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Journalist kritisiert in ARD-Doku Pegida-Berichterstattung„Die Nazikeule passte nicht“

„Das waren ja keine 20.000 klassischen Neonazis mit Springerstiefeln“, erinnert sich Journalist Ulrich Wolf an die ersten Pegida-Demos. (Bild: ARD)

„Das waren ja keine 20.000 klassischen Neonazis mit Springerstiefeln“, erinnert sich Journalist Ulrich Wolf an die ersten Pegida-Demos. (Bild: ARD)

Sind Ostdeutsche wirklich „völkisch“ und „ausländerfeindlich“? So zumindest werden sie einer KI-Analyse zufolge in den Medien dargestellt. Eine „ARD Story“ forscht nach, was es mit den Negativschlagzeilen wirklich auf sich hat.

Ob es sich nun um das „Milliardengrab“ der neuen Länder handelt, um die Pegida-Umtriebe oder die überwältigende Ausbreitung der AfD - bereits seit der Wiedervereinigung machte der sogenannte „Osten“ immer wieder Negativschlagzeilen in den gesamtdeutschen Medien. Dass dies nicht die ganze Wahrheit ist, legt nun die Dokumentation „ARD Story: Abgeschrieben? - Der Osten in den Medien“ (am Dienstag, 22. April, 22.50 Uhr, im Ersten) nahe.

„Wir haben, vor allem wenn es eben um die Berichterstattung über Ostdeutschland geht, viele Stereotype oder sich wiederholende Muster“, erklärt die Medienwissenschaftlerin Mandy Tröge im Film. „Zum Beispiel: Rechtsradikalismus, Arbeitslosigkeit, 'Es ist öde', 'Die Ostdeutschen nörgeln'.“ Diese „Negativ-Narrative“ würden vor allem deshalb immer wieder reproduziert, weil sie „gerade für ein westdeutsches Publikum“ leicht verständlich seien: „Das muss man nicht groß erklären.“

Ein KI-Experiment soll zeigen, welches Bild „der Ostdeutschen“ die Medien zeichnen. Zu diesem Zweck haben die Filmemacher eine Künstliche Intelligenz mit Presseartikeln aus 30 Jahren Ost-Berichterstattung gefüttert - und daraus Beschreibungen generieren lassen. „Bodenständig, enttäuscht, nostalgisch, benachteiligt“ lauten die Attribute, die die KI Ostdeutschen anhand Berichten aus den 1990er-Jahren zuschreibt.

In den 2000er-Jahren, in der Zeit von Angela Merkel und Tokio Hotel, werden Ostdeutsche deutlich positiver - etwa als „widerstandsfähig“ und „unternehmerisch“ - beschrieben. 2024 hingegen werden Ostdeutsche der KI zufolge vor allem als „völkisch“, „unterrepräsentiert“ und „ausländerfeindlich“ dargestellt.

„Das waren ja keine 20.000 klassischen Neonazis mit Springerstiefeln“

Doch was ist dran? Haben die Medien an einem falschen Ost-Klischee gestrickt oder lassen sich gewisse Realitäten dann doch nicht leugnen? „Es ist leider so, dass der Osten viel Angriffsfläche bietet, viel Projektionsfläche für Klischees“, glaubt Josa Mania-Schlegel. Der in Weimar geborene und aufgewachsene Journalist findet: „Man kann den Redaktionen manchmal gar nicht den Vorwurf machen, dass sie das mitnehmen. Weil man einfach in diesen Extremen, die der Osten da anbietet, und in diesen extremen Bildern, auch viel Stoff findet.“

Über eine Bewegung, der vor allem im vergangenen Jahrzehnt viel Aufmerksamkeit zuteilwurde, berichtete auch Ulrich Wolf von der „Sächsischen Zeitung“. „Das waren ja keine 20.000 klassischen Neonazis mit Springerstiefeln“, erinnert sich der Journalist an die Pegida-Demos. „Ein paar Versprengte waren dabei, ja. Es waren Menschen. Ganz normale Menschen eben, so wie wir ihnen sonst auch als Reporter begegnet sind. Die Leute konnten endlich all das äußern, was sie sonst vermeintlich gar nicht äußern dürfen.“

Christoph Dieckmann, Journalist und Autor, glaubt: „Der große Unterschied zwischen Ost und West besteht darin, dass der Osten alles wahrnimmt, was der Westen über ihn behauptet, und umgekehrt ist es gar nicht so.“ (Bild: MDR / Hoferichter&Jacobs)

Christoph Dieckmann, Journalist und Autor, glaubt: „Der große Unterschied zwischen Ost und West besteht darin, dass der Osten alles wahrnimmt, was der Westen über ihn behauptet, und umgekehrt ist es gar nicht so.“ (Bild: MDR / Hoferichter&Jacobs)

„Faszinierend“ findet Ulrich Wolf im Rückblick, „dass wir normalerweise neutral bis wohlwollend über Demonstrationen berichten, weil wir sehen: Hier ist bürgerliches Engagement, hier ist gelebte Demokratie.“ Im Falle von Pegida sei dies anders gewesen. „In Westdeutschland war das unerklärbar. Und die überregionalen Medien sitzen nun mal überwiegend in Hamburg, Berlin, München und Köln. Es ist halt eine neue Rechte - das ist natürlich für liberal, sozial-liberal, grün-liberal denkende und fühlende Journalistinnen und Journalisten echt schwierig, sich in dieser Welt zurechtzufinden.“

Obwohl Wolf laut eigener Angabe selbst bei den Demonstrationen attackiert und bedroht worden sei, hält er die damalige Berichterstattung aus heutiger Sicht für undifferenziert. „Die Reden waren teilweise tatsächlich rassistisch, revanchistisch.“ Diese Inhalte seien von einigen seiner Kolleginnen und Kollegen „auf die Menschen, die dort mitliefen, übertragen“ worden. „Nach dem Motto: 'Wer sich das anhört, tickt auch so.' Daraus wurde dann oft pauschal die Nazikeule.“

Die Korrespondentinnen und Korrespondenten überregionaler Medien hätten teilweise sogar „erkannt, dass die Nazikeule nicht so passte“, erinnert sich Wolf. Allein: „Ich weiß von einigen, dass die Konflikte hatten mit ihrer Zentralredaktion, weil nicht so geschrieben wurde, wie man es gern gehabt hätte, oder dass es dann in dieses Bild passte.“

„Hey, wir sind nicht dumm!“

Während Ulrich Wolf vermutet, dass die damalige Berichterstattung über Pegida zum weiteren Erstarken der Bewegung beigetragen haben könnte, erklärt Medienwissenschaftlerin Mandy Tröger: „Natürlich haben Medien das Bild von Ostdeutschland mitgeprägt, aber man darf Medien auch nicht zu viel Macht geben. Es sind ja nicht nur die Medien allein.“

„Zeit“-Journalist Christoph Dieckmann hingegen ist überzeugt: „Der große Unterschied zwischen Ost und West besteht darin, dass der Osten alles wahrnimmt, was der Westen über ihn behauptet, und umgekehrt ist es gar nicht so. Denn der Osten kann nichts über den Westen behaupten, weil er keine Medien hat, ganz pauschal gesagt.“

Auch Marieke Riemann, zweite Chefredakteurin beim SWR, hält den Osten für unterrepräsentiert: „Ich habe Situationen erlebt, wo ich mit anderen Journalistinnen und Journalisten zusammensaß und meine Kollegen wussten nicht, wer Václav Havel ist. Oder Reinhard Lakomy.“

Bereits als Kind sei die 37-Jährige empört gewesen über die klischeehafte Darstellung von Ostdeutschen: „Ich dachte: Was kann ich tun, um den Leuten zu sagen: 'Hey, wir sind nicht dumm, wir sprechen nicht alle komisch und wir sind nicht alle irgendwie ein bisschen plemplem!' Warum geht es immer nur um Nazis? Warum geht es nicht um all die anderen, die hier auch leben?“

Das Vertrauen in die Medien leidet

Dass ostdeutsche Bürgerinnen und Bürger in den Medien häufig unterrepräsentiert seien oder falsch dargestellt werden, führe dem Politikwissenschaftler Christopher Pollak zufolge sogar zu einem geringeren Vertrauen in die Medien. „Wir können ganz eindeutig und klar sagen, dass die Menschen im Osten den Medien weniger vertrauen als die Menschen im Westen“, stellt er fest. „Das heißt vielleicht gar nicht mal, dass die Medien nicht konsumiert werden.“ Wenn jedoch die eigenen Geschichten, Erfahrungen, Einstellungen und Haltungen „nicht oder eben weniger vorkommen, entwickelt man über die Zeit so eine gewisse Distanz dazu, weil man sich da nicht wiederfindet“.

Zudem, mahnt Pollak, sei ein geringes Medienvertrauen auch häufig ein Symptom von genereller Unzufriedenheit mit der Demokratie. „Deswegen ist das mit Blick auf unsere demokratische Gesellschaft einfach ein großes Alarmsignal“, resümiert der Forscher von der Universität Leipzig.

Das sieht Journalist Hajo Schumacher ähnlich: „Der arrogante westdeutsche Blick sagt ja: 'Die müssen noch lernen, die kapieren das noch nicht mit der Demokratie.'“ Schumacher vermutet, dass es „genau umgekehrt“ sei: „Ist der Osten nicht vielleicht dem Westen schon voraus? Diese zersplitterte politische Landschaft, ist das nicht was, was wir im Westen so nach und nach auch bekommen? Ist nicht Thüringen eher das Labor von Deutschland?“ (tsch)