Eckart von Hirschhausen überprüft in seiner Doku „Hirschhausen und die Abnehmspritze“, was das neue Diät-Wundermedikament leistet. Auch ein Selbstversuch gehört dazu.
Eckart von HirschhausenARD-Doc testet Abnehmspritze – das Ergebnis ist eindeutig
Ja, die Abnehmspritze ist ein Durchbruch in der Adipositas-Therapie, also dem Kampf gegen krankhaftes Übergewicht. Die Antwort des Experten Arya Sharma auf die Frage Eckart von Hirschhausens in der Primetime-Doku im Ersten, „Hirschhausen und die Abnehmspritze“ (abrufbar in der ARD-Mediathek), ist klar und eindeutig.
Zum ersten Mal, so der Adipositas-Forscher, gäbe es etwas, das wirklich funktioniert. Auch Hirschhausens „Betroffene“, die ausgiebig im 45-Minuten-Film zu Wort kommen, bestätigen dies: Das Hungergefühl, die Lust aufs ständige Essen ist weg. Man fühlt sich wohl.
Abnehmspritze gibt es für rund 300 Euro pro Monat
Die Kilos purzeln schnell und dauerhaft – im Falle der ersten porträtierten Betroffenen waren es 38 Kilo in sechs Monaten. Das Problem: Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen und Entzündungen der Bauchspeicheldrüse, eventuell ein erhöhtes Risiko für Gallensteine.
Doch diese – eventuellen – Nebenwirkungen schätzen die meisten Fachleute deutlich weniger schwerwiegend ein als die physischen und psychischen Nebenwirkungen krankhaften Übergewichts. Hirschhausen hält sich in seinem Film jedoch überschaubar kurz bei den harten Fakten rund um die Abnehmspritze auf.
Was man wissen sollte: Die meisten Patientinnen und Patienten in Deutschland müssen sie selbst zahlen. Mit rund 300 Euro pro Monat ist man dabei. Das Medikament muss allerdings dauerhaft eingenommen werden, um Erfolg zu bringen. Ab einem Bodymaßindex (BMI) von 27 kann man sich die Spritze verschrieben bekommen.
Ab einem BMI von 30 (zum Beispiel 97 Kilo bei 1,80 Meter Körpergröße) gilt man als stark übergewichtig oder adipös. Hirschhausens Doku fokussiert sich allerdings weniger auf Wirkungsweise und Anwendung der Abnehmspritze als auf das Problem des Übergewichts allgemein – plus das Leid der Betroffenen.
„Schon heute sterben mehr Menschen auf der Welt an den Folgen ihres Übergewichtes als an Unterernährung“, sagt Professor Andreas Birkenfeld. Er ist ärztlicher Direktor des Uniklinikums Tübingen sowie Spezialist für Diabetesforschung und Metabolische Erkrankungen.
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Der Mediziner begleitet Eckart von Hirschhausen bei einem Selbstversuch: Der Deutschen liebster TV-Arzt ernährt sich „für die Wissenschaft“, wie er augenzwinkernd sagt, eine Zeit lang extrem ungesund: viel Fett, Zucker und überflüssige Kalorien via Süßigkeiten, Chips und anderer Snacks. All das haut sich der 56-Jährige rein.
Die schnelle Folge: deutlich mehr Kilos, mehr gesundheitsschädliches Bauchfett und vor allem: Schon nach fünf Tagen zeigen sich Veränderungen im Gehirn.
Eigene Schwäche oder die Industrie: Wer ist schuld am Übergewicht?
Schnell lässt sich ein Suchteffekt nach Süßem auch medizinisch nachweisen: Hirschhausens Belohnungszentrum braucht mehr Süßes und Fettiges, um jene Stoffe im Körper freizusetzen, die zufrieden und glücklich machen. Unsere Lust auf unnatürlich Süßes und Fettiges ist nämlich nichts anderes als eine Suchterkrankung.
Hier setzt nun die Abnehmspritze an: Das Medikament aus der Diabetesforschung wirkt über Hormone im Belohnungssystem und hilft, den Schalter im Hirn umzulegen. Andere Länder stecken übrigens mehr Geld in die Abnehmspritze als Deutschland: In Großbritannien bekommt man sie bereits ab einem BMI von 35 finanziert. In Deutschland erhalten sie – als Kassenleistung – nur Menschen mit Diabetes Typ 2. Rein adipöse Menschen, Nicht-Diabetiker also, haben es da schwerer.
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Doch wie sind wir eigentlich so dick geworden, fragt der Film? Sind die Deutschen, ist die Weltbevölkerung gegenüber früheren Zeiten zu einem Haufen haltloser, undisziplinierter Gesellen „verkommen“? So einfach ist es nicht, denn die Ernährungsindustrie trägt einen großen Teil der Schuld durch ihr Angebot extrem Kalorien-verdichteter, viel zu süßer und fettreicher Lebensmittel mit Suchteffekt.
Hinzu kommt der Trend zu Fertigkost, also stark verarbeiteter Lebensmitteln abseits des Selberkochens – die als Ernährungskonzept meist eine schlechte Idee sind. Viele Möglichkeiten gäbe es, so Hirschhausen, jene die Regale flutenden Dickmacher in die Schranken zu weisen: eine Zuckersteuer wie in anderen europäischen Ländern, Werbebeschränkungen oder auch Anreizsysteme für körperliche Bewegung. Doch auch aufgrund erfolgreicher Lobbyarbeit der Lebensmittelindustrie passiert wenig.
In zehn Jahren soll halbe Weltbevölkerung übergewichtig sein
Beim Blick auf das Nahrungsangebot einer typischen deutschen Innenstadt stellt Hirschhausen in seiner Doku fest: „Scheinbar viel Auswahl – aber mit den immer gleichen, billigen Bausteinen. Die Hälfte der Erkrankungen von Typ 2 Diabetes, Demenz, Krebs und Herzkrankheiten ließe sich vermeiden durch gesünderes, pflanzenbasiertes Essen.“
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Schon in zehn Jahren sollen vier Milliarden Menschen übergewichtig sein – fast die Hälfte der Weltbevölkerung. Berührend an Hirschhausens Film ist, dass er viele von starkem Übergewicht Betroffene zu Wort kommen lässt.
Sie berichten vom ewigen Gefühl des Versagens, der eigenen Scham, dem Angeschaut werden – fast alle, die hier zu Wort kommen, haben ein jahrzehntelanges Martyrium hinter sich. Insofern ist der Film durchaus eine Werbung für das Medikament. Zudem ist er eine Anklage in Richtung der Lebensmittelindustrie und „moderner“ Ernährungsweisen, die uns krank gemacht haben.
Das Erste zeigt „Hirschhausen und die Abnehmspritze“ am Montag, 8. April, 20.15 Uhr und vorab in der ARD-Mediathek. Schon am Dienstagabend ist Eckart von Hirschhausen mit einer weiteren Medizindoku in der Primetime des Ersten zu sehen. „Hirschhausen – Medizin von morgen“ heißt um 21.55 Uhr sein Film, der im Anschluss an zwei erste Episoden einer neuen Staffel der medizinhistorischen Serie „Charité“ gesendet wird. Die Handlung spielt in der Zukunft, im Jahr 2049. Ob wir dann auch das Übergewicht im Griff haben werden – dank der Abnehmspritze? (tsch)