Keine GnadeGötz Otto als Rattenfänger von Hameln

Die blinde Finja (Caroline Hartig), Tochter eines alleinerziehenden Psychotherapeuten aus Hameln, kommt 800 Jahre nach der Sage „Der Rattenfänger von Hameln“ unfreiwillig mit dem alten Stoff in Kontakt. In der Mystery-Serie „Hameln“ passieren wieder seltsame Dinge - rund um die „Kinder“ ihrer Stadt. (Bild: ZDF und Roland Guido Marx)

Die blinde Finja (Caroline Hartig), Tochter eines alleinerziehenden Psychotherapeuten aus Hameln, kommt 800 Jahre nach der Sage „Der Rattenfänger von Hameln“ unfreiwillig mit dem alten Stoff in Kontakt. In der Mystery-Serie „Hameln“ passieren wieder seltsame Dinge - rund um die „Kinder“ ihrer Stadt. (Bild: ZDF und Roland Guido Marx)

Weil die Eltern ihre Schuld gegenüber dem Rattenfänger nicht beglichen, lockte er in der mittelalterlichen Sage 130 Kinder für immer in einen Berg. In der Mystery-Serie „Hameln“ spielen nun Veronica Ferres und Florence Kasumba jene Eltern, auf die Rattenfänger Götz Otto wohl immer noch sauer ist.

Dieser Rattenfänger (Götz Otto) scheint nicht zu spaßen. Auch 800 Jahre nach seinem ersten Auftritt in Hameln lässt er die Stadt nicht in Ruhe. Die alte Flöte spielt zwar noch, doch der Wüterich hat sein Repertoire des Bösen mittlerweile erweitert. (Bild: ZDF und Roland Guido Marx)

Dieser Rattenfänger (Götz Otto) scheint nicht zu spaßen. Auch 800 Jahre nach seinem ersten Auftritt in Hameln lässt er die Stadt nicht in Ruhe. Die alte Flöte spielt zwar noch, doch der Wüterich hat sein Repertoire des Bösen mittlerweile erweitert. (Bild: ZDF und Roland Guido Marx)

Stararchitektin Regina Mannheimer (Veronica Ferres) kehrt von einer Geschäftsreise zurück. Derweil bekämpfen ihre beiden Söhne das Böse in Hameln. Auch ein wichtiger Job!  (Bild: ZDF und Roland Guido Marx)

Stararchitektin Regina Mannheimer (Veronica Ferres) kehrt von einer Geschäftsreise zurück. Derweil bekämpfen ihre beiden Söhne das Böse in Hameln. Auch ein wichtiger Job! (Bild: ZDF und Roland Guido Marx)

Man schätzt, dass etwa eine Milliarde Menschen die Geschichte des Rattenfängers von Hameln kennt. Vor allem in den USA, aber auch in Japan zählt die vor rund 800 Jahren aufgeschriebene mittelalterliche Sage aus dem Niedersächsischen zu den bekanntesten Geschichten der Weltliteratur. Die sechsteilige Mystery-Serie „Hameln“ (Montag, 30. Dezember, 21.45 Uhr, ZDFneo und ZDFmediathek) verlegt das Geschehen in die Gegenwart. Wir erinnern uns: Im Mittelalter sollte ein wunderlicher Flötenspieler die Menschen von Hameln durch seine betörenden Klänge von einer Rattenplage befreien. Der Plan funktionierte, und der Fremde lockte die Tiere zum Sterben in die Weser. Der versprochene Lohn der Bürger aus Hameln blieb jedoch aus - woraufhin der Rattenfänger Rache nahm. 130 Kinder des Ortes lockte er in einen Berg, wo sie für immer verschwanden. Nur ein Lahmer, ein Blinder und Tauber blieben zurück, weil sie dem Auszug der Kinder nicht folgen konnten.

Dr. Jamila Jost (Florence Kasumba) kümmert sich um den völlig verbrannten Jugendlichen Damir Vucovic (Aaron Kissiov), der in ihre Klinik eingeliefert wird. Er ist einer von vielen Jugendlichen in Hameln, die sich seltsam benehmen. (Bild: ZDF und Roland Guido Marx)

Dr. Jamila Jost (Florence Kasumba) kümmert sich um den völlig verbrannten Jugendlichen Damir Vucovic (Aaron Kissiov), der in ihre Klinik eingeliefert wird. Er ist einer von vielen Jugendlichen in Hameln, die sich seltsam benehmen. (Bild: ZDF und Roland Guido Marx)

Hier setzt nun die moderne Erzählung von Rainer Matsutani ein: Die blinde Finja (Caroline Hartig), der taube Jannik (Constantin Keller) und sein Bruder Sam (Jonathan Elias Weiske) sowie der im Rollstuhl sitzende Ruben (Riccardo Campione) erforschen seltsame Vorgänge in der knapp 60.000 Einwohner zählenden Stadt Hameln. Jugendliche tun verstörende Dinge. Sie wenden sich gewalttätig gegen ihre Eltern oder sie verschwinden einfach.

Ruben Zastrow (Riccardo Campione) und Romy Jost (Pia Amofa-Antwi) sind zwei der Jugendlichen aus Hameln, die sich dem Rattenfänger entgegenstellen. (Bild: ZDF und Roland Guido Marx)

Ruben Zastrow (Riccardo Campione) und Romy Jost (Pia Amofa-Antwi) sind zwei der Jugendlichen aus Hameln, die sich dem Rattenfänger entgegenstellen. (Bild: ZDF und Roland Guido Marx)

Auch die Brüder Jannik (Constantin Keller, links) und Sam (Jonathan Elias Weiske) nehmen den Kampf mit dem Rattenfänger auf.  (Bild: ZDF und Roland Guido Marx)

Auch die Brüder Jannik (Constantin Keller, links) und Sam (Jonathan Elias Weiske) nehmen den Kampf mit dem Rattenfänger auf. (Bild: ZDF und Roland Guido Marx)

Finjas Vater Peter (André Röhner) hat als Psychotherapeut mit Kindern und Eltern der Stadt zu tun. Sein Freund Erik Zastrow (Christian Erdmann) erforscht die Mysterien der Stadt als Kriminalkommissar. Architektin Regina (Veronica Ferres), die Mutter von Jannik und Sam, wundert sich über Risse in der Wand. Ärztin Dr. Jamila Jost (Florence Kasumba) hingegen über merkwürdige Fälle, die in ihre Klinik kommen. Natürlich hat auch sie eine Tochter im Teenageralter. Als Bundeswehr-Offiziersanwärterin ist Romy (Pia Amofa-Antwi) sogar kampferprobt - was bei späteren Begegnungen mit dem Rattenfänger (Götz Otto) von Vorteil sein könnte.

Es wird viel gestorben, blutig erschienen und herumgespukt

Psychotherapeut Peter Roth (André Röhner, links) und Polizeikommissar Erik Zastrow (Christian Erdmann), zwei Eltern aus Hameln, unterhalten sich über die seltsamen Vorgänge rund um ihre Kinder.  (Bild: ZDF und Roland Guido Marx)

Psychotherapeut Peter Roth (André Röhner, links) und Polizeikommissar Erik Zastrow (Christian Erdmann), zwei Eltern aus Hameln, unterhalten sich über die seltsamen Vorgänge rund um ihre Kinder. (Bild: ZDF und Roland Guido Marx)

Was kann man gegen das Böse in Hameln unternehmen? Dr. Jamila Jost (Florence Kasumba, links), Jannik (Constantin Keller, zweiter von links), dessen Bruder Sam (Jonathan Elias Weiske), Romy (Pia Amofa-Antwi) und Ruben (Riccardo Campione, rechts) überlegen gemeinsam.  (Bild: ZDF und Roland Guido Marx)

Was kann man gegen das Böse in Hameln unternehmen? Dr. Jamila Jost (Florence Kasumba, links), Jannik (Constantin Keller, zweiter von links), dessen Bruder Sam (Jonathan Elias Weiske), Romy (Pia Amofa-Antwi) und Ruben (Riccardo Campione, rechts) überlegen gemeinsam. (Bild: ZDF und Roland Guido Marx)

Rainer Matsutanis Namen verbindet man unter anderem mit dem 90er-Jahre-Film „Nur über meine Leiche“, einer vielfach preisgekrönten Komödie mit dem damaligen deutschen Kino-Superstar Katja Riemann. Doch Matsutani war eigentlich schon immer dem Horror- und Mystery-Genre zugetan. Der heute 60-Jährige verbrachte als Kind viel Zeit in der Heimat seines japanischen Vaters, eher er später in Heidelberg Abitur und eine deutsche Karriere als Regisseur und Autor machte. Schon seine ersten Kurzfilme bedienten jenes Genre, das ihn ein Leben lang faszinieren sollte. „In Japan spielen Horror- und Geistergeschichten eine große Rolle und sind fest in der nationalen Seelen-DNA verankert“, sagt Matsutani über seine Serie „Hameln“, die er während des Corona-Lockdowns ersann. „Als ich nach Deutschland zurückkam, habe ich diesen Hang zum Übernatürlichen in der populären Kultur, vor allem in Film und Fernsehen, vermisst.“

Paula Zastrow (Marie-Christine Friedrich), eine Mutter aus Hameln, sollte besser nicht die Tür öffnen. (Bild: ZDF und Roland Guido Marx)

Paula Zastrow (Marie-Christine Friedrich), eine Mutter aus Hameln, sollte besser nicht die Tür öffnen. (Bild: ZDF und Roland Guido Marx)

Matsutanis dreistündige Horror-Mär aus dem Niedersachsen von heute ist auf jeden Fall nichts für Kinder - auch wenn Jugendliche die Hauptrolle spielen. Ziemlich explizit und in hoher Jumpscare-Frequenz wird im Sechsteiler gestorben und herumgespukt. Nichts ist, wie es (kurzzeitig) scheint und jeden Jugendlichen und vor allem auch alle Eltern kann es jederzeit erwischen.

Es wird tatsächlich viel gestorben in „Hameln“, weil der Rattenfänger eben auch 800 Jahre später keine Gnade kennt. Obwohl Matsutanis Idee, die Idee der Sage um Schuld und (grausame) Sühne in die Gegenwart zu verlagern, ziemlich interessant erscheint, die Umsetzung und leicht angestaubte Horrorbilder, die zudem ein wenig unterfinanziert wirken, erschaffen in der Serie teils unfreiwillige Komik. Da kann auch die bemühte Buddy- und Love-Story der gegen das Böse engagierten Jugend-Clique nicht retten: „Hameln“ ist Mystery-Horror für Menschen, die das Genre auch in seiner weniger subtilen Form schätzen und vor allem an einem hohen Body-Count, Blut und einem irre grinsenden Götz Otto Gefallen finden. (tsch)