Burnout? Demenz? Falsch gedacht: Obwohl die Hälfte der Bevölkerung im Laufe ihres Lebens in die Wechseljahre kommt, tappen selbst Ärztinnen und Ärzte in Bezug auf die Menopause häufig im Dunkeln. Eine ZDF-Doku zeigt, wie sehr es im System hakt.
Menopause-Doku im ZDF prangert massive Missstände an„Frauen werden komplett allein gelassen“

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Die Gynäkologin Dr. Brigitte Mergard (rechts) berät Line in Bezug auf die Hormonersatztherapie. (Bild: ZDF / Susan Gluth)

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Line, eine der Protagonistinnen im „37°“-Film, will ihre Wechseljahre selbstbestimmt erleben. (Bild: ZDF/Jasper Engel,)
Die Menopause habe die 52-jährige Caroline „eiskalt erwischt“, sagt sie: „Ich konnte meine Beschwerden nicht einordnen und dachte, ich wäre krank. Niemand sprach von den Wechseljahren.“ Starke Konzentrationsschwierigkeiten ließen die Teamleiterin in einem Finanzunternehmen zwischenzeitlich sogar glauben, sie werde dement. In der ZDF-Dokumentation „Wechseljahre - heißkalt erwischt“ (am Dienstag, 18. März, 22.15 Uhr, im ZDF) spricht Caroline offen von dem, was sie in den vergangenen sechs Jahren erlebt hat.
Mehr als einmal wischt sie sich dabei den Schweiß von der Stirn: „Hitzewallungen“, erklärt sie. Als die Symptome - darunter auch „eine Achterbahn der Gefühle, trockene Augen, Schlafstörungen, Glieder- und Gelenkschmerzen“ - zum ersten Mal auftraten, war Caroline 46 Jahre alt. Erst ein Jahr später war klar: Sie ist nicht krank, sondern in den Wechseljahren.

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Susanne Liedtke (links) hat ein Onlineportal für Frauen in den Wechseljahren gegründet. Zusammen mit Line macht sie mit einer Plakataktion auf das Thema aufmerksam. (Bild: ZDF / Susan Gluth)
Gegen die starken Gelenkschmerzen half Sport, zur Behandlung der weiteren Beschwerden wird meist zur Hormonersatztherapie geraten - keine Option für Caroline, die an einer Blutgerinnungsstörung und dadurch auch an einem erhöhten Thromboserisiko leidet. „Es heißt immer: 'Nehmen Sie Hormone.' Da wird nicht gefragt: 'Möchten Sie das überhaupt?'“, ärgert sie sich. „Das macht mich so wütend. Ich habe ganz viel Literatur gelesen, wo es immer heißt: Ohne Hormone wirst du krank, hässlich, alt, hast keine Lust mehr am Leben.“
„Ich habe mich nicht besonders gut abgeholt gefühlt“

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Caroline leidet unter starken Hitzewallungen. (Bild: ZDF/Jasper Engel,)
Letztere ist Caroline nicht vergangen. Sie geht gerne unter Leute, hat sich mittlerweile auch mit anderen Frauen vernetzt. „Je mehr ich weiß, als desto weniger schlimm empfinde ich die Symptome. Es ist immer noch unangenehm, aber, jetzt wo ich weiß, dass es mit den Wechseljahren zusammenhängt, gibt mir das ganz viel Ruhe. Es ist unangenehm, aber es ist nichts Schlimmes.“
Das sieht Line ähnlich - allerdings erst, seit sie sich zur Einnahme der Minipille entschieden hat. „Mein Schlafverhalten hat sich geändert. Ich habe das Gefühl, dass es besser geworden ist. Dass ich morgens mit mehr Energie aufstehe“, berichtet die 46-Jährige im Film. Wenige Monate zuvor hatte sie gegenüber dem ZDF-Team über zahlreiche Beschwerden geklagt. Auch Line spricht von einer „emotionalen Achterbahn“, fand den schleichenden Beginn der Menopause „wirklich richtig ätzend“.

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Das beste Mittel gegen Gelenkschmerzen? Sport, weiß Caroline. (Bild: ZDF / Andrea Bertoldi)
Wie Caroline musste auch Line erst zahlreiche Ärztinnen und Ärzte aufsuchen, um die richtige Diagnose zu erhalten. Im Film ist gar die Rede von einer „Odyssee durch Praxen unterschiedlichster Fachrichtungen“. Immer wieder sei der Verdacht geäußert worden, dass Line unter Burnout leide. Die zweifache Mutter erinnert sich: „Ich habe mich nicht besonders gut abgeholt gefühlt. Es war niemand, der gesagt hat, vielleicht sind das die Wechseljahre.“
„Da ist was im System verkehrt“
Heute weiß Line, warum sie sich häufig müde und abgekämpft fühlt, schlecht schläft, zunimmt. Sie weiß auch, dass es vielen Frauen so geht - auch, wenn die Menopause häufig noch immer als Tabuthema gilt. „Wechseljahre sind so die persona non grata“, sagt auch die Ernährungsexpertin Susanne Liedtke in der Doku. „Man will damit nichts zu tun haben. Aber die Hälfte der Menschheit kommt in die Wechseljahre. Nichts darüber zu wissen, ist für mich keine Option.“
Weil sie will, dass über die Wechseljahre gesprochen wird, hat Susanne sogar eine eigene Online-Plattform ins Leben gerufen, auf der sich Frauen informieren, für Kurse anmelden und miteinander austauschen können. „Frauen werden an der Stelle komplett allein gelassen. Da ist wenig Liebe für die älter werdende Frau in unserer Gesellschaft, wenig Wertschätzung“, weiß Susanne. „Da ist was im System verkehrt. Wenn wir wollen, dass es auch Frauen mittleren Alters besser geht, dass sie gut in ihrer Kraft sind, dass sie auch vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels uns zur Verfügung stehen in der Gesellschaft, dann müssen wir an der Stelle systemisch was verändern“, fordert sie und stellt klar: „Neun Millionen Frauen in Deutschland sind keine Nische.“ (tsch)