Singer & Songwriter Johannes OerdingAuf Köln-Düsseldorf-Frage antwortet er eindeutig

Johannes_Oerding_060320

Warum trägt Johannes Oerding eigentlich Hut? „Ich hatte schon in meiner Schülerband Hüte auf, weil ich keine Lust hatte, meine Haare zu machen. Und seit ich 2019 „Hutträger des Jahres“ geworden bin, schicken mir ganz viele Hutmacher ihre Modelle.“

Köln – Erst sorgte er durch seine Beziehung zur 17 Jahre älteren Entertainerin Ina Müller (54) für Gesprächsstoff. Dann wurde er zum Singer/Songwriter-Geheimtipp. Und jetzt ist er ganz oben gelandet: Johannes Oerding (38) zählt zu den erfolgreichsten und populärsten deutschen Popstars.

Gerade ist er mit seinem Album „Konturen“ von null auf eins durchgestartet und wird auf seiner Tournee gefeiert (am 6. März und 7. August auch in Köln). Viele gute Gründe für ein langes Gespräch.

Horst_Stellmacher_Johannes_Oerding_060320

Johannes Oerding im Gespräch mit Reporter Horst Stellmacher.

Wie haben Sie reagiert, als Sie hörten, dass Sie mit „Konturen“ gleich auf Platz 1 gelandet sind?
Johannes Oerding:
Ich habe es zum ersten Mal in einem Burger-Laden in Berlin gehört, habe vor Freude eine kleine Träne in meine Pommes geweint. Dann habe ich noch erfahren, dass ich deutsche Chart-Geschichte geschrieben habe: Mein viertletztes Album startete auf Platz 4, das drittletzte auf 3, das vorletzte auf zwei und mit dem aktuellen bin ich auf Platz 1. Das gab’s noch nie, finde ich schön.

Wie viele Lieder haben Sie geschrieben, bis das Album fertig war?Es ist das Ergebnis von 100 Versuchen, es war viel Verschnitt dabei. Zum Glück erkenne ich inzwischen sehr schnell, ob ich auf Gold oder auf Stein gestoßen bin, ob ich das, was ich mache, schon mal gesungen habe, oder ob das Max Giesinger, Mark Forster oder wer auch immer schon besser erzählt haben. Wenn es so ist – weg damit!

Ihre Texte werden hochgelobt. Woher kommen die Ideen?Ich habe das Alter erreicht, in dem ich zum ersten Mal zurückgucken kann, so kommen Themen dazu, an die ich mich vorher nicht getraut habe. Jetzt kann ich die Vergangenheit aufbereiten und in die Zukunft gucken. Obwohl mich die Gegenwart immer am meisten beschäftigt. Heutzutage gibt es Themen, bei denen ich verzweifele. Es macht mich fertig, dass ich weiß, was falsch läuft, aber es nicht ändern kann. Es ärgert mich, dass viele Leute, die uns helfen könnten, nichts machen.

Sie könnten in die Politik gehen…Stimmt, darüber denke ich oft nach. Auch darüber, per Fernstudium Politik zu studieren. Ich möchte die Zusammenhänge besser verstehen, um besser drüber reden zu können. Wenn jetzt ernsthaft über komplexe Themen gesprochen wird, hemmt mich oft mein gefährliches Halbwissen.

In einigen Songs sind Sie politischer als Kollegen. Keine Angst, dadurch Fans zu verlieren?Nein, ich hoffe, dass ich zum Nachdenken anrege, auch bei Menschen, die anderer Meinung sind. Aber ich verzichte gern auf Menschen, die aufgrund meiner politischen Haltung meine Musik nicht mehr hören wollen.

Ina_Müller_060320

Mit Entertainerin und Sängerin Ina Müller ist Johannes Oerding seit 2011 liiert.

Unter die Haut geht Ihr „Ich hab dich nicht mehr zu verlier’n“, das Sie mit Ina Müller singen. Es ist ein Trennungslied. Üben Sie schon für den Ernstfall?Natürlich nicht. Wir haben ihn gesungen, weil es ein Trennungs-Thema ist. Da sehen wir uns nicht als Interpreten der eigenen Geschichte. Wir wollen keine Liebesballaden singen, das wäre uns zu kitschig. Wir wollen nicht zum Rote-Teppich-Pärchen werden, das liebesselige Pärchen-Platten macht.

Je erfolgreicher die deutsche Sprache wird, desto mehr Trittbrettfahrer kommen dazu, die nicht immer die Qualität in Text und Musik bieten. Ein Problem fürs Geschäft?Ich denke auch, dass der Markt irgendwann satt ist und die Qualität darunter leidet und hoffe, dass ich dann so etabliert bin, dass ich diese Phase überlebe. Ich merke auch am eigenen Songwriting, dass die Luft dünner wird. Es gibt viele, die über die Themen schreiben, und wenn mein Kumpel Max Giesinger z. B. über Eskapismus singt, kann ich das nicht gleich im nächsten Lied behandeln.

Was ist eigentlich Ihr berufliches Ziel?Ich träume davon, auf einer Riesenbühne im Stadion zu singen, und unter mir singen alle meine Lieder mit. Diesen Traum hatte ich schon immer. Wenn ich heute mein 16-jähriges Ich träfe und es fragte, ob es so leben möchte wie ich heute – ich bin mir sicher, es würde „Ja, unbedingt!“ sagen.

Merken Sie, dass Ihr Erfolg Einfluss auf Ihr persönliches Umfeld hat?Ja klar. Auf der einen Seite merke ich, dass viele Menschen gern mit erfolgreichen Menschen unterwegs sind. Auf der anderen Seite merke ich es, wenn ich mit Freunden unterwegs bin und ich mich in eine Ecke setzen muss, in der man mich nicht erkennt und auch ein Gläschen weniger trinken darf. Allerdings greift das nicht ganz tief: Wenn ich nach Hause an den Niederrhein komme, bin ich sofort der Bruder oder Sohn Hannes und muss Rasen mähen. Zuhause ist alles auf Augenhöhe – das ist ja die schöne Eigenschaft im Rheinland.

Viele Ihrer Kollegen haben Hemmungen, im Familien- oder Freundeskreis zu singen. Geht es Ihnen auch so?Nein. Wenn eine Gitarre da ist, spiele ich, ich habe ein großes Sendungsbewusstsein. Das war schon immer so. Wenn mich jemand fragte: »Kannst du mal was singen?«, habe ich sofort ja gesagt. Für meine Geschwister war ich immer »Bühnen-Johnny«, und der „Bühnen-Johnny“ in mir wollte immer zeigen, was er kann. Ein bisschen Angeber war immer dabei.

Johannes_Oerding_Bühne_060320

Wenn eine Gitarre da ist, spielt er. Johannes Oerding sagt selbst, er habe ein großes Sendungsbewusstsein.

Sie haben lange im Rheinland gelebt, sind am 6. März im Kölner Palladium, am 7. August im Tanzbrunnen. Heimspiel?Klar, in meinem Herzen bin ich Rheinländer. Ich komme vom linken Niederrhein und habe fast meine ganze Jugend in Köln verbracht. Wir sind fast jedes Wochenende per Wochenendticket angereist, haben geshoppt und gefeiert, und ich bin zum Leidwesen aller Kölner auf der Domplatte Skateboard gefahren. Zu Beginn meines Studiums habe ich im Haus meiner Oma in Düsseldorf-Bilk gelebt. Wenn ich mal weggehen sollte aus Hamburg, dann nur in Richtung Rheinland.

Lieber Köln oder Düsseldorf?Köln. Köln ist ein bisschen mehr Dorf als Stadt, mehr Thekengemeinschaft als Bankschalter. Düsseldorf ist für mich Restaurant und gedeckte Tische, Köln Kneipe und Tresen. Und im Müngersdorfer Stadion hatte ich mein großes Erlebnis, das erste große Konzert meines Lebens, Bon Jovi auf der „Keep The Faith“-Tour. Jon Bon Jovi kam mit einer 200-Mann-Marching-Band auf die Bühne, und mir war klar: „Das klaue ich. Das, was der macht, will ich auch!“ Also werde ich eines Tages im Müngersdorfer Stadion auftreten und dazu mit einer Marching-Band einmarschieren. Merken Sie sich meine Worte und glauben Sie mir – das wird passieren! Versprochen!

Johannes Oerding: Es begann mit Vorprogrammen

Johannes Oerding (geboren am 26. Dezember 1981 in Münster) wuchs in Geldern-Kapellen (Niederrhein) auf. 2009 war er im Vorprogramm von Simply Red, Ich + Ich, Ina Müller und Stefanie Heinzmann zu hören.

Hier lesen Sie mehr: Konzert in Köln: Peter Maffay sagt Tour ab – aber jetzt haben Fans Grund zum Feiern

Es folgten die erste Solo-Tour und das erste Solo-Album „Erste Wahl“. 2013 spielte er im Vorprogramm für den großen Joe Cocker (2014). 2018 war er Gaststar auf Peter Maffays Unplugged-Tournee.

2019 machte er bei der beliebten TV-Show-Serie „Sing meinen Song – Das Tauschkonzert“ (Vox) mit. Sein aktuelles Album heißt „Konturen“, seine aktuelle Single „An guten Tagen“. Er ist mit der Hamburger Sängerin und Entertainerin Ina Müller (54) liiert.