Beim Thema HolocaustCaren Miosga hakt bei Alice Weidel nach: „Warum verdrehen Sie die Augen?“

Die AfD steht in allen Wahlumfragen zurzeit auf dem zweiten Platz, wenn auch deutlich hinter der Union. Im Januar kürte die Partei Alice Weidel zu ihrer Kanzlerkandidatin. Am Sonntagabend ist sie Gast in der ARD-Talkshow mit Caren Miosga.

Caren Miosga hat es sich zum Ziel gesetzt, der AfD und besonders deren Vorsitzenden Alice Weidel auf den Zahn zu fühlen und herauszufinden: „Was für ein Deutschland wollen Sie, Frau Weidel?“

Auch Hildegard Müller, Präsidentin des Verbandes der deutschen Automobilindustrie (VDA) und „Welt“-Journalist Robin Alexander waren Teil der Diskussion.

Alice Weidel fällt durch Unwissenheit auf

Alice Weidels Faktentreue ist in der Sendung nicht die allerbeste. Als es um Wirtschaftsthemen geht, behauptet sie, die deutschen Automobilunternehmen beschäftigen in den USA zwischen 25.000 und 30.000 Mitarbeiter.

Hildegard Müller, die Präsidentin des Arbeitgeberverbandes der deutschen Autoindustrie, korrigiert sie sofort: Es sind in Wahrheit 140.000 Beschäftigte. Vorher behauptet Weidel, die Union und die AfD würden von 60 Prozent der Bevölkerung gewählt werden. Nach den aktuellen Meinungsumfragen sind es gut zehn Prozent weniger.

Anlässlich des zurückliegenden Holocaust-Gedenktags möchte Caren Miosga über deutsche Erinnerungskultur sprechen. Bei Alice Weidel stößt sie damit auf wenig Gegenliebe. „Warum verdrehen Sie die Augen?“, hakt Miosga nach. „Mach ich nicht“, entgegnet die AfD-Chefin verdutzt und erklärt: „Für uns steht die Existenz Israels an erster Stelle. Wir gedenken des Holocaust zusammen mit den Juden in der AfD.“ Sie finde es jedoch „verstörend“, wenn der Holocaust für „eine politische Instrumentalisierung“ genutzt werde.

Etwas später sagt sie: „Ich glaube, dass letztlich die deutsche Politik nicht aus einer Schuld heraus getrieben sein sollte, sondern aus einem Selbstbewusstsein heraus, aus einer Verantwortung für die Zukunft, aus einer Verantwortung für die deutsche Bevölkerung und für die Familie und vor allen Dingen für die jungen Menschen in diesem Land.“

Caren Miosga (zweite von links) diskutierte in ihrer Sendung mit Hildegard Müller, Präsidentin des Verbandes der deutschen Automobilindustrie (links), AfD-Chefin Alice Weidel und „Welt“-Journalist Robin Alexander. (Bild: NDR / Thomas Ernst)

Caren Miosga (zweite von links) diskutierte in ihrer Sendung mit Hildegard Müller, Präsidentin des Verbandes der deutschen Automobilindustrie (links), AfD-Chefin Alice Weidel und „Welt“-Journalist Robin Alexander. (Bild: NDR / Thomas Ernst)

Anschließend erklärt Weidel ihre Definition von Extremismus. Die AfD, sagt sie, sei konservativ-liberal. Extremismus sei in Wahrheit, „wenn völlig rechtswidrig gegen das Grundgesetz, Asylgesetz, internationales Recht die Grenzen geöffnet werden und offen gehalten werden. Für mich ist extremistisch, wenn eine Regierung von Deutschland gegen Recht und Gesetz verstößt.“

Hildegard Müller sprach sich für „mehr Europa“, aber weniger Bürokratie für Deutschland aus. (Bild: NDR / Thomas Ernst)

Hildegard Müller sprach sich für „mehr Europa“, aber weniger Bürokratie für Deutschland aus. (Bild: NDR / Thomas Ernst)

Am vergangenen Mittwoch hatte die Union für einen Entschließungsantrag zur Verschärfung der Asylpolitik eine Mehrheit mit den Stimmen der AfD bekommen. Ein Gesetzentwurf der Union scheiterte dann am Freitag trotz der Stimmen der AfD. Vor allem Abgeordnete der FDP stimmten nicht für den Antrag - und ihre Parteiführung, die ihn unterstützte.

Alice Weidel: „Wir wollen gestalterisch eingreifen können“

„Uns geht es nicht um Parteien, uns geht es um dieses Land“, sagt Alice Weidel bei „Caren Miosga“. Zu dem Entschließungsantrag vom vergangenen Mittwoch fügt sie hinzu: „Wir haben einem Antrag zugestimmt, der aus unserer Sicht in die richtige Richtung weist.“

Die Union habe Forderungen übernommen, welche die AfD sieben Jahre lang im Bundestag gestellt habe. Weidel: „Sobald die Politik für unser Land in die richtige Richtung weist, kann man sich auf uns verlassen.“

Die AfD stehe für einen Richtungswechsel in der Migrationspolitik. „Wir wollen gesicherte Grenzen haben, und wir wollen, dass Illegale an unseren Grenzen zurückgewiesen werden. Wir wollen, dass dieser Kontrollverlust endlich aufhört - und die Menschen in unserem Land wollen das auch.“ Dazu formuliert sie den Anspruch: „Wir wollen sehr stark werden, damit wir gestalterisch eingreifen können.“

Alice Weidel formulierte den Anspruch der AfD auf eine Regierungsbeteiligung: „Wir wollen sehr stark werden, damit wir gestalterisch eingreifen können.“ (Bild: NDR / Thomas Ernst)

Alice Weidel formulierte den Anspruch der AfD auf eine Regierungsbeteiligung: „Wir wollen sehr stark werden, damit wir gestalterisch eingreifen können.“ (Bild: NDR / Thomas Ernst)

Viele Bundesbürger sehen das anders: Am Wochenende demonstrierten mehrere Hunderttausend Menschen in vielen Städten gegen die AfD - und erstmals auch gegen Friedrich Merz, den Kanzlerkandidaten der Unionsparteien.

Streitfrage EU: Braucht Deutschland mehr oder weniger Europa?

Natürlich geht es bei Miosga auch um die Forderungen der AfD, diesmal vor allem in der Wirtschaftspolitik. Da will die AfD zwar die D-Mark wiedereinführen, aber dass Deutschland aus der EU austritt, will sie nicht mehr. „Wir sind grundsätzlich für einen Kompetenzrückbau der Europäischen Union“, erklärt Weidel, die auch bei der Rückkehr zur nationalen Währung relativiert: „Für einen Austritt aus dem Euro ist es viel zu spät.“

Die EU sei mit ihrem bürokratischen Überbau zu übergriffig in die Industrie und in die Parlamente. Die AfD lehne zum Beispiel ein Verbrennerverbot ab und sei gegen die Subventionierung von E-Autos. Auch das Gebäudeenergiegesetz, das die EU beschlossen habe, sei übergriffig. „Wir müssen aufhören mit der Verbotspolitik“, sagt Weidel.

Moderatorin Caren Miosga suchte in ihrer Sendung eine Antwort auf die Frage: „Was für ein Deutschland wollen Sie, Frau Weidel?“ (Bild: NDR / Thomas Ernst)

Moderatorin Caren Miosga suchte in ihrer Sendung eine Antwort auf die Frage: „Was für ein Deutschland wollen Sie, Frau Weidel?“ (Bild: NDR / Thomas Ernst)

„Wir halten insbesondere die europapolitischen Vorschläge der AfD für grundfalsch. Wir brauchen mehr Europa und nicht weniger Europa“, sagt VDA-Präsidentin Müller. Zwar spricht sie sich für weniger Bürokratie und weniger Regulierung in Europa aus. „Aber Deutschland alleine wäre angesichts der globalen Herausforderungen, die wir haben, viel zu schwach. Und deshalb müssen wir alles tun, um Europa zu stärken.“

Dass es zu viele Regulierungen in der EU gibt, glaubt auch Robin Alexander. Doch der stellvertretende Chefredakteur der Welt weist auf einen Denkfehler Weidels hin: „Man kann über Regulierung streiten“, sagt der Journalist. „Nur wenn wir das in Europa kaputtmachen, wäre ja nicht die Regulierung weg, sondern wir hätten wieder 27 Regulierungen.“ Weidel erwidert, die AfD sei für eine komplette Streichung aller Subventionen, vor allem bei Windkraftwerken, die sie ständig „Windmühlen“ nennt. Sie verlangt deren Abbau und eine Rückkehr zur Kernenergie. Studien, nach denen Kernenergie teurer sei als erneuerbare, seien falsch, so Weidel.

Schließlich will Weidel Energiekosten auch senken, indem Deutschland wieder Gas und Öl aus Russland importiert. Gleichzeitig fordert sie jedoch auch mehr Geld für die Sanierung der Bundeswehr. Deutschland müsse sich verteidigen können, fordert Weidel. Dennoch verspricht sie: „Ich will für dieses Land keinen Krieg. Ich möchte Frieden schaffen.“ Auch in der Ukraine. Dazu wird sie jedoch wenig Gelegenheit bekommen. Denn bisher ist klar: Keine Partei will in eine Koalition mit der lauter Verfassungsschutz in Teilen gesichert rechtsextremen AfD. (tsch)