Streaming-TippTerroranschlag auf Passagierflugzeug von 1988: Colin Firth als fanatischer Aufklärer

Oscar-Preisträger Colin Firth spielt in der Sky-Serie „Lockerbie: A Search For Truth“ den Arzt und Aufklärer Jim Swire. Der verlor seine Tochter beim Terroranschlag vom 21. Dezember 1988 auf Pan-Am-Flug 103, bei dem 270 Menschen ihr Leben ließen. Swires Kampf dauert Jahrzehnte.

Am 21. Dezember 1988, kurz vor Weihnachten, machte sich Pan-Am-Flug 103 am frühen Abend vom Londoner Flughafen Heathrow auf nach New York. 38 Minuten nach dem Start explodierte eine ins Gepäck geschmuggelte Bombe im Frachtraum des Flugzeugs. Der Passagierjet zerbrach in viele Einzelteile. Trümmerteile töteten in der südschottischen Gemeinde Lockerbie elf Personen. Auch alle Passagiere und Besatzungsmitglieder kamen ums Leben. Insgesamt forderte der Lockerbie-Anschlag 270 Tote. Eines der Opfer ist die junge Arzttochter Flora Swire, die Weihnachten bei ihrem amerikanischen Freund verbringen wollte.

Der Terroranschlag von Lockerbie gilt als einer der komplexesten Kriminalfälle der Neuzeit. Libyen unter Machthaber Oberst Muammar al-Gaddafi gerät bald unter Verdacht, für das Attentat verantwortlich zu sein. Viele Jahre später kommt es zu einer großen Verhandlung unter schottischer Gerichtsbarkeit auf neutralem Boden in den Niederlanden. Doch bis heute sind viele Details der Tragödie nicht aufgeklärt oder widersprüchlich. Oscar-Preisträger Colin Firth („The King's Speech“) spielt in der fünfteiligen Sky-Serie „Lockerbie: A Search For Truth“ den Arzt und Aufklärer Jim Swire, der seine Tochter auf Flug 103 verlor.

Der englische Aufklärer Jim Swire (Colin Firth, links) trifft auf einer gefährlichen Solo-Mission in Libyen den Diktator Oberst Muammar Gaddafi (Nabil Al Raee, rechts). (Bild: © Warner Bros. Discovery Inc.)

Der englische Aufklärer Jim Swire (Colin Firth, links) trifft auf einer gefährlichen Solo-Mission in Libyen den Diktator Oberst Muammar Gaddafi (Nabil Al Raee, rechts).

Als Vater von Flora wird Jim Swire schnell zum Sprecher der britischen Opfer des Anschlags und über die Jahre zum fanatischen Privatforscher, der den Fall gegen viele Widerstände unbedingt aufklären möchte. Der echte Jim Swire, heute 88 Jahre alt, hat seine Jahrzehnte andauernde Arbeit an dem Fall im Buch „The Lockerbie Bombing: A Father's Search for Justice“ gemeinsam mit Peter Biddulph zu Papier gebracht. Aus dieser und anderen Quellen schuf der schottische Dramatiker David Harrower („Blackbird“) einen faszinierenden Fünfstünder (alle Folgen ab Donnerstag, 16. Januar, bei Sky/Wow).

Privatforscher Jim Swire (Colin Firth) hat sich auf den Weg in die Wüste, nach Libyen gemacht. Niemand wusste vorher, wie die gefährliche Reise ausgehen würde. (Bild: © 2024 Carnival Film & Television Limited)

Privatforscher Jim Swire (Colin Firth) hat sich auf den Weg in die Wüste, nach Libyen gemacht. Niemand wusste vorher, wie die gefährliche Reise ausgehen würde. (Bild: © 2024 Carnival Film & Television Limited)

Jim Swire, eigentlich ein zurückhaltender, klassisch englischer Gentleman, vernachlässigt seine Frau Jane (Catherine McCormack, „Slow Horses“) und seine beiden anderen Kinder, um in einer Mischung aus Trauerbewältigung und Wut die Wahrheit über den Tod seiner ältesten Tochter herauszufinden. Dabei reist der Brite nach Libyen zu Gaddafi, verfolgt über Monate jeden Prozesstag in den Niederlanden und kommt mit zahlreichen Behörden und internationalen Protagonisten in Konflikt.

Als Spielfilm wohl ein Oscar-Kandidat

Jane (Catherine McCormack), die ihre Tochter Flora verloren hat, hat zusätzlich unter der Aufklärungs-Manie ihres Ehemannes Jim zu leiden.

Jane (Catherine McCormack), die ihre Tochter Flora verloren hat, hat zusätzlich unter der Aufklärungs-Manie ihres Ehemannes Jim zu leiden.

Ausnahmeschauspieler Colin Firth, auch bekannt aus den „Bridget Jones“-Filmen, spielt diesen englischen Jedermann, den man für sein beharrliches Heldentum feiern möchte, aber seine Besessenheit ist selbstzerstörerisch. Dabei hat die einerseits konventionell erzählte, aber in ihrer filmischen Qualität dennoch fesselnde Erzählung noch andere Stärken: Da wäre zum einen die Akribie, in der jedes Detail und viele der Theorien des Falles von Regisseur Otto Bathurst („The Winter King“) in Szene gesetzt werden. Beginnt die Serie als beklemmendes Drama einer Katastrophe mit eindrücklich inszenierten Bildern des Flugzeugabsturzes sowie der Studie eines Verlustes, wird sie ab Folge zwei zum faktenreichen Recherchefilm und Court Room-Drama. Trotzdem kommt dank des guten Buches und exzellenter Darsteller-Riege auch das Menschliche nie zu kurz.

Als Spielfilm wäre „Lockerbie: A Search For Truth“ wohl ein aussichtsreicher Oscar-Kandidat. Als Fernseh-Miniserie bietet der auf knapp fünf Stunden angelegte Stoff dagegen Gelegenheit, sowohl den Detailreichtum eines komplexen Falles und die Schwierigkeit der Wahrheitsfindung zu porträtieren, als auch ein persönliches Familiendrama im Spiegel von Jahrzehnten zu erzählen. „Lockerbie: A Search For Truth“ könnte eine der besten klassischen Drama-Miniserien des noch frühen Jahres 2025 werden. (tsch)