Richard David Precht„Die nächste Regierung wird die schlechteste sein, die es je gab“

Richard David Precht wundert sich „extrem darüber, dass wir überhaupt noch Leute haben, die Bundeskanzler werden wollen“. (Bild: ZDF / Christian Bruch)

Richard David Precht wundert sich „extrem darüber, dass wir überhaupt noch Leute haben, die Bundeskanzler werden wollen“. (Bild: ZDF / Christian Bruch)

In seinem ZDF-Podcast mit Markus Lanz bricht Richard David Precht eine Lanze für die Grünen. Die Partei diene als „Prügelknabe“, viele Angriffe seien „übelster Stammtisch“. Für die Wirtschaft sieht der TV-Philosoph derart schwarz, dass er sich wundert, warum überhaupt noch jemand regieren will.

Das politische Beben bei den Grünen beschäftigt Richard David Precht und Markus Lanz in ihrem gemeinsamen ZDF-Podcast. Den Rücktritt der Parteivorsitzenden Omid Nouripour und Ricarda Lang findet Precht dabei deutlich weniger „historisch“ als den zeitgleichen Parteiaustritt von zehn Vorstandsmitgliedern der Grünen Jugend.

„Ich wüsste kein Beispiel aus der Geschichte der Bundesrepublik, dass eine Partei den Anschluss an ihre eigene Jugendorganisation verloren hat“, sagt der TV-Philosoph in der aktuellen „Lanz & Precht“-Ausgabe.

„Übelster Stammtisch“: Richard David Precht nimmt die Grünen in Schutz

Lanz will daraufhin wissen, wie es passieren konnte, dass die Grünen in der Ampel-Koalition „zum Prototypen der Hassfigur“ werden konnten. Precht sieht eine boulevardeske Vereinfachung am Werk: „Wenn es nicht gut läuft, braucht man einen Prügelknaben.“ Dass der Partei etwa fälschlich unterstellt werde, sie fordere ein Fleisch-Verbot, habe „Trumpsches Niveau“.

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Precht bricht eine Lanze für die Partei: „Die Grünen werden dadurch, dass sie versuchen, die ökologische Transformation in Deutschland voranzutreiben, völlig zu Unrecht angegriffen.“ Für misslungene Versuche wie das Heizungsgesetz könne man sie zu Recht kritisieren. „Aber dass wir diese Transformationen machen müssen, ist völlig unstrittig. Insofern muss man die Grünen in Schutz nehmen.“ Sie zur „Bevormundungs-Partei“ abzustempeln, sei hingegen „übelster Stammtisch“, auch vonseiten der CDU: „Das ist Unrecht, was ihnen da widerfährt.“

Richard David Precht und Markus Lanz sprechen in ihrem ZDF-Podcast über die Rücktrittswelle bei den Grünen und die Strukturprobleme der deutschen Wirtschaft. (Bild: ZDF / Christian Bruch)

Richard David Precht und Markus Lanz sprechen in ihrem ZDF-Podcast über die Rücktrittswelle bei den Grünen und die Strukturprobleme der deutschen Wirtschaft. (Bild: ZDF / Christian Bruch)

Als Lanz in dem Zusammenhang die immer offenkundiger werdenden Strukturprobleme der deutschen Automobilindustrie anspricht, erwidert Precht: „Der ökonomische Bedeutungsverlust Deutschlands hat mit der Ampel fast nichts zu tun.“ Den - so Precht - „mörderischen“ Preiswettkampf mit den chinesischen E-Autobauern könne Deutschland nur verlieren. „Insofern hat alles mal seinen Zenit überschritten“, resümiert der Bestsellerautor fatalistisch: „Da kannst du doch gar nichts gegen machen.“

Sein Podcast-Partner ist mit der Aussage nicht ganz einverstanden. Er macht eine mangelnde Veränderungsbereitschaft im Land aus. Wenn der Bundesfinanzminister Christian Lindner sage, er könne das Wort „Transformation“ nicht mehr hören, laute die Übersetzung für Lanz: „Es soll alles so bleiben, wie es ist.“ Der ZDF-Talker: „Ich frage mich, ob das Scheitern der Grünen-Spitze damit zu tun hat, dass die Grünen so ziemlich die einzige Partei sind, die ihrer Wählerschaft genau das zumutet: 'Wir meinen das ernst. Wir müssen uns verändern.'“

Precht wundert sich, dass überhaupt noch jemand regieren will

Aus dieser Veränderungsaversion heraus würden von den fehlenden Stromtrassen bis zum „exorbitant teuren Rentenpaket der SPD“ nach wie vor viele falsche Weichenstellungen vorgenommen. Auch in der Industrie: Dass der VW-Standort Wolfsburg mit seinen „teuren Jobs“ nicht mehr konkurrenzfähig sei, habe man schon seit vielen Jahren sehen können. Man habe sich mit den nun einbrechenden Gewinnen aus Exportgeschäften darüber selbst hinweggetäuscht. Lanz: „Es ist seit sehr langer Zeit absehbar, was in China passiert. Die Konzentration auf diesen Markt war womöglich ein Fehler.“

Precht stimmt zu, dass die entscheidenden Fehler - „wirtschaftlich und politisch“ - „vor mindestens 20 Jahren“ gemacht worden seien. Man hätte die Umstellung auf E-Mobilität vollziehen müssen „zu einem Zeitpunkt, als das alles lief wie geschmiert“. Die jetzige Regierung müsse diese Misere nun „auslöffeln“.

Aus diesem Grund wundert sich Precht „extrem darüber, dass wir überhaupt noch Leute haben, die Bundeskanzler werden wollen“. Denn: „Wer immer jetzt gewählt wird, wird sich anhören müssen, dass er noch schlechter ist, als die Ampel es war. Jede Regierung, die jetzt kommt, wird die schlechteste sein, die wir in Deutschland je hatten. Weil die Leute den jeweils Regierenden die Schuld für strukturelle Versäumnisse anlasten, für die sie nicht verantwortlich sind.“

Markus Lanz graust es vor der übernächsten Wahl, „wenn Merz nicht liefert“

Markus Lanz glaubt, dass ein Bewusstsein dafür auch bei der CDU vorhanden sei. In Gesprächen mit Unions-Politikern spüre er „ein Grummeln“, die aktuell starken Meinungsumfragen machten sie „nicht glücklich“. Lanz: „Die spüren, dass sich das ganz schnell ändern kann, spätestens dann, wenn du die nächste Wähler-Enttäuschung produzierst.“

Nachdem der deutschen Wirtschaft mit dem billigen russischen Gas und dem chinesischen Exportmarkt ihre wichtigsten Säulen wegbrächen, brauche es einen „neuen Plan für Deutschland“, findet der Talkshow-Gastgeber, und da laute die Frage: „Woher soll der kommen? Wenn Friedrich Merz - oder wer immer es dann sein wird - nicht liefert, weiß ich nicht, wie die übernächste Wahl ausgeht.“ (tsch)