Der große Heinz ErhardtZum Schluss konnte er nur noch fünf Worte sagen – letzter Brief geht ans Herz

Horst Klemmer und Heinz Erhardt am 1. Juni 1979, vier Tage vor Erhardts Tod

Horst Klemmer am 1. Juni 1979 bei seinem letzten Besuch bei Heinz Erhardt, vier Tage vor dessen Tod. Der Komödiant hatte gerade das Große Verdienstkreuz überreicht bekommen – und war so unglaublich stolz. Erhardt trägt die Auszeichnung an einem weichen Band um den Hals.

115 Jahre wäre der unvergleichliche Heinz Erhardt in diesem Jahr alt geworden. Sein Manager Horst Klemmer (87) öffnet sein ganz persönliches Erinnerungsalbum und zeigt einen zu Herzen gehenden Brief.

von Stefanie Monien  (smo)

Er sprach über „Die Made“ hinter einer Baumesrinde mit genau solcher Präzision und Inbrunst, wie er „Regenlieder“ sang, auf der Theaterbühne agierte und in vielen Filmen den Menschen vor allem in den Jahren nach dem Krieg das Lachen wiedergab: Heinz Erhardt (1909-1979).

Daran, dass der Mann mit der Hornbrille und dem verschmitzten Schmunzeln unsterblich ist, hat auch Manager Horst Klemmer einen Anteil. Der 87-Jährige erinnert sich sehr persönlich an seinen Schützling.

Heinz Erhardt: So tickte der große Humorist privat

Als einen „ganz einfachen, feinen Menschen“, beschreibt Klemmer im Gespräch mit EXPRESS.de Heinz Erhardt. Für ihn ist der Meister der Wortakrobatik, der „glänzend improvisieren“ konnte, „der Künstler, an dem ich am meisten hänge“.

Und Künstler hatte Klemmer, der 1985 die „Miss Germany Corporation“ gründete, viele unter Vertrag: von Dieter Thomas Heck bis Heinz Schenk. Und eben Erhardt. Ihm zum Gedenken hat er ein sehr persönliches Buch geschrieben: „Heinz Erhard – Hinter den Kulissen“ (Lappan Verlag, 18 Euro).

1962 nahm Horst Klemmer Erhardts Angebot an, exklusiv dessen Management zu verantworten (das hatte bis dato Gattin Gilda getan) zeitlebens blieben beide per Sie.

„Ich war ja mehr als 25 Jahre jünger“, erzählt Klemmer, der Heinz Erhard als „stets korrekt, extrem gewissenhaft, etwas überorganisiert“ beschreibt, privat habe er einen „eher stillen und in sich gekehrten Menschen“ erlebt. „Gestritten haben wir uns in all der Zeit übrigens nie!“

Heinz Erhardt schrieb nur mit grüner Tinte

In 19 Alben sammelte der Meister des Wortspiels Zeitungsartikel, Programmhefte und Fotos, Notizen dazu machte er mit grüner (!) Tinte. Damit unterschrieb er auch Verträge, in seine Schreibmaschine war grünes Farbband eingespannt.

Was Erhardt, den Entertainer Chris Howland einst treffend als „Philosoph der Freundlichkeit“ titulierte, nicht leiden konnte, war, wenn man ihn als „Witzeerzähler“ verkannte.

Horst Klemmer (87), der Manager von Heinz Erhard

Horst Klemmer (87), der „Impresario“. So nannte Heinz Erhardt seinen Manager liebevoll.

„Für sein Publikum gab er alles“, so Klemmer, „er brachte ihm größten Respekt entgegen, setzte sich sehr unter Druck, weil es für ihn eine Katastrophe war, die Gäste zu enttäuschen oder eine Veranstaltung gar absagen zu müssen.“

Heinz Erhardt: Seine größte Angst wurde Wirklichkeit

Wie sehr bewegen da Erhardts Worte an seinen „Impresario“ von 1979: „‚Wenn ich einmal nicht mehr gehen kann, dann machen Sie den Vorhang zu, stellen mir einen Sessel, einen Schreibtisch, eine Stehlampe hin. Hauptsache, ich kann sprechen.‘ Das hat der Mann ein Vierteljahr vor seinem Schlaganfall zu mir gesagt.“

Doornkaat, Kuchen, grüne Tinte

Heinz Erhardt ganz privat - sein letzter Brief rührt zu Tränen

Der Schauspieler, Kabarettist, Schriftsteller, Komponist und Filmproduzent Heinz Erhardt (undatiertes Archivfoto).

Verschmitzt mit Strohhut und Wirtschaftswunder-Hornbrille: Heinz Erhardt, der Meister der Wortakrobatik, wäre am 20. Februar 2024 115 Jahre alt geworden. Sein Manager Horst Klemmer erinnert sich sehr persönlich an den Mann, der den Deutschen nach dem Krieg das Lachen wieder lehrte.

Heinz Erhardt in jungen Jahren

Heinz Erhardt wurde am 20. Februar 1909 in Riga geboren, lernte in der Musikalienhandlung seines Großvaters. Aus Riga stammt auch Ehefrau Gilda (1987; von 1935 bis zu Erhardts Tod 1979 waren sie verheiratet). Mit seinem musikalischen Talent trat er in der Umgebung auf. 1939 buchte ihn die Konzertdirektion Hoffmeister für einen Auftritt in Mannheim. „Er und Gilda hatten sehr wenig Geld“, erinnert sich Klemmer. „Er musste in der vierten Klasse reisen, auf harten Holzbänken. 25 Stunden hin für 15 Minuten Auftritt und 25 Stunden wieder zurück.“ Später erzählte ihm Erhardt: „Ich habe 15 Deutsche Mark als Gage erhalten und konnte mein geliebtes Zipchen (Kosename für Gilda) endlich einladen.“

Heinz Erhardt und Camilla Spira 1958 in„Vater, Mutter und neun Kinder“.

Heinz Erhardt war, wie hier im Film „Vater, Mutter und neun Kinder“ (1958), auch kulinarisch ein Mann der Wirtschaftswunderzeit. „Kalbshaxe, Knödel, Gulasch, Kotelett, Bratkartoffeln oder Pommes frites das alles mochte er sehr gern, aber seine Leidenschaft waren Kuchen“, erinnert sich Klemmer. „Ob in Hotels oder bei ihm zu Haue: Eine Kaffeetafel um 15 Uhr ließ ihn strahlen.“ Außerdem mochte er „Dodo“ (Doppelter Doornkaat) den hat er sicher auch in Köln gebraucht, als Klemmer aus Gag nach einer Vorstellung „Halve Hahn“ bestellte: „Selten habe ich Heinz Erhardt so enttäuscht dreinschauen sehen. Er war Fleischesser, mochte überhaupt keinen Käse.“ PS: Das halbe Hähnchen bekam er noch!

Drei Mann in einem Boot

Den meisten von uns sind Poesie („Noch 'n Gedicht“) und Filme mit Heinz Erhardt in Erinnerung (zum Glück werden sie stetig wiederholt): So machte er in „Der Haustyrann“ seiner Familie das Leben sauer (was Familienmensch Erhardt im wahren Leben nie getan hätte), als „Willi Winzig“ stand er 612-mal im Stück „Das hat man nun davon“ auf der Bühne, ehe der Stoff unter dem Titel „Was ist denn bloß mit Willi los?“ verfilmt wurde. Unvergessen „Drei Mann in einem Boot“ (1961; Foto) mit Walter Giller und Hans-Joachim Kulenkampff. „Die drei waren ein Traumgespann, verbrachten viel Zeit auf dem Rhein, dessen Wasser Erhardt als Nichtschwimmer weniger schätzte als den Wein“, so Klemmer.

Heinz Erhardt, Gila von Weitershausen und Willy Millowitsch 1969 im Film "Charleys Onkel“

Die Herren mit gleicher Brille, die hier 1969 mit Gila von Weitershausen strahlen, haben sich mehrfach in Köln getroffen. „Im Millowitsch-Theater durfte Herr Erhardt die Garderobe von Willy Millowitsch nehmen – eine hohe Ehre. Leider war die Tür so niedrig, dass sich Erhardt fünfmal den Kopf gestoßen hat“, so Klemmer, der auch noch verrät, dass es nach geglücktem Tournee-Start einen Umtrunk im „Hotel am Ring“ gab. Dort habe eine der Töchter Millowitschs (welche, bleibt geheim!) Klemmer beiseite genommen und gesagt: „Ich habe mehr gelacht als bei meinem Vater.“ Das habe Erhardt gehört und gesagt: „Millowitsch ist aber auch toll und humorvoll!“ Vergleichende Komplimente „musste er sofort zurückgeben, sonst war es ihm unangenehm.“

Heinz Erhardt und Daliah Lavi in "Baden-Badener Roulette" in den 70er Jahren

Auch im Fernsehen überließ Heinz Erhardt nichts dem Zufall: 1971 war er in der TV-Gala „Baden-Badener Roulette“ zu Gast und schrieb in der Nacht vorm Auftritt den Moderationstext, der ihm vorgegeben worden war, um. „Drei Tage waren wir mit Udo Jürgens, Daliah Lavi (Foto), Katja Ebstein, Danyel Gérard und Mary Roos im Hotel Tannenhof untergebracht“, erinnert sich Klemmer. „Erhardt konnte nicht nur selbst witzig sein, er genoss den Humor seiner Kollegen. So erzählte Daliah Lavi fast zwei Stunden lang ununterbrochen jüdische Witze und er bog sich vor Lachen.“ Erhardt notierte in seinem Privatalbum: „Hoffentlich ist die Sendung angekommen, ich hatte mir viel Mühe gegeben!“

Schauspieler Heinz Erhardt schneidet mit Ehefrau Gilda an seinem 64. Geburtstag die Torte an

Was wäre Heinz Erhardt nur ohne seine Frau Gilda gewesen? Sein „Zipchen“, wie er sie liebevoll nannte, war „zu 90 Prozent immer dabei“, so Horst Klemmer, „Frau Erhardt, die mich immer Klemmerchen nannte, war so eine ruhige, freundliche Person. Wenn ihr Mann mal in Überform war und ihm das Wort ‚Scheiße‘ herausrutschte, dann kam Frau Erhardt und sagte: ‚Heinzchen, ich möchte dieses Wort nicht mehr hören!‘“ Das Ehepaar Erhardt hat vier Kinder, am bekanntesten war der 2021 verstorbene Sohn Gero Erhardt, er führte u. a. Regie im ZDF-Straßenfeger „Das Erbe der Guldenburgs“. Sein Sohn Marek Erhardt hat Opas Talent geerbt und ist Schauspieler (u. a. Hauptrolle Oskar Schütz in „SOKO Hamburg“).

Dieses ist der letzte Brief, den Heinz Erhardt kurz vor seinem Tode an seinen Manager Horst Klemmer schrieb. Der halbseitig gelähmte Erhardt brauchte dafür eine Woche.

Mit der obligatorischen grünen Tinte und unter größten Mühen mit der linken Hand geschrieben rührt dieser Brief – es ist der letzte, den Heinz Erhardt kurz vor seinem Tode an seinen Manager Horst Klemmer schrieb – zu Tränen. Der halbseitig gelähmte Erhardt brauchte dafür eine ganze Woche. Er lautet: „Meinem lieben treuen Herrn Klemmer. Es ist Weihnachten geworden, kalter Wind bläst aus dem Norden und hat Eis und Schnee gebracht. Doch am Weihnachtsbaum die Kerzen, die erwärmen unsre Herzen, und des Kindes Auge lacht. Und man sieht auf den verschneiten Straßen weiße Engel schreiten durch die stille, heil'ge Nacht. In Liebe Ihr Heinz Erhardt“.

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Und dann, kurz bevor Wolfgang Rademann („Schwarzwaldklinik“, „Das Traumschiff“) eine TV-Serie mit Erhardt produzieren wollte, erlitt der große Humorist am 10. Dezember 1971 Erhardt einen Schlaganfall, von dem er sich nie erholte. „Als er krank war, habe ich ihn einmal im Monat besucht“, sagt Horst Klemmer im EXPRESS.de-Gespräch.

„Er stand in der Tür und winkte, hat sich gefreut. Er konnte nicht mehr reden, nur noch ‚Ja‘, ‚Nein‘, ‚Danke‘, ‚Sonne‘, und – ich bitte um Verzeihung – das Wort ‚Scheiße‘. An meinem Geburtstag kam um Punkt 9 Uhr ein Anruf. Das war Frau Erhardt, die übergab an ihren Mann. Der sagte: ‚Gratuliere, gratuliere‘, das hatte seine Frau mit ihm vorher zwei Stunden geübt!“