Jimmy Kelly gesteht„Ich komme mit dem Show-Business nicht klar!“
Köln – Vor drei Jahren stand er vor der größten Entscheidung seiner Karriere: Mache ich noch mal mit bei der Kelly Family oder ziehe ich mit meinem Street Orchestra weiter mein eigenes Ding durch?
Jimmy Kelly (49) machte und macht beides. Wie er sich bei den Kellys behauptet, hört man auf dem neuen Live-Album „25 Years Later“ (gibt’s auch als DVD).
2017 standen Sie vor der Wahl – die Kelly-Family neu aufleben lassen oder konsequent das eigene Projekt durchziehen? Haben Sie das Gefühl, das Richtige gemacht zu haben?Jimmy Kelly: Ich bin happy, dass wir’s gemacht haben. Ich habe damals nicht geahnt, dass es so durch die Decke gehen würde. Wir wollten ursprünglich nur ein Konzert geben, haben dann aufgrund des Erfolges die erste Tournee gestartet, daraus sind diese drei Jahre geworden. Und da ich nicht der Chef war, hatte ich mehr Zeit für meine Familie, konnte gleichzeitig Geld verdienen, was heute für Musiker nicht selbstverständlich ist.
Jetzt hören wir auf Ihrem Album „25 Years Later“, was auf Ihrer Comeback-Tour in den Hallen und Arenen abging. Wie oft haben Sie sich das Video schon angeguckt und in Erinnerungen geschwelgt?Wahnsinn, oder? Wir haben als Kelly Family drei ziemlich verrückte Jahre hinter uns. Es war unbeschreiblich, die Stimmung von damals wieder zu erleben, eine Reise wie in eine andere Welt. Trotzdem muss ich gestehen, dass ich mir das Video nicht oft angeguckt habe. Ich sehe mir selbst nicht gern zu. Ich entdecke dann so viel, was ich anders und besser hätte machen können.
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Was unterscheidet die Kelly Family vor 25 Jahren und die Family von heute? Wir waren früher unschuldig. Wir haben frei heraus gespielt und gesungen. Jetzt wissen wir, was funktioniert, wir haben diese Unschuld verloren, was vielen erfolgreichen Bands passiert. Man muss sich auch nach den Wünschen der Fans richten und wird so manchmal eine Coverband von sich selbst.
Die Fans mögen das…Ich auch. Wenn ich zu einem Bruce-Springsteen-Konzert gehe, will ich „Born to Run“ hören, obwohl ich mir vorstellen kann, dass Bruce nach 40 Jahren nicht mehr richtig Spaß dran hat. Und bei mir gibt es auch Tage, an denen mir „An Angel“ schwer fällt.
Wenn man von den Kelly Family Songs nur einen für die Ewigkeit aufheben könnte – welcher wäre das?Es gibt Songs, da wünschte ich, ich hätte sie selbst geschrieben, „Santa Maria“ zum Beispiel. Ich bin froh, dass ich den mitsingen darf. Es gibt aber auch Songs, die wir nicht mehr singen, hinter denen ich aber voll stehe, viele rauer, noch aus der Zeit auf der Straße.
Von Ihnen stammt der Satz: „Der Beruf Musiker ist was Wunderbares, der Beruf Star ist zum kotzen“. Jetzt sind Sie ja wieder im Star-Modus. Müssen Sie schon wieder würgen?Ich bin kein Star, möchte es auch nicht sein. Ich glaube sogar, dass ich von meinen Geschwistern, meiner Plattenfirma und unserem Manager immer noch als ewiger Rebell gesehen werde. Bin ich zwar nicht, aber ich komme nun mal mit dem Show-Business nicht klar, es ist nicht meine Welt. Es ist eine Welt, in der viel Lärm um nichts gemacht wird und Verpackung wichtiger als das Eigentliche – die Musik – ist.
Sie waren nach einem Streit ums Geld als Straßenmusiker unterwegs, haben darüber den Bestseller „Streetkid“ geschrieben. Haben Sie das mal bereut?Nein, nie. Es war eine tolle Zeit. Ich bin ja bewusst auf die Straße gegangen, ich hätte es als „Ex-Kelly-Family“ sicher einfacher haben können. Ich wollte herausfinden, worum es im Leben geht. Ich habe in der Zeit Tage erlebt, an denen ich mich als Superheld fühlte, und andere, da klappte nichts.
Wie haben Sie sich da gefühlt?Ich wurde sogar mal richtig depressiv, weil mir klar war, dass meine Frau und Kinder mich brauchten, ich ihnen aber nichts geben konnte – dieses Bewusstsein, dass ich für sie da sein musste, gab mir wiederum unglaublich viel Kraft für die Straßenmusik. Glücklicherweise stand meine Frau voll hinter mir. Ihr war klar, dass ich meinen eigenen Weg gehen musste. Unbedingt! Es war ihr lieber, als jeden Abend mein Frust-Gemecker zu hören.
Das Ende der Tour fiel fast mit dem Beginn der Corona-Zeit zusammen. Wie wirkt sich die Pandemie auf Ihr Leben aus?Wir leben in einem kleinen Dorf in Westfalen, haben ein Haus mit Garten, sehr viel Natur um uns herum. Hier haben wir das Glück, dass wir in unserem Alltag kaum was von Corona spüren. Auf dem Land sieht alles noch so heil aus. Ich vergleiche das mit „Der weiße Hai“ – man ist am Strand, die Kinder haben ihr Eis, aber draußen lauert die Gefahr.
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Die Welt wird verändert aus dieser Zeit herauskommen……das bedrückt mich sehr. Mir tun die Menschen Leid, die ihre Jobs und Geschäfte verlieren. Ich spreche oft mit meinen Straßenmusiker-Kollegen, für die die Corona-Zeit eine Katastrophe ist. Es hat aber auch was Gutes: Jetzt kann man sehen, wer wirklich für die Gesellschaft nötig ist – unsere Helden sind die Menschen in den Supermärkten, die Trucker, alle Leute, die das machen, was wir bisher immer für selbstverständlich gehalten haben. Für sie habe ich den Song „Church Bells Are Ringing“ geschrieben, den man auf Facebook hören kann.
Untertitel Ihres Buches ist: „Ist es Fluch oder Segen, ein Kelly zu sein“. Was ist es nun?Es ist wie in jeder Familie, es gibt Vor- und Nachteile. Die Aufgabe ist es jetzt, aus dem Fluch einen Segen zu machen, denn aus viel Mist kommt meist gute Ernte (lacht).
Jimmy Kelly: Geboren wurde er in Spanien
Jimmy Kelly (geboren am 18. Februar 1971 in Gamonal/Spanien) ist das siebente Kind von Daniel Jerome Kelly, das dritte von Barbara Ann Kelly. Er hat vier Halb- und sieben Vollgeschwister.
2005 feierte er sein Solodebüt mit „Babylon“. Ab 2006 war er wieder als Straßenmusiker unterwegs. Seit 2017 ist er mit fünf oder sechs Geschwistern wieder in der Gruppe „The Kelly Family“.
Hat gleichzeitig die Band Jimmy Kelly & The Street Orchestra (Auftritt am 16. April 2021 in Düsseldorf). Seit 2005 verheiratet mit Meike Höchst, die beiden haben zwei Töchter (13, 12) und einen Sohn (5).