Precht wettert gegen Christian Lindners „Ego-Trip“, für Lanz ist der FDP-Chef ein „Held“

Wenn es um Christian Lindner geht, sind sich Richard David Precht (links) und Markus Lanz nicht einig. (Bild: ZDF / Christian Bruch)

Wenn es um Christian Lindner geht, sind sich Richard David Precht (links) und Markus Lanz nicht einig. (Bild: ZDF / Christian Bruch)

Bei „Lanz & Precht“ herrscht Uneinigkeit: Während Richard David Precht dem entlassenen Finanzminister Christian Lindner puren Egoismus vorwirft, nimmt Markus Lanz den FDP-Chef in Schutz - und bezeichnet ihn gar als Helden, der „das eigene Scheitern“ in Kauf genommen hat.

Die US-Wahlnacht hat sich Richard David Precht „stundenlang angetan“. Sein Fazit: „So spannend war's nicht.“ Für mehr Diskussionsstoff sorgt in der aktuellen Ausgabe des ZDF-Podcasts „Lanz & Precht“ das, was sich in den vergangenen Tagen in Berlin abgespielt hat.

Seine Fassungslosigkeit über das Vorgehen des nun geschassten Finanzministers Christian Lindner (FDP) bringt Precht deutlich zum Ausdruck. Er versucht, den Gedankengang des Politikers nachzuvollziehen: „Ich mache ein Papier, das nichts mit Koalitionsabsprachen zu tun hat, das keinerlei Rücksicht auf die Koalitionspartner nimmt. Ich möchte einen Sozialabbau. Ich möchte, dass das Klimathema keine große Rolle mehr spielt, ich möchte Steuererleichterungen für die Besserverdienenden.“

Lindner habe „ein reines neoliberales Papier“ geschrieben „in einem Deutschland, das heute dadurch bedroht ist, dass die Mittelschichten absteigen, dass das soziale Klima sich verschlechtert, dass eine Spaltung droht. In dieses explodierende Haus werfe ich noch mal ein Papier rein, das einer Bombe gleichkommt.“

Lindners Verhalten sei für den TV-Philosophen nur schwer nachvollziehbar: „Warum macht man so was? Man macht das, damit man rausgeschmissen wird. Das ist die einzige Erklärung, die ich dafür habe.“ Der FDP-Vorsitzende habe, mutmaßt Precht, einen „wirkungsvollen Abgang“ inszenieren wollen. „Wenn ich damit recht habe, wäre das der größte Ego-Trip, den sich ein Minister in Deutschland je geleistet hat.“

Markus Lanz ist verblüfft: „Das ist hart, was Du da gerade formulierst“

Die Ampel-Koalition ist geplatzt. Was denken Richard David Precht (links) und Markus Lanz darüber? (Bild: ZDF / Christian Bruch)

Die Ampel-Koalition ist geplatzt. Was denken Richard David Precht (links) und Markus Lanz darüber? (Bild: ZDF / Christian Bruch)

Markus Lanz scheint verblüfft ob einer solchen Unterstellung. „Das ist hart, was du da gerade formulierst“, rügt er seinen Podcast-Partner und hakt nach: „Ich bin mir nicht sicher, ob du recht hast. Natürlich war das eine Provokation, keine Frage. Aber: Du nimmst ihm sozusagen die echte Sorge ums Land nicht ab?“

Precht bleibt bei seiner Einschätzung: Dass Lindner „in einer Situation, wo wir vor der Herkules-Aufgabe stehen, uns als Deutschland und Europa neu zu erfinden“ auf „so eine bockige Art und Weise die Koalition platzen“ lasse, spreche nicht dafür, dass er sich um Deutschland sorge. „Da sehe ich nur eine Sorge um sich selbst. Würde ja auch zur Partei ganz gut passen“, poltert Precht weiter.

Auch, dass das 18-seitige Grundsatzpapier an die Öffentlichkeit gelangt sei, mache den Schriftsteller stutzig. „Ist doch schon merkwürdig, dass dieses Papier vor ein paar Tagen heimlich, ohne dass Lindner irgendwas davon wusste, dem 'Stern' zugespielt wurde.“ Sarkastisch fügt Precht hinzu: „Natürlich hat er dieses Papier nur gemacht, um es mit einem ganz kleinen Kreis zu besprechen. Gibt es irgendjemanden, der das glaubt? Glaubst du, Christian Lindner glaubt sich selbst, wenn er das sagt?“

„Nein“, lacht nun auch Markus Lanz, „natürlich glaubt das kein Schwein.“ Auch der ZDF-Talker, der selbst bereits am Sonntag „erstmals sehr konkret den Hinweis bekommen“ habe, dass in der Regierung „etwas passieren“ werde, ist sicher: „Das Ding sollte das Licht der Öffentlichkeit erreichen. Natürlich war das auch als Provokation gedacht.“ Dennoch glaubt Lanz, dass Lindner schlichtweg auch erkannt habe, „dass was passieren muss“ - ein Einwand, den Precht nicht gelten lässt.

Lanz: „Komme mir ein bisschen komisch vor, wenn ich Christian Lindner verteidigen muss“

„Das Umlagesystem, so wie es bisher finanziert ist, hat keinerlei Zukunft mehr. Aber das fällt einem doch nicht plötzlich nach drei Jahren auf. Das ist ein Problem, auf das wir seit 20 Jahren zielstrebig immer dramatischer zusteuern, und keine Regierung traut sich richtig dran.“ Zudem habe Christian Lindner „auch keinen konstruktiven Vorschlag gemacht, um das Rentensystem tatsächlich zu retten“.

Dem stimmt Lanz zu - wenn auch nicht uneingeschränkt: „So, wie Du ihn gerade beschreibst, wird Christian Lindner immer mehr zum Helden. Das ist der Held, der sich traut, ranzugehen und zu sagen: Ich benenne jetzt diese Punkte sogar zum Preis des eigenen Scheiterns.“ Während Richard David Precht glaubt, dass „das Scheitern gewollt“ sei und Lindner schlichtweg „nicht ins Ampel-Chaos und das unglaublich schlechte Image der Ampel mit reingezogen werden“ wolle, springt Markus Lanz abermals für den Ex-Finanzminister in die Bresche.

„Das ist keine große Liebe zwischen Christian Lindner und mir, das ist ja auch öffentlich bekannt. Deswegen komme ich mir auch ein bisschen komisch vor, wenn ich jetzt Christian Lindner verteidigen muss, aber ich will es“, erklärt er. Lindners Forderungen nach einer Strukturreform seien gut und richtig: „Ich will ihn verteidigen, weil ich finde, da hat er in diesem Papier ein paar sehr entscheidende, gute Dinge aufgeschrieben.“

Laut Lanz zähle vor allem eines: „Selbst, wenn alles stimmt, was du sagst - da will einer einen geschmeidigen, cremigen Abgang machen, weil er mit dem Rücken zur Wand steht. Dennoch bleibt dann die Tatsache, dass er sich in der Sekunde hinstellt und sagt: 'Hier sind 18 Seiten, woran ich wirklich glaube. Und ich bin felsenfest davon überzeugt, dass es diese Medizin ist, die dieses Land gerade so dringend braucht.'“ (tsch)