Sänger Nino de Angelo spricht offen über Quälereien beim Singen und über den Konsum von Koks und Alkohol. Ersterem hat er abgeschworen, dem Whisky und Co. aber nicht ...
Nino de AngeloSchlagerstar gesteht: „In manche Texte muss ich mich eben hineintrinken“
Höchste Höhen erklommen, in die tiefsten Schluchten abgestürzt, Schampus geschlürft, in die Sch… gegriffen. Nino de Angelo (60), Schlagerstar aus Köln-Zollstock, hat vieles von dem erlebt, was eine ganze Netflix-Staffel tragen könnte: Schnelle Autos, schneller Schrott. Millionen auf dem Konto, leere Taschen. Hits, Flops. Viermal verheiratet, viermal geschieden. Immer wieder lebensbedrohende Krankheiten.
Doch er macht unentwegt weiter: Mit seinem Album „Von Ewigkeit zu Ewigkeit“ ist er wieder in den Charts gelandet. Im großen EXPRESS-Gespräch öffnete er sein Herz!
Nino de Angelo über Alkoholkonsum: „Trinken ist bei mir konstruktiv“
„Von Ewigkeit zu Ewigkeit“ wird von Fans und Kritikern gefeiert. Viel Lob nach über 40 Jahren Show-Karriere – was ist Ihr Erfolgsrezept?
Nino de Angelo: Es wird daran liegen, dass die Songs musikalisch und inhaltlich endlich eine Einheit bilden. Sie basieren nicht mehr nur auf Melodie und Gesangskunst. Und das, worüber ich singe, ist authentisch. Das bin ich, das ist mein Leben – musikalisch und textlich. Jetzt bin ich da, wo ich hinwollte.
Was war vorher anders?
Nino de Angelo: Ich musste beim Singen lange Zeit an meine Grenzen gehen, hatte manchmal sogar Riesenängste vor Auftritten. Ich fühlte mich misshandelt, weil ich meine komplette Stimmbreite benutzen musste, von ganz unten nach ganz oben. Richtige Stimmakrobatik. Es ging vor allem darum, wie ich sang. Was ich sang, war oft egal.
Im Vorfeld unseres Gesprächs haben Sie gestanden, dass Sie Ihre Alkohol-Trockenphase beendet haben und wieder trinken. Welche Rolle spielt der Alkohol beim „neuen Nino“?
Nino de Angelo: Trinken ist bei mir konstruktiv, bei Whisky oder Wein schreibt es sich leichter. Alkohol beflügelt mich, er reißt die Barrieren im Kopf ein. Wenn ich über Themen schreiben möchte, die ganz in die Tiefe der Seele liegen, funktioniert das nur, wenn ich mich ein Stück weit hineintrinke. Aber nur in Maßen, ich schieße mich nicht komplett weg.
Schon mal morgens aufgewacht, auf dem Tisch eine leere Flasche und ein Blatt mit unleserlichem Gekrakel?
Nino de Angelo: Nein. Aber manchmal komme ich morgens ins Studio und denke: Oh, wie sieht es denn hier wieder aus? Ein voller Aschenbecher, eine leere Weinflasche, eine halbleere Flasche Whisky. Und dann schaue ich mir an, was ich am Abend geschrieben habe und bin total begeistert!
Aber damit sind Sie kein gutes Beispiel für andere ...
Nino de Angelo: Stimmt. Ich wollte, ich könnte ohne. Was das angeht, bin ich kein gutes Vorbild, und was ich mache, soll mir bitte keiner nachmachen. Aber für mich passt es, deswegen mache ich es.
Erster Hit des Albums war „Mein Kryptonit“, in dem Sie Ihre Kokain-Erfahrungen verarbeiten. Ist das Thema Koks für Sie durch?
Nino de Angelo: Unbedingt. Das tue ich mir nicht mehr an. Das habe ich lange genug konsumiert.
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Vor 40 Jahren veröffentlichten Sie Ihr „Jenseits von Eden“. So früh in der Karriere so ein Millionenhit – Fluch oder Segen?
Nino de Angelo: Beides. Es war ein Riesenglück, dass der Song damals auf meinem Tisch landete, nicht z. B. bei Roland Kaiser, der das auch hätte singen können. „Jenseits von Eden“ hat mir immer geholfen, meine Miete zu bezahlen und meine Brötchen zu verdienen. Er ist zur Rente geworden. Aber so ein Riesenerfolg in jungen Jahren kann das Leben schnell durcheinander wirbeln. Und so war es bei mir.
Erzählen Sie bitte ...
Nino de Angelo: Ich bin in bescheidenen Verhältnissen in Köln-Zollstock aufgewachsen, hatte plötzlich fast eine Million auf dem Konto. Ich war 19 und hatte auf einmal gefühlt 100.000 neue Freunde, alle fanden mich nur toll. Auch für meine musikalischen Partner war ich vor allem der Goldesel. Wie es mir ging, war ihnen egal. Als es dann bergab ging, schrumpfte die Zahl sehr schnell – es blieb nur eine Handvoll übrig, aber die stand zu mir.
Nino de Angelo: Größter Hit war Reminiszenz an James Dean (†)
Sie haben damals am Text mitgeschrieben. Wie kamen Sie auf den Titel „Jenseits von Eden“?
Nino de Angelo: Es war eine Erinnerung an Hollywoodstar James Dean, der 1955 mit seinem Porsche ums Leben gekommen war. Als ich mit 18 meinen ersten eigenen Porsche im Tunnel vor der Kölner Zoobrücke zu Schrott gefahren hatte und mir schon vier Wochen später einen neuen kaufte, meinte einige, ich würde eines Tages so enden wie Dean. Ich beschäftigte mich deswegen mit seinem Schicksal, stieß auf den Titel seines größten Film-Erfolgs und wusste, dass der richtig fürs Lied war.
40 Jahre voller Schlagzeilen, Pleiten, Süchte, Krankheiten. Warum haben Sie alles so öffentlich gemacht?
Nino de Angelo: So etwas muss raus, das kann man nicht bunkern. Ich weiß noch, wie schnell meine erste Krebs-Erkrankung in die Schlagzeilen kam. Ich war 32, so jung, hatte das meinen engsten Freunden erzählt, doch unter diesen war einer, der gut mit einem Journalisten befreundet war. Schon war es draußen! Jetzt erzähle ich solche Dinge lieber selbst, bevor irgendjemand was dazu erfindet.
Jetzt sind Sie wieder oben. Keine Probleme mit Ihrer COPD-Erkrankung?Nino de Angelo: Ich habe mit dem Verlauf der Krankheit viel Glück. Seit der Diagnose hat sich nicht viel verschlechtert. Ich brauche kein Sauerstoffgerät hinter der Bühne. Ich werde den Verlauf so aufbauen, dass die Band länger spielt und meine Stimme eine Pause einlegen kann. Außerdem gibt es ja immer viel zu erzählen.
Schon mal dran gedacht, sich wie Roland Kaiser eine Lunge transplantieren zu lassen?
Nino de Angelo: Als man mich aufgeschnitten hatte, um meine Bypässe zu setzen, habe ich mir geschworen, dass ich das nicht noch mal bei mir zulasse. Bei einer Lungentransplantation muss man sich ein paar Rippen wegmachen lassen. Ich möchte nicht, dass mir Teile entnommen werden.
Sie wurden im Dezember 60. Was bedeutet Ihnen das?
Nino de Angelo: Es ist eine große Zahl. Doch wenn ich Kollegen wie Roland Kaiser oder Peter Maffay sehe, die weitergemacht haben, denke ich, dass ich das auch schaffe. Ich werde allerdings nur weitermachen, wenn der Erfolg bleibt. Wenn ich merke, dass es bergab geht, ziehe ich mich zurück. Und ich möchte nicht bis zum letzten Tag arbeiten und eines Tages von der Bühne getragen werden.
Wie stellen Sie sich Ihr Leben im Alter vor?
Nino de Angelo: Es soll in einem alten Landhaus in Italien sein, unter einem schattenspendenden Olivenbaum, mit meiner Simone an meiner Seite. Zurzeit ist das kein Thema für mich. Der aktuelle Erfolg hat mich gepusht. Ich bin endlich mal ein bisschen glücklich. Trotzdem: Ich hätte das alles gern ein paar Jahre früher gehabt.
Nino de Angelo: Das Schicksal meint es nicht nur gut mit ihm
Nino de Angelo (geboren am 18. Dezember 1963 als Domenico Gerhard Gorgoglione in Karlsruhe) kam mit zehn Jahren nach Köln. 1982 sein erster Single-Erfolg „Ich sterbe nicht noch mal“. 1983 dann der Megahit „Jenseits von Eden“. 1989 startete er beim Eurovision Song Contest mit „Flieger“ (14. Platz, produziert von Dieter Bohlen). Mitte der 90er war er bei der „Tabaluga und Lilli“-Tournee von Peter Maffay dabei.
1995 wurde bei ihm Lymphknotenkrebs diagnostiziert. 2005 dann die Privatinsolvenz. 2009 kam die Immunschwächekrankheit ITP (Entfernung der Milz, Chemotherapie) hinzu, 2016 eine Herz-Notoperation, zwei Bypässe mussten gelegt werden. Seit 2016 leidet Nino unter der Lungenerkrankung COPD. Er war viermal verheiratet, hat zwei Kinder aus erster Ehe (leben beide in Köln). 2017 wurde er zum dritten Mal Vater. Mit Simone Lux wohnt er auf einem Pferdehof im Allgäu.