Zahlreiche Fußballstars folgen derzeit den üppigen Gehältern nach Saudi-Arabien. Während Islamwissenschaftler Sebastian Sons bei „Markus Lanz“ erklärte, welche Beweggründe hinter der Sportoffensive des Wüstenstaates stecken, wetterte Sportjournalist Philipp Köster gegen den Trend und äußerte obendrein Zweifel an Julian Nagelsmann als neuen Bundestrainer.
„Widert mich an“Sportjournalist wettert bei Lanz gegen Ronaldo und Co. – und zweifelt an Nagelsmann
Saudi-Arabien pumpt derzeit Öl-Milliarden in die Fußballclubs der eigenen Liga. Erst im vergangenen Winter wechselte der alternde Superstar Cristiano Ronaldo für ein Jahresgehalt von kolportierten 200 Millionen Euro zum Club Al-Nassr. Auch andere Stars wie Neymar, Karim Benzema oder N'Golo Kanté schlossen sich für aberwitzige Gehälter bislang weniger bekannten Vereinen des Wüstenstaates an. Ein Unding, wie Sportjournalist Philipp Köster am Mittwochabend (21. September) bei „Markus Lanz“ klarstellte.
Der Journalist warnte davor, dass eine fortschreitende Kommerzialisierung den Fußball für immer negativ beeinflussen könnte. „Es geht darum, dass man das Kulturgut Fußball auch bewahrt“, so Köster – auch mit Blick auf die omnipräsente Werbung während einer Partie. Er ergänzte nachdenklich: „Wir merken, dass alles nur noch auf die Fernsehzuschauer ausgerichtet wird.“ Die Leute im Stadion seien hingegen „viel weniger gefragt als früher“. Dadurch finde „eine Entfremdung statt und die Frage ist: Wie weit will man das zulassen?“
Gäste bei „Markus Lanz“ diskutieren über die Fußball-Offensive von Saudi-Arabien
Markus Lanz hakte interessiert nach: „Sie glauben, dieses Rad kann man zurückdrehen?“ Der Gründer, Geschäftsführer und Chefredakteur des Fußballmagazins „11 Freunde“ antwortete verhalten und glaubt, dass es momentan noch „einen Kulturkern“ des Fußballs gebe, „der bisher noch nicht zerstört worden ist“. Dieser sei aus einer „symbiotischen Beziehung zwischen Fans und den Leuten auf dem Rasen“ entstanden. Dennoch mache sich der Sportjournalist erhebliche Sorgen, wenn er den Blick nach Saudi-Arabien richte.
Im Gespräch mit Lanz bemängelte Köster: „Der Sport ist unendlich versaut durchs Geld – seit vielen, vielen Jahren.“ Er ergänzte in Bezug auf die hohen Transfersummen und Gehälter von Topstars wie Cristiano Ronaldo und Neymar: „Diese Absurdität dieser Summen, das verändert den Blick vieler Leute.“
Islamwissenschaftler Sebastian Sons fügte hinzu, dass es auch in der Golfwelt mächtig rumore: „Bei Tiger Woods standen mal 700 Millionen im Raum.“ Daraufhin stellte Philipp Köster fest: „Man kann mit sehr, sehr viel Geld viel bewegen und sich da auch richtig hineindrängen in so einen Sport.“ Auf die vielen Wechsel namhafter Fußballer angesprochen, wetterte der Sportjournalist weiter: „Was da gerade läuft, das ist Kirmes. Das ist große Fußball-Kirmes, aber das hat mit dem, was wir in Europa kennen, nichts zu tun.“
Der ZDF-Moderator wollte dennoch von dem Journalisten wissen, ob er in gewisser Weise die Entscheidung von Stars wie Cristiano Ronaldo nicht nachvollziehen könne. Doch Philipp Köster konterte mit ernster Miene: „Mich widert es ehrlich gesagt an, wenn man gerade ältere Sportler hat (...), die schon so unendlich viel Geld in ihrem Leben verdient haben.“ Köster ergänzte wütend: „Wer nach Saudi-Arabien geht, ist quasi ein PR-Botschafter in kurzen Hosen – natürlich ist das moralisch nicht okay.“
Sebastian Sons: „Die Saudis nutzen exakt das System, das wir gebaut haben“
Islamwissenschaftler Sebastian Sons versuchte derweil, neutral zu bleiben. Er erklärte: „Sicherlich muss man das, was in Saudi-Arabien passiert, kritisch sehen, aber man muss es einordnen.“ Laut des Islam-Experten sei der Wüstenstaat von Kronprinz Mohammed bin Salman aber nicht der Erfinder der „Kommerzialisierung des Fußballs“, denn „die Saudis nutzen exakt das System, das wir gebaut haben. Und jetzt zu jammern, dass Geld die Welt regiert, ist scheinheilig.“
Das dortige Narrativ über den europäisch geprägten Fußball laute: „Wenn jemand wie Saudi-Arabien oder Katar als New Kid in Town versucht, den Laden aufzumischen, wird das erst mal abgelehnt, weil das eben nicht der Fußball ist, den man in Europa gerne hätte.“
Der Islamwissenschaftler machte zudem deutlich, dass Saudi-Arabien nicht nur aus sportlichen Gründen versuche, mit massiven Investitionen die „Grenzen zu verschieben“. Hinter der größeren Strategie stecke, den Menschen sinnbildlich ein neues Saudi-Arabien zu bieten, „neue Märkte zu erobern und sich auch in gewisser Weise wirtschaftlich unersetzlich zu machen“. Sons weiter: „Saudi-Arbabien verfolgt damit nicht nur das Ziel, bekannter zu werden, mit Geld Einfluss zu generieren, (...) sondern man möchte Glamour erzeugen.“
Auch die Imagepflege sei ein Grund für die offensive Sportpolitik. „Manche nennen das Größenwahn, in Saudi-Arabien selbst sagen viele Leute: Das ist einfach der ambitionierte Ehrgeiz, den wir haben“, so der Islam-Experte.
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„Saudi-Arabien hat einen schwierigen Ruf loszuwerden“, wandte Markus Lanz mit Blick auf die Menschenrechtsverletzungen im Land hin. Der ZDF-Moderator wollte deshalb wissen, wie die Fußball-Offensive Saudi-Arabiens bei der eigenen Bevölkerung ankomme. Daraufhin erklärte Sebastian Sons, dass die sozialen Gefälle des Wüstenstaates zwar „massiv“ seien, doch „viel Geld in Fußballer zu investieren, kann für eine gewisse Euphorie sorgen“. Dennoch merkte er an, dass die Euphorie schon bald in Kritik umschlagen könne, sollte sich die Situation im eigenen Land und die akute Jugendarbeitslosigkeit nicht maßgeblich verbessern.
Zweifel an Nagelsmann als DFB-Coach
Ein anderes Thema dieses Abends war die Spitzenpersonalie des DFB: Wer wird Nachfolger von Hansi Flick bei der deutschen Fußballnationalmannschaft – zehn Monate vor der Heim-EM? Derzeit wird vor allem über Julian Nagelsmann als neuer Bundestrainer spekuliert. Ob der ehemalige Coach des FC Bayern dafür geeignet sei, die laut Köster spürbare Distanz zwischen dem Publikum und der „fremd gewordenen“ Nationalelf zu überbrücken, wurde indes bezweifelt: Zwar sei der 36-Jährige „definitiv“ einer der Trainer, die Mannschaften „toll einstellen“ könnten und „taktisch einwandfrei“ seien.
Gleichzeitig fehle Nagelsmann laut Köster alles, was Interims-Coach Rudi Völler ausstrahle – „diese wohlige Familienstimmung, Mannschaftsgeist, Kameradschaft“. Köster weiter: „Bei Rudi Völler denken wir sofort an die WM 2002. 'Es gibt nur einen Rudi Völler.' Wir denken an 1986, wo er ein Tor im WM-Finale gemacht hat, 1990 Weltmeister.“ Nagelsmann, der nie Nationalspieler war, sei da zweifelsohne anders: „Das ist so einer, der dann mal mit dem Skateboard zur Arbeit kommt, eine neue Modekollektion, ob geschmackvoll oder nicht, ausprobiert.“ (tsch)