Schauspielerin Sabine Postel hat über ihren neuen „Inga Lindström“-Film und ihre umjubelte Rückkehr ans Theater gesprochen. Und darüber, warum sie mit ihrem Beruf auch mal hadert.
„Jetzt erst Recht!“Sabine Postel stört das Alter nicht – aber bei diesem Satz packte sie die Wut
Sie ist die Besondere: Seit 50 Jahren steht Sabine Postel (70) auf der Bühne oder vor der Kamera, die meisten Jahrzehnte davon mit ungeheurem Erfolg. Doch die Kölnerin – Tochter von WDR-Legende Kurt Postel – lebt davon unberührt: keine Skandale, keine Klatschgeschichten, keine Schlagzeilen.
Gerade wird sie im Kölner Theater am Dom mit Standing Ovations für „Auf ein Neues“ gefeiert, ihre ARD-Serie „Die Kanzlei“ fährt die besten Quoten ein – und als Weihnachtsgeschenk für Fans gibt es jetzt ihren Inga-Lindström-Film „Sag einfach ja“ (am 29. Dezember im ZDF).
Inga Lindström steht für heile Welt und Happy End – für manche ist das zu traumtänzerisch. Was hat am Drehbuch für „Sag einfach ja“ gereizt?
Sabine Postel: Die Menschen wollen auch mal abschalten
Sabine Postel: Ich glaube, dass so eine Form in unserer heutigen Zeit, die so sehr von Schrecklichem beherrscht wird, seine Existenzberechtigung hat. Die Leute wollen abends auch mal abschalten und haben ein Anrecht darauf, nicht nur schlimme Nachrichten zu erfahren.
Was gefällt Ihnen an der Rolle?
Sabine Postel: Sie war für mich was ganz Besonderes, weil ich normalerweise nicht mit Oma-Rollen besetzt werde. Das hat mir Spaß gemacht. Ich habe extra noch was draufgelegt, die Haare zusammengemacht und zum ersten Mal mit Brille gespielt.
Ihr junger Mitspieler ist der schmucke Jan Hartmann. Nicht mal das Gefühl gehabt: Ach, an dessen Seite wäre ich im Film auch sehr gern – wäre ich doch 50 Jahre jünger…
Sabine Postel: Nein, ich bin gut im Verdrängen, Alter stört mich nicht. Ich bin in meinem ganzen Auftreten und Verhalten sowieso so, dass mich die anderen nicht als altes Mütterchen empfinden. Dazu kommt, dass ich mit meinen Rollen altern durfte, erst 22 Jahre im „Tatort“, jetzt bisher 16 Jahre in „Die Kanzlei“. Also habe ich da kein Problem, und die Zuschauerinnen auch nicht, weil sie bei mir mitverfolgen können, wie die Falten entstehen.
In Köln haben wir das große Glück, Sie nach über 30 Jahren Theater-Abstinenz wieder auf der Bühne erleben zu können. Wie haben Sie sich vor der ersten Premiere nach so langer Zeit gefühlt?
Sabine Postel: Nicht gut. Mir war Wochen vorher schlecht, je näher der Premierenabend kam, desto schlimmer wurde es. Ich fragte mich: „Auf was hast du dich da eingelassen? Du musst jeden Abend zwei Stunden voll durchpowern, egal, wie es dir geht. Du bist doch keine 20 mehr!“ Und noch während der Proben dachte ich: „Lieber Gott, lass irgendwas passieren, damit ich nicht spielen muss!“ Aber ich habe zwei tolle Kollegen, die mir guttun. Mit ihnen kann mir nichts passieren. Jetzt macht es nur Spaß! Fast jeden Abend Standing Ovations, das tut gut. Gut ist auch, dass das Stück zwar witzig, aber nicht blöd ist.
Was ist die wichtigste Botschaft von „Auf ein Neues“?
Sabine Postel: Dass wir über unseren Tellerrand auf die Leute gucken müssen, denen es nicht so gut geht. Dass wir ihnen mit Liebe begegnen sollten und nicht mit Arroganz, wie die Figur, die ich spiele.
Sie sind jetzt in der Weihnachtspause, fangen am 28. Dezember aber mit zwei Vorstellungen wieder an. Wo sind Sie zwischendurch?
Sabine Postel: Ich bin mit meiner Mama, die inzwischen auch schon 95 ist, bei meinem Sohn Moritz und seiner Familie in Schottland. Da gibts endlich ein Wiedersehen mit meiner entzückenden Enkelin, der kleinen Elouise, die bald drei Jahre alt wird.
Lassen Sie uns bitte die Zeit zurückdrehen: Vor 60 Jahren, mit zehn, waren Sie vor dem Mikro im WDR-„Kinderfunk“, damals mit Marius Müller-Westernhagen, mit dem Sie oft ein Geschwisterpaar spielten. Waren Sie ein Kinder-Star?
Sabine Postel: Nein, das war nicht so schlimm wie heute. Damals wurde mein Vater gefragt: ‚Hat die Bine nicht mal Lust auf Probeaufnahmen?‘ Hatte ich. Bei Marius, dessen Vater ein sehr guter Schauspieler am Düsseldorfer Schauspielhaus war, war es ähnlich. Und wenn jemand gut war, nahmen sie ihn wieder.
Ist damit Ihr Appetit auf die Schauspielerei gekommen?
Sabine Postel: Ich fand es gut, dass man mit so viel Freude Geld verdienen kann. Mein Vater, der selbst im Theater groß geworden, wollte mich erst davon abbringen: „Du magst noch so begabt sein, aber es gehört immer 50 Prozent Glück dazu. Du bist fremdbestimmt und kannst nur selten selbst entscheiden, welchen Weg du einschlägst. Du bist immer darauf angewiesen, dass dir jemand was anbietet.“ Er hat mich nicht überzeugt, aber ich bot ihm einen Deal an: „Entweder ich werde sofort an der Schauspielschule in Bochum genommen, oder ich studiere Journalismus.“ Ich bin Schauspielerin geworden.
Sabine Postel: Ich war immer widerborstig und nicht anschleimend
Würden Sie mit dem Wissen von heute und im Alter von damals noch mal Schauspielerin werden wollen?
Sabine Postel: Ich glaube nicht. Ich habe viel Glück gehabt. Ich hadere nicht mit dem, was ich mache – aber, wenn ich das alles geahnt hätte, wer weiß, ob ich den Beruf genommen hätte. Ich bin immer ein kritischer, widerborstiger, selbstständiger Mensch gewesen, so bin ich erzogen worden. Wenn ich mich angepasster, anschleimender verhalten hätte, wäre ich vielleicht weitergekommen.
Sie sind doch ganz oben. Sie waren 15 Jahre „Tatort“-Kommissarin – zu einer Zeit, in der das noch als „Ritterschlag“ galt – und jetzt eine der erfolgreichsten Frauen im deutschen Fernsehen …
Sabine Postel: Es gab auch Tiefpunkte. Zum Beispiel habe ich vor 40 Jahren in London die große Serie „The Brief“ gedreht, zwei Jahre lang, eine Hauptrolle mit fast 30 Folgen. Ich hätte weitermachen können, aber mich hat nach zwei Jahren das Heimweh nach Hause getrieben. Ich wollte zu meinen Eltern, ich wollte zu meinem Hund. Wenn ich mich nicht so allein gefühlt hätte, hätte eine große Karriere draus werden können. Als ich zurückkam, glaubte ich, ich hätte es geschafft. Doch hier hieß es: „Was Sabine in England gemacht hat, interessiert uns hier in Deutschland überhaupt nicht!“
So ging es vielen, die mal woanders waren ...
Sabine Postel: Stimmt! Wenn man des Berufs wegen ins Ausland ging, wurde einem hinterhergerufen: „Wir sind ihr hier wohl nicht gut genug?!“ So ging es damals auch Romy Schneider oder Hildegard Knef. Ich habe nach London erst mal kleine Brötchen gebacken, nur winzige Rollen gespielt. Zum Glück hatte ich den WDR, bei dem ich viele Features gelesen habe. Das hat mich gerettet. Zwischendurch habe ich mir immer überlegt, ob ich nicht den Beruf wechsle.
Wann haben Sie erstmals gedacht, dass Sie am Ziel Ihrer Träume sind?
Sabine Postel: Vielleicht war es der „Tatort“, der damals als Ritterschlag bewertet wurde. Bis dahin habe ich fast nur erfolgreiche Mütter gespielt. Anfang der 90er war es „Nicht von schlechten Eltern“, dann viele andere Sachen, schließlich die „Nesthocker“, dann kam schon „Tatort“. Wenn man da einsteigen konnte, hatte man die höheren Weihen. Das war anders als heute. Heute will jede Stadt ihr „Tatort“-Team haben, und man sieht die Schauspieler einige Male, dann steigen sie aus, weil die Bücher schlecht sind.
Fünf Jahre ohne „Tatort“. Wie denken Sie heute über Ihren Ausstieg?
Sabine Postel: Es war die richtige Entscheidung. Ich dachte, lieber selbst „Tschüss!“ sagen, wenn die Beliebtheit noch groß ist, ehe ich irgendwie abserviert werde.
Man sagt, Alter sei in Ihrem Beruf nicht immer vorteilhaft, erst recht nicht für Frauen…
Sabine Postel: Stimmt, das ist nicht viel besser geworden. Als ich im Fernsehen anfangen wollte, sagte mir der damalige Chef einer Agentur: „Frau Postel, das lassen Sie mal. Sie sind schon 29 – damit sind Sie viel zu alt.“ Da habe ich solche Wut gekriegt und gesagt: „Jetzt erst recht!“ Jetzt gehöre ich zum Glück zu den Frauen, die in meinem Alter noch genug Arbeit haben, da gibt es nicht viele. Das geht schon ab Mitte 40 los, bei Männern fängt das 15 Jahre später an.
Wie kommt es?
Sabine Postel: Es gibt generell nur wenig Frauenrollen. Und die Frauen waren in vielen Werken oft nicht viel mehr als dekorative Elemente, sie mussten jung und hübsch sein, oder sie waren irgendwelche schrecklichen Altweiberchen. Es betrifft immer noch viele Kolleginnen, die gut sind, aber trotzdem nichts zu tun haben. Das ändert sich inzwischen etwas – aber man muss immer noch dafür kämpfen.
Sabine Postel: Ihren Mann verlor sie früh an den Krebs
Sabine Postel (geboren am 10. Mai 1954 in Neustadt am Rübenberge) ist die Tochter von Gisela Postel (95) und WDR-Legende Kurt „Kuddel“ Postel (1928 –2017). Von 1971 bis 1974 besuchte sie die Schauspielschule Bochum. Erste Engagements in Oldenburg, Essen und am Schauspiel Köln. TV-Debüt 1982 mit „Die Aufgabe des Dr. Graefe“.
Erste Hauptrolle 1986 in „Der Antrag“ (Jakob-Kaiser-Preis). Große TV-Serien: „Nicht von schlechten Eltern“ (1993 – 1996), „Nesthocker“ (1999 – 2002), Bremer „Tatort“ (1997 – 2019). Seit 2008 in „Der Dicke“/„Die Kanzlei“ zu sehen. Sabine Postel heiratete 1991 den Journalisten Otto Riewoldt (er starb 2003 mit 52 Jahren an Krebs). Der gemeinsame Sohn Moritz Riewoldt (32) lebt und arbeitet in Schottland.