EXPRESS.de sprach mit Schauspieler Roland Riebeling über Berufswünsche, seine Liebe zu Köln und zum Theater, die Schere, die er als schwuler Vater im Kopf hatte. Und, wem er seine TV-Karriere zu verdanken hat.
Kölner „Tatort“-StarRoland Riebeling „Ohne Millowitsch wäre ich nicht hier“
Erst wirkt er wie das fünfte Rad am Wagen – er ist zwar da, aber keiner braucht ihn. Doch im Laufe der Zeit wird er immer wichtiger – plötzlich geht nichts mehr ohne ihn: Norbert Jütte, seit fünf Jahren Assistent der Kommissare Max Ballauf und Freddy Schenk im Kölner „Tatort“, in dem es am Sonntagabend (14. Januar 2024) um einen besonderen Finanzberater geht.
Gespielt wird der eigenwillige Ermittler vom Bochumer Roland Riebeling (45). Im Gespräch mit EXPRESS.de erzählt er, warum er nicht Pfarrer geworden ist, was er im Rheinland liebt und wie es ist, in einer Ehe mit einem Mann zwei Söhne zu erziehen.
Roland Riebeling als heimlicher Star des Kölner Tatorts: „Totaler Wahnsinn“
EXPRESS.de: Dieser Tatort ist anders, hier erleben wir einen brillanten Menschen-Verführer, der es schafft, alle anderen auf seine Seite und ihnen das Geld aus den Taschen zu ziehen. Ist es eine Welt, die Ihnen vorm Dreh bekannt war?
Roland Riebeling: „Natürlich hatte ich schon mit Abzocke am Telefon und dem Anpreisen von zweifelhaften Geschäftsmodellen Berührung. Welche große Not und Verzweiflung sich in diesen Strukturen verbirgt, die hier zu tödlicher Gefahr werden, wurde mir erst durch das Drehbuch klar. Das mag ich am Kölner Tatort, dass er neben dem Kriminalfall auch hinter die Kulissen von gesellschaftlichen Problemen schaut.“
EXPRESS.de: Der Mann, der wieder für Klarheit sorgt, ist „Dienst nach Vorschrift“ – Assistent Norbert Jütte. Diese Rolle hat dafür gesorgt, dass Sie in der Popularitäts-Skala von null auf 100 gestiegen sind. Ein gutes Gefühl?
Roland Riebeling: „Totaler Wahnsinn! Ich hatte schon 20 Jahre vorher fürs Fernsehen gearbeitet, wovon im Vergleich zu heute gefühlt kein Mensch Notiz genommen hat. Was passierte, als ich das sogenannte Kreuzfahrtschiff der deutschen Fernsehunterhaltung betrat und mir um die zehn Millionen zuschauten, damit hab ich nicht gerechnet.“
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EXPRESS.de: Nervt das manchmal?
Roland Riebeling: „Nein, nie. Ich freue mich, wenn Leute mich ansprechen. Liegt auch vielleicht daran, dass mir noch keiner ‚Mensch Riebeling, was Sie da machen, ist richtig scheiße!‘ ins Gesicht gesagt hat. Komischerweise komme ich vielen Leute bekannt vor, aber sie wissen dann nicht, wo sie mich hintun sollen. Ein älterer Herr hat mich gerade für seinen Friseur gehalten: Endlich bist du wieder da. ‚Hast du einen Termin für mich?‘, und im Zug nach Köln sprach mich eine Frau an, die mich für die Bekanntschaft einer Weihnachtsfeier hielt.“
EXPRESS.de: Was sagt die Familie zum plötzlichen Ruhm?
Roland Riebeling: „Sie ist gespalten. Mein Jüngster findet es ganz toll und gibt damit sogar bei seinen Freunden an, mein Älterer zweifelt schon mal: ‚Papa, wie hältst du das nur aus?‘, und mein Mann nimmt das, wie so vieles, was mein Beruf mit sich bringt, mit großzügiger Gelassenheit.“
EXPRESS.de: Warum ist der Jütte so beliebt?
Roland Riebeling: „Ich denke, in ihm erkennen sich viele wieder. Wir leben in einer Welt, in der alles immer schneller, größer, intensiver werden und jeder jederzeit erreichbar sein muss. Da ist es gut, wenn man eine Figur zeigt, die das nicht mehr mitmachen kann oder will. Ich selbst finde es auch wichtig, dass man bei der Arbeit nicht nur unter Druck ist, sondern mit Lust dabei ist, dafür braucht es Zeit und Erholungspausen.“
Kölner Tatort-Star Roland Riebeling: „Ohne Millowitsch wäre ich nicht hier“
EXPRESS.de: Sie sind für Ihre Arbeit immer längere Zeit in Köln. Wie kommen Sie hier als Mann des Ruhrpotts klar?
Roland Riebeling: „Ich liebe Köln, seit ich hier meine ersten Filme gedreht habe. Damals habe ich als Berufsanfänger am Theater unsäglich wenig Geld verdient und so bedeutete eine Reise nach Köln immer, meinen Wohlstand zu nähren. Und als ich dann später sieben Jahre als Schauspieler in Bonn gearbeitet habe, habe ich gern in Köln gefeiert und hier sehr viele tolle Menschen kennengelernt. Köln habe ich übrigens auch meine Liebe zum Theater zu verdanken, denn alles begann mit Willy Millowitsch. Ohne ihn wäre ich jetzt wahrscheinlich nicht hier.“
EXPRESS.de: Was heißt das?
Roland Riebeling: „Als ich noch ganz klein war, durfte ich immer etwas länger aufbleiben, wenn er in einem Stück im Fernsehen zu sehen war. Das fand ich toll, und so bin ich durch ihn sehr früh zum Theater-Fan geworden. Schon auf dem Spielplatz habe ich stets vorgeschlagen: Lasst uns eine Bude bauen und Theater spielen.“
EXPRESS.de: Jetzt, 40 Jahre später, inszenieren Sie am Bonner Schauspielhaus „Die Legende von Paul und Paula“, eine Liebesgeschichte, die zu DDR-Zeiten in einfachen Verhältnissen in Ost-Berlin spielt. Haben Sie einen Bezug zur Ex-DDR?
Roland Riebeling: „Nein. Ich bin typisches Ruhrgebiets-Mischkind, bei dem keine familiären Spuren in die DDR führen. Das kann aber gut für das Stück sein, denn in ihm soll keine Ostalgie betrieben oder die DDR-Zeit verkitscht und verherrlicht werden. Es wird hoffentlich eine anrührende Liebesgeschichte mit Herz, Schmerz und Musik aus der damaligen Zeit. Dazu gibt es die Songs der Zeit von den Puhdys über die Münchener Freiheit und Stefan Waggershausen bis zu BAP.“
EXPRESS.de: „Die Legende von Paul und Paula“ war ein sehr erfolgreicher Film, der das Leben und die Liebe in ganz normalen Verhältnissen ...
Roland Riebeling: „Diese Verhältnisse kenne ich sehr gut, ich bin in ihnen groß geworden. Mein Vater war Kfz-Mechaniker, meine Mutter hat Friseurin gelernt. Sie hat zu meiner Geburt als Hemdenbüglerin gearbeitet und sogar mal dem heutigen King Charles, als er Gelsenkirchen besuchte, die gebügelten Hemden verpasst.“
EXPRESS.de: Was haben Ihre Eltern gesagt, als sie hörten, dass Sie Schauspieler werden wollten?
Roland Riebeling: „Meine Mutter war ein bisschen erschrocken, mein Vater hat es akzeptiert. Seine klare Meinung: Ich möchte nicht, dass mir meine Kinder eines Tages an meinem Grab Vorwürfe machen, weil sie nicht werden durften, was sie werden wollten. So hatte ich bei der Berufswahl alle Freiheiten, habe ihnen allerdings auch einiges zugemutet.“
Tatort-Star Roland Riebeling privat: Berufswunsch, Familie, „Herr Professor“
EXPRESS.de: Sie wollten auch mal Pfarrer werden ...
Roland Riebeling: „Ja. Und dieser Wunsch wurde erst begraben, als ich beim Zivildienst war und mir meine damalige Chefin sagte: ‚Ich glaube nicht, dass das das Richtige für dich ist. Schauspieler wäre besser!‘ Ich habe auf sie gehört. Mit 18 habe ich dann vorgesprochen. Es war ein guter Tipp – ich denke heute, für den Pfarrer-Beruf, bin ich viel zu unheilig.“
EXPRESS.de: Lassen Sie uns bitte ins Private wechseln: Sie sind mit einem Mann verheiratet, haben mit einem lesbischen Paar zwei Söhne, leben in einer „Regenbogen-Familie“ ...
Roland Riebeling: „Regenbogen-Familie ist ein seltsamer Ausdruck für eine solche Familien-Konstellation. Das hört sich so unbeschwert, leicht, speziell an. Das ist aber Blödsinn. Wir sind eine ganz normale Familie mit ganz normalen Beziehungs- und Erziehungsproblemen wie jede andere. Unsere Kinder müssen auch nicht, nur weil die Väter schwul und die Mütter lesbisch sind, Überflieger sein. Es klappt toll, ist aber wie in jeder Familie auch Arbeit.“
EXPRESS.de: Ihre Kinder sind ländlich groß geworden, war Ihre Familie da Gesprächsstoff Nr. 1?
Roland Riebeling: „Ich glaube nicht. Das war zu Beginn natürlich ein Thema, aber dann war es auch schnell durch. Ich glaube, da war die Schere in meinem Kopf viel größer als die der Gesellschaft. Ich hatte als schwuler Vater ja kein Vorbild, bin ja in ganz anderen Verhältnissen groß geworden. Und sich so etwas einzugestehen, ist eine Katastrophe: Bist du überhaupt würdig, Kinder zu erziehen? Das hat uns alle vier lange Zeit begleitet.“
EXPRESS.de: Ganz versteckt in Ihrem Lebenslauf finden wir, dass Sie nicht nur Diplom-Schauspieler sind, sondern auch einen Lehrauftrag an der Fachhochschule Osnabrück haben. Sollten wir Sie als „Herr Professor“ anreden?
Roland Riebeling: „Das muss nicht sein, wäre aber nicht falsch! Und ich gebe zu, ich finde das schon toll – Herr Professor hört sich doch schick an.“