Im Rostocker „Polizeiruf 110: Für Janina“ widmen sich die mitgenommenen Ermittelnden einem 30 Jahre zurückliegenden Mord- und Vergewaltigungsfall. Erhält der Täter diesmal seine gerechte Strafe?
„Polizeiruf 110“30 Jahre nach der Tat: Schnappen die Ermittelnden einen brutalen Vergewaltiger und Mörder?
Der „Polizeiruf 110“ hat sich längst auch im vereinigten Deutschland als traditionsreiche und ernstzunehmende Krimireihe etabliert. Als DDR-Pendant zum westdeutschen „Tatort“ 1971 vom Ostsender DFF ins Leben gerufen, blickt das Format auf eine ebenso ereignisreiche Mediengeschichte als Publikumsliebling zurück wie der „Tatort“.
Noch immer stehen dabei ostdeutsche Probleme und Befindlichkeiten im Fokus – und manchmal, wie im nun wiederholten Rostocker „Polizeiruf 110: Für Janina“ von 2018, sogar ganze Kriminalfälle aus der DDR.
„Polizeiruf 110“: Können die Ermittelnden einen 30 Jahre alten Mord aufklären?
Ein 30 Jahre zurückliegender Mord an einem Mädchen, das zuvor vergewaltigt wurde, wühlt die Ermittler emotional gehörig auf. Neben der schrecklichen Tat an sich, für die der Hauptverdächtige nie belangt wurde, beleuchtet der mitnehmende und persönlich erzählte Krimi auch die Polizeiarbeit in der DDR.
1988 lief im DDR-Fernsehen ein „Polizeiruf 110“ unter dem Titel „Kreuzworträtselfall“. Der Film beschäftigte sich mit einem der aufsehenerregendsten realen Kriminalfälle des „Arbeiter- und Bauernstaates“ – dem sieben Jahre zuvor verübten Missbrauch und Mord an einem Siebenjährigen in Halle/Saale.
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Um Vergewaltigung und Mord in der DDR geht es auch im „Polizeiruf 110: Für Janina“, dessen Hauptverbrechen Drehbuchautor und Regisseur Eoin Moore im Rostock des Jahres 1988 ansiedelt.
Damals, so die Geschichte, die man sich auf dem Rostocker Revier noch immer erzählt, wurde nach dem Besuch beim legendären Bruce-Springsteen-Konzert in Ost-Berlin die 15-jährige Janina auf dem Rückweg vom Bahnhof in Rostock brutal missbraucht und umgebracht.
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Rückblicke auf das Geschehen vor 30 Jahren liefert der außergewöhnliche Krimi allerdings nur in Form alter Videos, Fotos – und der emotionsgeladenen Erinnerungen der involvierten Protagonisten.
Einer davon ist Kommissar Röder (Uwe Preuss), der den Fall damals leitete und nicht aufklärte. Seither hielt ihn Janinas noch immer verzweifelte Mutter (Hildegard Schmahl), eine ehemalige Mitarbeiterin des Kommissariats, über Jahre dazu an, sich des Mordes an ihrer Tochter wieder anzunehmen.
Einblicke in DDR-Polizeimethoden
Während sich der einst an DDR-Bürokratie und fehlenden Beweisen gescheiterte Röder sträubt, gibt es für und Alexander Bukow und Katrin König nur eines: Die Ermittler, zankend und aufgewühlt verkörpert von Anneke Kim Sarnau und dem 2022 aus der Reihe ausgestiegenen Charly Hübner, wollen den Fall neu aufrollen.
Durch moderne DNA-Analyse wird bald klar: Der Ende der 80er-Jahre verdächtigte Guido Wachs (abgebrüht: Peter Trabner) war wirklich der Täter. Allein: Weil er wegen dieser Tat einmal vor Gericht stand und freigesprochen wurde, darf er dafür nicht noch einmal angeklagt werden.
Die Kommissare sind darüber ebenso wütend wie Janinas Mutter – und doch spielt der „Polizeiruf“ hier seine öffentlich-rechtliche Rolle, diese wichtige gesetzliche Regelung zu verteidigen.
Dabei wünschen sich Zuschauer und Charaktere nichts sehnlicher, als Janinas Mörder doch noch hinter Gittern zu sehen und die für jeden empathischen Menschen himmelschreiende Ungerechtigkeit zu beseitigen. Bleibt nur eines: Wachs muss für eine andere Tat dingfest gemacht werden.
„Polizeiruf 110“: Fassungslosigkeit und Wut dominieren ARD-Krimie
Angesichts der unfassbaren Tat – an einer Stelle als „wütende Vergeltungsvergewaltigung“ beschrieben – regieren in diesem mitreißenden „Polizeiruf“ hochemotionale Ausbrüche, Schimpftiraden und bisweilen auch die blanke Verzweiflung.
Über den frei herumlaufenden Mörder, der in aller Seelenruhe eine Familie gründen konnte. Über die Unfähigkeit, einen Vergewaltiger ins Gefängnis zu bringen. Über die Kriminalistenhände, die einem trotz stichfester Beweise gebunden sind. Gefordert wird dabei auch der Zuschauer, den die Handlung zwingt, zwischen hochkochender Wut und affektloser Akzeptanz des rechtlich Möglichen zu changieren.
Überaus interessant erweisen sich auch die Einblicke in die Polizei-Methoden – und den Alltag – der DDR, an der auch 30 Jahre später keiner der Involvierten vorbeikommt.
Von sozialistischen Besonderheiten („Das war mal der Ruheraum für Frauen – zu Ostzeiten“) über damalige Polizei-Tabus („Russischer Mörder und Vergewaltiger – das war in der DDR ja ausgeschlossen“) bis hin zu den handelsüblichen Ossi-Scherzen („Bruce Springsteen in Ost-Berlin? Das war sicher so ein Highlight wie Bananen im Konsum“). Auch darin besteht die Identität des „Polizeiruf“. (tsch)