderiert er im Radio, seit 1986 auch im Fernsehen. Von 1996 bis 2016 moderierte er die Kultsendung „Zimmer frei!“ mit Christine Westermann im WDR Fernsehen. Er ist verheiratet, hat einen Sohn und lebt immer noch in Münster.