„Nieten in Nadelstreifen“Ex-GDL-Chef Weselsky schimpft im TV über den Bahn-Vorstand

Claus Weselsky sprach im MDR-“Riverboat“ über seine Arbeit als Bahn-Gewerkschafter - und seinen Ruhestand. (Bild: MDR)

Claus Weselsky sprach im MDR-„Riverboat“ über seine Arbeit als Bahn-Gewerkschafter - und seinen Ruhestand.

Er war der wohl bekannteste Gewerkschafter Deutschlands. Jetzt ist Claus Weselsky Rentner. In der MDR-Talkshow „Riverboat“ blickt Weselsky am Freitagabend auf seine Arbeit zurück - und wie gehabt unversöhnlich auf die „Pfeifen“ des Bahn-Vorstands.

Der wohl bekannteste Eisenbahner ist in Rente. Seit dem 4. September. Aber so richtig kapiert hat Claus Weselsky das noch nicht ganz. „Ich trainiere langsam ab“, sagt er am Freitagabend in der MDR-Talkshow „Riverboat“.

16 Jahre lang war er Deutschlands härtester Gewerkschaftschef. Heute ist der meistgehasste, aber auch meistgefürchtete Verhandler Ehrenvorsitzender der GDL, der Gewerkschaft der Lokführer. „Ich denke, es ist Zeit, das eine neue Generation drankommt“, sagt Weselsky, dem man seine sächsische Herkunft anhört, sobald er einen Satz sagt.

Claus Weselsky: „Man hat immer eine Mitschuld“

Weselsky wurde vor gut 65 Jahren in Dresden geboren. Er habe in diesem Frühjahr gemerkt, dass seine Leistungsfähigkeit nachgelassen habe, sagt der Ex-Gewerkschafter. Jetzt müssten Leute das Ruder übernehmen, die mehr Energie haben, wünscht er sich.

Wer mit der Bahn fährt, hat immer weniger Spaß. Züge kommen Stunden zu spät, Klimaanlagen fallen aus, Kühlschränke funktionieren nicht, oft passiert alles gleichzeitig. Weselsky weiß das. „Ich fahre ja selber oft mit der Bahn“, sagt er. „Wir müssen ganz klar sagen: Das Management der DB raubt uns allen Lebensqualität. Es ist Freizeit, die verloren geht. Entweder sie kommen zu spät zum Termin, oder Sie kommen zu spät nach Hause. Eines von beiden tritt fast immer ein.“

„Das System Eisenbahn ist zu retten, wenn wir endlich harte Entscheidungen treffen und die vom Hof jagen, die das System in den Zustand gebracht haben“, sagte Claus Weselsky (links) im Gespräch mit Klaus Brinkbäumer. (Bild: MDR)

„Das System Eisenbahn ist zu retten, wenn wir endlich harte Entscheidungen treffen und die vom Hof jagen, die das System in den Zustand gebracht haben“, sagte Claus Weselsky (links) im Gespräch mit Klaus Brinkbäumer.

Obwohl während des Lokführerstreiks vor einigen Monaten die fahrenden Züge deutlich pünktlicher waren als gewöhnlich, weiß Weselsky: „Man hat immer eine Mitschuld.“ Und trotzdem: Eine gewisse Unversöhnlichkeit mit dem Bahnvorstand scheint es immer noch zu geben.

„Sie wollen uns klein halten“, sagt er im MDR-Talk. „Sie haben unsere Existenz angegriffen mit dem Tarifeinheitsgesetz. Und sie kriegen den Rückenwind vom Eigentümer. Die Kombination Vorstand der Bahn und Eigentümervertreter, Verkehrsministerium und die da in den Aufsichtsräten Anwesenden ist seit Jahrzehnten negativ für das System Eisenbahn.“ Nicht die Gewerkschaften seien für die Probleme der Bahn verantwortlich, sondern das Missmanagement. „Ich schäme mich dafür, aber ich habe nur bedingt die Möglichkeiten, das zu verändern.“

Weselsky will Verantwortliche der Bahn-Misere „vom Hof jagen“

Weselsky hat Jahrzehntelang für die Lokführer gekämpft. Dabei wollte er früher eigentlich zur See fahren. Darum hat er eine Ausbildung als Dieselmotorenschlosser gemacht. Während der Ausbildung hat er seine Meinung geändert: Er ging zur Reichsbahn. So hieß das damals in der DDR. Er hat gesehen, wie die Bahn immer schlechter wurde.

Heute sagt er: „Das System Eisenbahn ist zu retten, wenn wir endlich harte Entscheidungen treffen und die vom Hof jagen, die das System in den Zustand gebracht haben. Ich habe noch nie erlebt, dass Menschen, die durch Fehlentscheidungen das System in den Zustand gebracht haben, das System wieder in einen Besserungszustand bringen. Wer die Karre in den Dreck fährt, wird sie niemals rausziehen.“ Er verlangt, dass Bereiche wie Infrastruktur und Netzausbau von der Bahn abgekoppelt und in eine Anstalt des öffentlichen Rechts umgewandelt werden.

„Nieten in Nadelstreifen“, „Pfeifen“. So nennt Weselsky den Bahnvorstand. Der sei schuld am Niedergang des umweltfreundlichsten Verkehrsmittels in Deutschland. Aber haben Weselsky und seine Lokführergewerkschaft nicht auch dazu beigetragen? „Ein Streik, den wir über Tage durchführen, mehrfach hintereinander, lässt volkswirtschaftlichen Schaden entstehen“, sagt Weselsky. 300 Millionen Euro beim letzten Streik. „Dass der Bahnvorstand insgesamt mehrere Milliarden minus gemacht hat, steht dann dahinter. Was sie nicht beantworten ist, dass sie 50 Prozent Schuld daran sind, dass es zum Streik kommt.“

„Es ist ein erhebendes Gefühl, wenn Sie einen Zug fahren, mit 120 km/h und 2000 Tonnen am Zughaken. Da haben sie Macht. Das macht schon großen Spaß“, sagt Claus Weselsky. Diesen Spaß wird er so nicht mehr haben. Er will jetzt mehr für seine Familie da sein. Und er will mehr für seinen Körper tun. Seine Pläne: Den Spreewald erkunden, viel Yoga, und ganz viel Ayurveda. Und zwischendurch vielleicht mal in Interviews auf den Bahnvorstand schimpfen. (tsch)