Moderatorin Laura Karasek und ihre Mutter Armgard haben das Gespräch ihres Lebens geführt. Es geht um Küsse, Alkohol und Männer im Schrank ...
Laura Karasek„Sind ein Klischee!“ Moderatorin im ganz privaten Talk mit Mama über Lover im Schrank
Beim Sonntagsbesuch drehen sich die Gespräche gern um den kläffenden Hund der Nachbarn, den letzten Arztbesuch ... Aber Hand aufs Herz: Wer weiß schon, wer die erste große Liebe seiner Mutter war? Ob die Ehe immer glücklich war? Laura Karasek (41) und ihre Mutter Armgard (69) haben es gewagt, intensive Gespräche über Höhen und Tiefen ihres (gemeinsamen) Lebens zu führen. Ein Thema, das Frauen offensichtlich bewegt. Kein Wunder: Die Beziehung zur Mutter ist prägend.
Auf Lesungen haben sie jetzt schon häufig gehört, dass Töchter „sofort ihre Mutter anrufen“ wollen, um auch „Das Gespräch unseres Lebens“ (so der Buchtitel) zu führen. Und genau das war auch das Ziel von Moderatorin Laura und Armgard Karasek, (die wie ihr 2015 verstorbener Mann Hellmuth Literaturkritikerin ist). Im Interview mit EXPRESS.de erklären beide, was es bringt.
Laura Karasek führt mit Mama Armgard das Gespräch ihres Lebens
Warum sollten Mütter und Töchter solche Gespräche führen?
Laura Karasek: Die Mutter ist der Mensch, der dir so nahekommt wie kein anderer, dem du immer vertrauen kannst. Wenn man so ein Gespräch führt, erzählt man sich Dinge, die man sich oft selbst nicht eingesteht. Doch das ist gut, denn dann verlieren sie den Schrecken.
Armgard Karasek: Nicht nur Mütter und Töchter – ich habe den Eindruck, dass viele Menschen solche Gespräche eigentlich herbeisehnen, aber nicht über ihren Schatten springen können. Das ist schade, denn es befreit die Seele.
Die wichtigsten Erkenntnisse?
Armgard Karasek: Laura erkrankte schon als Jugendliche an Diabetes. Das war offensichtlich viel einschneidender für ihr Leben, als ich mir das vorgestellt habe. Vielleicht hadert sie manchmal deshalb mit sich. Ich bin eher sachlich, lösungsorientiert, Laura ist emotional, eruptiv. Jetzt verstehe ich die selbstzerstörerischen Tendenzen, die sie an den Tag legte, viel besser. Sie kann sehr hart gegen sich selbst sein, geht nicht so liebevoll mit sich selbst um, das tut mir manchmal weh.
Laura Karasek: Ich war meinem Vater ähnlich, der sehr aufbrausend und impulsiv war. Wir haben beide die Oper geliebt, gemeinsam Gedichte gelesen. Mir wurde erst jetzt richtig klar, dass meine Mutter komplett für den Alltag gesorgt hat. Ich habe vieles für selbstverständlich genommen, was sie getan hat. Dass sie so auf die Bedürfnisse von uns, mit all unseren Emotionen, eingegangen ist und selbst noch so eine tolle Karriere gemacht hat, bewundere ich heute noch viel mehr.
In welchen Belangen kommen Sie, vielleicht auch generationsbedingt, wohl nie auf einen Nenner?
Armgard Karasek: In Kleidungsdingen. Meiner Meinung nach brezelt sie sich oft zu sehr auf. In meiner Jugend ging es nicht so sehr darum, für Männer verführerisch auszusehen. Wir wollten cool sein.
Laura Karasek: So wie ich Feminismus definiere, heißt das heute aber: Ich darf so sexy aussehen und herumlaufen, wie ich will. Ist ja nicht so, dass Minirock und Lipgloss Gehirnzellen vernichten. Immer wird an Frauen herumgemäkelt. Das kostet nur Kraft.
Laura Karasek: „Mama, wir sind ein Klischee!“
Die Mutter hat LSD ausprobiert, die Tochter, die eine oder andere Alkoholvergiftung überlebt. Sind Sie glücklich, so etwas erst jetzt voneinander erfahren zu haben?
Armgard Karasek: Als Mutter einer Teenager-Tochter macht man sich viele Sorgen. Ich bin froh, dass ich nicht alles wusste. Im Nachhinein ist das bestenfalls amüsant.
Laura Karasek: Die Wahrheit kann einen selbst ja manchmal erleichtern, aber für andere eine Zumutung sein. Doch Nähe entsteht nur, wenn man sich auch schwach zeigt.
Worüber konnten Sie sich beide köstlich amüsieren?
Laura Karasek: Jede von uns hatte in jungen Jahren mal einen Mann im Kleiderschrank versteckt, als der Freund nach Hause kam. Wenn ich das gewusst hätte... Mama, wir sind ein Klischee!
Armgard Karasek: Es ist aber auch spannend, zu erfahren, dass das erste Mal auch bei der Tochter nicht so der Brüller war. Oder sich im Gespräch selbst wieder an den ersten Kuss zu erinnern: Ich war 13, er 19 – das war schon toll.
Laura Karasek (lacht): Mein Erster hat mich am Tag danach abserviert, aber heute schreibt er mir dauernd auf Facebook.
Laura Karasek: Mein Temperament war oft sehr verletzend
Gibt es Verletzungen, die dem anderen im Gespräch erst richtig bewusst wurden?
Armgard Karasek: Ja, ich erinnere mich zum Beispiel daran, dass Laura mal wütend auf mich war, ich weiß gar nicht mehr warum, und tagelang nicht mehr mit mir gesprochen hat. Wie soll man einem Kind denn nahe sein, wenn es einen schneidet, habe ich mir gedacht. Sie schließt mich aus. Aber da war sie noch in der Pubertät.
Laura Karasek: Für mich gab es in den Gesprächen Momente, in denen mir klar wurde, dass mein Temperament und meine Wutattacken oft verletzend und kränkend waren. Aber ich fühlte eben sehr viel. Und ich fand damals die mütterlichen Ratschläge, die ständig kamen, anstrengend und übergriffig.
Sind Sie heute glücklicher als früher?
Armgard Karasek: Am liebsten war mir das Alter zwischen 30 und 40 Jahren. Berufliches Fortkommen, kleine Kinder, abends feiern. Das ging alles irgendwie. Doch ich habe meiner Tochter auch die Vorteile des Alterns geschildert. Du hast keine Regel mehr, kannst reisen. Viele Pflichten fallen weg. Ich habe mehr Zeit, meinen Hobbys – wie Klavierspielen oder im Chor zu singen – nachzugehen: Und wenn mir eine Party nicht gefällt, dann gehe ich einfach weg.
Laura Karasek: Ich merke, was ich für ein schönes Leben gehabt habe, eine wunderschöne Kindheit, die Pubertät einigermaßen gemeistert. Mit Anfang 20 war ich nicht so glücklich wie heute, war unruhiger, rastloser. Ich wusste damals allerdings schon, dass ich Kinder haben und ein Buch schreiben wollte. Es ist wunderbar, dass alles geklappt hat!
Wissenschaftlich erforscht! Das Geheimnis der Mutter-Tochter-Bindung
Der Kontakt von Töchtern zu ihren Müttern ist enger als alle anderen Bindungen zwischen den Generationen, belegen Studien (auch wenn es in der Pubertät meist besonders heftig kracht). Etwa jede zweite Tochter (55 Prozent) bespreche persönliche Dinge regelmäßig mit ihrer Mutter, lautet ein Zwischenfazit des Beziehungs- und Familienpanels pairfam.
Woran es liegt, dass das Verhältnis oft enger ist als mit Söhnen? Die Forscher des „Journal of Neuroscience“ haben festgestellt, dass die Gehirne von Mutter und Tochter genetisch so programmiert sind, dass sie sich sehr gut ineinander hineinversetzen können. Somit fühlt eine Mama sofort, wenn es der Tochter schlecht geht – aber auch umgekehrt. „Die Verbindung zwischen Mutter-Tochter war signifikant größer als bei Mutter-Sohn-, Vater-Tochter- und Vater-Sohn-Verbänden“, so die Forscher.