Sie hat sich oft bis zur Bewusstlosigkeit betrunken. Aber Mimi Fiedler zeigt, dass man selbst als schwere Alkoholikerin der Sucht entrinnen kann.
„Hab' mich in Restaurants eingenässt“TV-Star Mimi Fiedler berichtet ungeschönt über ihre Alkoholsucht
Sie macht keinen Hehl daraus, dass sie fast 30 Jahre ihres Lebens getrunken hat. Doch selten zuvor hat eine Prominente so offen über ihre Sucht gesprochen wie Mimi Fiedler (47) es jetzt in ihrer Alkohol-Autobiografie „Trinkerbelle“ tut.
Harter Tobak, wie ihre Tochter Ava sie bewusstlos in einer Rotweinlache fand oder sie ständig vollgepinkelte Höschen auf Restaurant-Toiletten entsorgen musste. Aber vielleicht auch ein Weckruf für viele andere.
Mimi Fiedler: Erstes Bier mit 14 Jahren – nach Missbrauch als Kind
Ein Schamane sagte ihr einst, dass ihr Krafttier eine „Ameise“ sei. Echt jetzt? Mimi Fiedler war enttäuscht, bis sie erfuhr, dass die Ameise eigentlich das kräftigste Tier im Schamanismus sei, weil es viel, viel mehr tragen kann als das eigene Körpergewicht.
Das passt zu der Geschichte eines kleinen Mädchens aus Dalmatien, das den Missbrauch in ihrer Kindheit verdrängt und ihre Gefühle stets mit Alkohol betäubt hatte. Als Mimi mit 14 ihre erste Flasche Bier ansetzt, für einen Augenblick ihre „Realität ausradiert“, weiß sie, wo sie fortan immer hinwill: in den Vollrausch, unbesiegbar, abseits der realen Welt. Der Beginn einer fatalen Trinkerlaufbahn.
Schonungslos und ehrlich schildert die heute 47-Jährige in „Trinkerbelle“ (knaur, 18 Euro): „Meine Höschen werden zum Running Gag auf Partys. Manchmal schaffe ich es nicht mehr, es herunterzuziehen, pinkele mich voll und lasse es einfach liegen. Wenn das auf einer Männertoilette passiert, macht sofort das Gerücht die Runde, dass ich wieder Sex hatte. In Wahrheit hatte ich das nicht ein einziges Mal. Aber weil ein bis zum Anschlag vollgepinkeltes Höschen noch trostloser klingt als wahlloser Sex auf der Männertoilette, lasse ich alle Gerüchte so stehen.“
Sie sei eine funktionale Alkoholikerin, schildert sie in ihrem Buch. Wenn beispielsweise ihre kleine Tochter Ava bei ihr gewesen sei, habe sie es meist mit Ach und Krach geschafft, nicht zu trinken. Sie habe nie Alkohol im Haus gehabt – aber auch nie weiter als fünf Minuten von einer Tankstelle entfernt gewohnt, um sich Fusel zu holen.
Mimi Fiedler: Verkatert beim Dreh, gefangen in der Suchtspirale
Plötzlich sind da vier Flaschen teurer Rotwein in einer Präsentkiste – Weihnachtsgeschenk einer Produktionsfirma. „Ich liege ohnmächtig, völlig weggeballert in dem tiefrot erbrochenen Wein und sehe aus, als wäre ich gefallen und würde mit dem Gesicht in meinem eigenen Blut liegen. So findet meine Tochter mich am anderen Morgen. Sie schreit: ‚Mama, bitte, Mama, steh auf, Mama, bitte, bist du tot?‘ Läuft barfuß durch die Nachbarschaft, um Hilfe zu holen.“ Der Horror.
Mimi Fiedler versucht, nüchtern zu werden, immer und immer wieder, aber sie schafft es nicht, versucht zu arbeiten, schafft auch das immer weniger. Sitzt morgens verkatert in der Maske. Da nützt auch die Doppelladung des teuren Parfüms nichts: Der Alkohol riecht aus allen Poren.Nehmen Sie hier an der EXPRESS.de-Umfrage zum Thema „Alkoholkonsum“ teil:
Komplett pleite, völlig am Ende, zieht sie wieder zu ihren Eltern in ihr altes Kinderzimmer. „Irgendwann verliere ich nicht nur die Hoffnung. Ich verliere auch meinen Führerschein. Dass ich kein bisschen lalle, überrascht die Polizisten. Über zwei Promille bei einem Körpergewicht von 53 Kilo.“
Ihre Eltern kratzen die letzten Ersparnisse zusammen, bringen ihre Tochter zum erneuten Entzug in eine wunderschöne Klinik. Mimi ist weit weg vom Alkohol, findet zu sich selbst. Wirklich? „Meine Freundin lädt mich, zwei Tage, nachdem ich die Klinik verlassen habe, zu einem Weihnachtsdinner ein. (...) Vergessen sind die guten Vorsätze, vergessen ist alles, was ich in den AA-Meetings gelernt habe. Ich trinke. Ich trinke mich zügig in einen Rausch.“
Sie landet wieder einmal in der kalten städtischen Notaufnahme, in der sie schon oft betrunken aufgekreuzt war. Und ihr wird klar: Sie muss ihrem Täter in die Augen sehen, fährt zu „Onkel Konny“, konfrontiert ihn mit dem Missbrauch. Er leugnet, seine Frau schiebt sie aus dem Haus...
Mimi Fiedler: Ihre Alkoholsucht verbarg sie sogar vor ihrem Mann
Mimi will aufhören, geht sogar acht Jahre zu den Anonymen Alkoholikern rund um den Globus, trinkt dennoch weiter, verheimlicht ihre Sucht lange selbst vor dem Mann, der ihre große Liebe, ihr Ehemann wird: Otto Steiner.
Bis sie nach diversen intensiven Begegnungen an einem Tag die Stimme ihrer „höheren Macht“ hört: „Du darfst loslassen, du darfst heil werden, du darfst glücklich sein. Leg deine Waffen nieder. Es ist vorbei.“ Klingt pathetisch – ja. Dass sie seit Mariä Himmelfahrt 2018 keinen Tropfen mehr anrührt – ein Geschenk des Himmels? Oder eher ein mentaler Kraftakt, um zu leben? Vielleicht beides.
Mimi Fiedler traut sich wieder, nach den Sternen zu greifen, sagt aber auch selbstkritisch: „Die Nüchternheit hat mir beigebracht, dass es gar keine Rolle spielt, warum ich getan habe, was ich getan habe und auch nicht, was mir angetan wurde – die Verantwortung für meine Handlungen liegt trotzdem bei mir.“
Alkohol-Selbsttest: Wie gefährdet bin ich wirklich?
Liegen Ihre Trinkgewohnheiten noch im Rahmen? Wenn Sie mehrere Fragen dieses Selbsttests mit „Ja“ beantworten, sollten Sie Ihren Arzt zu Rate ziehen.
- Nehmen Sie an mehr als fünf Tagen in der Woche ein alkoholisches Getränk zu sich?
- Wenn Sie Alkohol trinken, trinken Sie typischerweise mehr als ein (gilt für Frauen) bzw. mehr als zwei (gilt für Männer) alkoholische Getränke an einem Tag? Ein alkoholisches Getränk ist zum Beispiel ein kleines Glas Bier, ein kleines Glas Wein oder ein doppelter Schnaps.
- Haben Sie in den vergangenen 30 Tagen zu einer Gelegenheit vier (gilt für Frauen) bzw. fünf (gilt für Männer) oder mehr alkoholische Getränke getrunken, zum Beispiel bei einem Kneipenbesuch, einer Feier, beim Zusammensein mit Freunden oder auch ganz allein?
- Haben Sie in den vergangenen zwölf Monaten erlebt, dass Sie nicht mehr mit dem Trinken aufhören konnten, nachdem Sie einmal begonnen hatten?
- Ist es in den vergangenen zwölf Monaten passiert, dass Sie wegen des Trinkens Erwartungen, die man normalerweise an Sie hat, nicht mehr erfüllen konnten?
- Kam es in den vergangenen zwölf Monaten vor, dass Sie am Morgen ein alkoholisches Getränk brauchten, um sich nach einem Abend mit viel Alkoholgenuss wieder fit zu fühlen?
- Hatten Sie während der vergangenen zwölf Monate wegen Ihrer Trinkgewohnheiten Schuldgefühle oder Gewissensbisse?
- Kam es während der vergangenen zwölf Monate vor, dass Sie sich nicht mehr an den vorangegangenen Abend erinnern konnten, weil Sie getrunken hatten?
- Hat in den vergangenen zwölf Monaten jemand aus Ihrem Verwandten- oder Freundeskreis oder ein Arzt bzw. eine Ärztin schon einmal Bedenken wegen Ihres Trinkverhaltens geäußert oder vorgeschlagen, dass Sie Ihren Alkoholkonsum künftig besser einschränken sollten?
- Haben Sie während der vergangenen zwölf Monate sich oder eine andere Person unter Alkoholeinfluss angegriffen oder verletzt?
Alkoholmissbrauch und -sucht: Neun Millionen Deutsche ernsthaft gefährdet
Laut Bundesministerium für Gesundheit ist der Alkoholkonsum zwar leicht gesunken, aber Deutschland lag 2022 im internationalen Vergleich unverändert im oberen Zehntel. Ein problematischer Alkoholkonsum liegt bei etwa neun Millionen Personen vor.
Gefährliches Trinkverhalten ist einer der wesentlichen Risikofaktoren für zahlreiche chronische Erkrankungen (wie Krebs, Leber- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen) und für Unfälle.
Analysen gehen von jährlich etwa 74.000 Todesfällen durch Alkoholkonsum allein – oder durch die Kombination von Tabak und Alkohol – aus. Die volkswirtschaftlichen Folgekosten durch Alkohol betragen rund 57 Milliarden Euro pro Jahr.