Der 18. März ist Tag der Entscheidung: Im Bundestag wird über das Milliarden-Paket von Union und SPD für Landesverteidigung und Infrastruktur abgestimmt. Am Tag zuvor stellt Louis Klamroth bei „Hart aber Fair“ die Gretchenfrage: „Ist Aufrüsten alternativlos?“
„Hart aber fair“Podcaster spricht über Merz-Aussagen: „Mir macht sowas Angst“

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Loius Klamroth (Mitte) stellte seinen Gästen bei „Hart aber fair“ die Frage: „Ist Aufrüsten alternativlos?“
„Whatever it takes“ - mit diesem viel zitierten Satz haben sich Friedrich Merz und die CDU um 180 Grad gedreht: Am Dienstag wird der Deutsche Bundestag über einen Gesetzesentwurf abstimmen, der in den kommenden Jahren schier unbegrenzt Ausgaben für die Verteidigung ermöglichen soll. Angesichts des unberechenbaren US-Präsidenten Donald Trump auf der einen und des aggressiven russischen Präsidenten Wladimir Putin auf der anderen Seite sei das notwendig, so begründete Merz die Kehrtwende hinsichtlich seiner Aussagen vor der Wahl.
Diese Kehrtwende blieb in Moskau nicht unbemerkt, berichtete Korrespondentin Ina Ruck am Montagabend bei der Sendung „Hart aber fair“ zum Thema „Milliarden für die Bundeswehr - ist Aufrüsten alternativlos?“ aus Russlands Hauptstadt. Dort würden medial „wilde Vergleiche“ mit den Nazis gezogen und gesagt, Merz mache dasselbe wie Hitler.
Julian Nida-Rümelin: „Es gibt ein Effizienz- und Effektivitätsproblem in Europa“
Gleichzeitig gab sie wenig Hoffnung, dass das ebenfalls für morgen angekündigte Telefonat zwischen Putin und Trump eine baldige Waffenruhe oder Friedenslösung einläuten könnte. Putin hätte nur Interesse, die Ukraine zu kontrollieren, wusste Ruck: „Wie er dahin kommt, ob über Krieg oder eine Friedenslösung, die seine Bedingungen beinhaltet, ist zweitrangig.“
Deutschland müsse deshalb in erster Linie Soldaten zur Landes- und Bündnisverteidigung von EU und Nato ausrüsten, betonte die Politikwissenschaftlerin Andrea Rotter von der SPD-nahen Hanns-Seidel-Stiftung. Dabei sei die Bundeswehr selbst nur ein Ausschnitt: „Es geht nicht nur um die Bundeswehr, sondern um Bevölkerungs- und Zivilschutz“, stellte CDU-Politiker und Oberst a.D. Roderich Kiesewetter klar.

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„Es geht nicht nur um die Bundeswehr, sondern um Bevölkerungs- und Zivilschutz“, warb CDU-Politiker Roderich Kiesewetter für das geplante Schuldenpaket.
„Deutschland muss in der Lage sein, sich zu verteidigen“, sprach sich auch Ex-Kultur-Staatsminister Julian Nida-Rümelin für Investitionen in die Bundeswehr aus. Allerdings verwies ausgerechnet er als Philosoph auf die Zahlen („Empirie ist hilfreich“): China habe dreimal so hohe Rüstungsausgaben wie Russland, in den USA seien sie sogar neunmal höher. Auch Deutschland, Frankreich und Großbritannien gäben zusammen mehr aus. „Wenn es so massive Probleme in der Verteidigungsfähigkeit gibt, dann gibt es ein Effizienz- und Effektivitätsproblem in Europa“, warnte er davor, Geld zu verpulvern.
Dass Merz das anders sehe, wie Klamroth einwarf, klang für die langjährige „taz“-Chefredakteurin Bascha Mika „gruselig“. Bei Merz gehe es ihrer Ansicht nach um mehr als Verteidigung. Eine Befürchtung, die auch Podcaster und Autor Ole Nymoen teilte. Merz' Aussagen wie „Deutschland ist zurück“ klängen nach Führungsanspruch: „Der neuen Supermacht namens EU soll Merz vorstehen. Mir macht sowas Angst.“
Den Anstieg der Aktienkurse von Rheinmetall betrachtete derweil Bascha Mika mit Unbehagen: „Ich habe schon den Eindruck, weil die Autoindustrie abk..ckt, brauchen wir ein anderes Investitionsprogramm“, meinte die Journalistin zynisch. Man müsse nicht nur in die Aufrüstung, sondern vor allem in Diplomatie massiv investieren. Man hätte die „verdammte Verpflichtung mitzureden“, bezog sie sich auf den Krieg in der Ukraine: „Wir wollen nicht Trump und Putin alleine reden lassen, wo kommen wir denn da hin?“
US-Experte: Trump „will einen Frieden herbeischaffen, aber keinen gerechten“
Wenn es um die Sicherheit in Europa gehe, „sollte man die Stimme erheben“, pflichtete der aus Washington zugeschaltete Jeff Rathke vom American-German Institute an der Johns-Hopkins Universität bei. Was vom Telefonat zwischen Trump und Putin zu erwarten war, konnte der ehemalige US-Diplomat nicht abschätzen, war sich jedoch sicher: Trump wolle „einen Frieden herbeischaffen, aber keinen gerechten“.
Deshalb säßen die Europäer nicht am Verhandlungstisch. Deren Sicht sollte allerdings berücksichtigt werden, vor allem, wenn sie für Frieden und Wiederaufbau bezahlen sollten.

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Jungoffizier David Matei widersprach Behauptungen, die Bundeswehr sei verfassungsfeindlich unterwandert.
Auf die USA dürfe man sich nicht verlassen, wollte Kiesewetter zudem über nukleare Abschreckung sprechen. Ein Thema, bei dem Mika emotional reagierte: „Atomarer Schutzschild ist ein euphemistischer Begriff“, kritisierte sie, „wenn wir unter einen Schutzschild müssen, dann sind wir tot.“
Rotter brachte die Debatte wieder auf neutralen Boden zurück: Noch hätten die USA nicht angedroht, den nuklearen Schirm von den Europäern wegzunehmen. Ersetzen könnte man diesen Schutz noch länger nicht, ergänzen aber sehr wohl - riet sie, diese gesellschaftliche Debatte einzugehen.
„Sich auf die Zukunft vorzubereiten“, das hielt auch Jef Rathke für klug, schließlich wisse man, „dass Trump kein Anhänger von Bündnisverpflichtungen ist“.
Journalistin unterstellt Bundeswehr, unterwandert zu sein, Jungoffizier wehrt sich
Zum Abschluss dieser inhaltsstarken Sendung wollte Klamroth über den Zustand der Bundeswehr sprechen. Dazu hatte er einen weiteren Gast eingeladen. Im Bereich der Aufrüstung und Modernisierung wäre seit seinem Eintritt zur Bundeswehr vor 14 Jahren viel passiert, jetzt müsste man vor allem ans Thema Personal ran - schilderte Jungoffizier David Matei, der auf TikTok über Verteidigungsthemen vlogt, die Lage.

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Bascha Mika forderte mehr Diplomatie vonseiten der Europäer: „Wir wollen nicht Trump und Putin alleine reden lassen, wo kommen wir denn da hin?“
Mit der Frage, ob die Bundeswehr ein attraktiver Arbeitgeber sei, brachte ihn Bascha Mika kurz aus dem Konzept. Warum träte jeder Vierte Freiwillige nach kurzer Zeit aus der Bundeswehr aus, zitierte die Friedensaktivistin den Wehrbericht 2024.
Dass die Bundeswehr rassistisch, sexistisch und rechtsradikal unterwandert wäre - wie sie unterstellte -, wies der Jungoffizier von der Hand. Auch bei Ausbildungen und an der Uni würden sich 25 - 30 Prozent umentscheiden, sah Matei darin nichts Außergewöhnliches: „Gut, dass sie es sich anschauen und merken, Haare schneiden ist nichts für mich“, überraschte er Mika mit seiner „Analyse“.
Podcaster Ole Nymoen: „Es kommt für mich nicht in Frage zu dienen“
„Gesundheit, familiäre Gründe, aber auch falsche Vorstellungen, was der Militärdienst beinhalte“, kannte Rotter die eigentlichen Gründe aus dem Bericht selbst. Zudem brächten neue Technologien andere Anforderungen ans Berufsbild. Dieses Potenzial müsse man aufarbeiten, um zu schauen, wie die Bundeswehr attraktiver werde.
„Die körperlichen Anforderungen, aber auch Flugzeuge, die nicht fliegen, Waffen, die nicht funktionieren“, hätten oft zum Ausstieg beigetragen, ergänzte Kiesewetter. Seit drei Jahren sei man jetzt dabei, die Bundeswehr langsam wieder auszustatten.
Nymoen konnte er damit nicht überzeugen. Auch Mateis flammendes Plädoyer, dass „Deutschland es wert sei“ zu kämpfen, prallten am Autor ab: „Es kommt für mich nicht infrage zu dienen“, stellte er klar, „einerseits aus Eigeninteresse: Ich will nicht sterben, nicht versehrt werden, andererseits lässt es einen nicht unverändert zurück. (...) 60 Prozent der Bevölkerung sehen das auch so“, berief er sich auf Umfragen: „Am Ende des Tages ist sich jeder selbst der Nächste.“ (tsch)