Shirin David ist „schlau aber blond“Das sind die Musik-Highlights der Woche

„Schlau aber blond“, so nennt Shirin David ihr drittes Studioalbum. (Bild: Amber Asaly)

„Schlau aber blond“, so nennt Shirin David ihr drittes Studioalbum. (Bild: Amber Asaly)

Tocotronic, Thom Yorke mit Mark Pritchard und Shirin David, die auch auf ihrem dritten Album „Schlau aber blond“ wieder offensiv (und clever?) mit ihren Reizen spielt: Erfahren Sie hier, was neu, wichtig und hörenswert ist in der Welt der Musik.

Was sie macht, gefällt nicht jedem, aber sie gehört zweifellos zu den erfolgreichsten deutschen Künstlerinnen der Gegenwart: Nachdem sie mit „Bauch Beine Po“ den Sommerhit 2024 landete, legt Shirin David jetzt mit ihrem dritten Studioalbum „Schlau aber blond“ nach. Neues und Hörenswertes gibt es außerdem von den Indierock-Ikonen Tocotronic und Radiohead-Frontmann Thom Yorke, der einen neuen Song mit Mark Pritchard aufgenommen hat.

Shirin David - Schlau aber blond

Zugänglicher als sonst, aber immer noch mit vielen klugen Gedanken: So präsentieren sich Tocotronic auf ihrem neuen Album „Golden Years“. (Bild: Noel Richter)

Zugänglicher als sonst, aber immer noch mit vielen klugen Gedanken: So präsentieren sich Tocotronic auf ihrem neuen Album „Golden Years“. (Bild: Noel Richter)

„Schlau aber blond“ - äh, was? Man mag ihre Musik, ihre Videos und die ganze Art, wie sie sich präsentiert, für plump, wenig vorbildhaft und vielleicht auch ein bisschen dümmlich halten. Derlei Kritik findet sich im Netz und im Feuilleton zur Genüge. Aber mit dem Albumtitel erzeugt Shirin David dann doch schon wieder so einen Moment, in dem man zumindest ein paar Sekunden lang grübelt und am Ende vielleicht auch nicht richtig dahinterkommt: „Schlau aber blond, was soll das bedeuten?“

Viel Zeit, um sich hineinzudenken, ist da nicht, zumindest nicht während des Hörens. „Schlau aber blond“ kommt auf eine Spielzeit von gerade einmal 32 Minuten - mit satten 14 Songs, von denen kein einziger die Drei-Minuten-Grenze überschreitet. Shirin David, die zuletzt ihr Faible für schmissige 90er-Pop-Ästhetik entdeckt hat, singt von „Atzen & Barbies“ (featuring Ski Aggu), feiert sich mal wieder als „Rich Girl“ und „It Girl“, trainiert „Bauch Beine Po“. Mit letzterem Titel, der als Single bereits im Sommer 2024 die Charts stürmte, stellte die 29-Jährige einen neuen Rekord als Künstlerin mit den meisten Nummer-eins-Hits in Deutschland auf (insgesamt sieben).

Nicht nur an Shirin David als Pop-Persönlichkeit, auch an der Musik selbst wird grundsätzliche Kritik am Ende wieder abprallen. „Machst du die Stimme bisschen höher, den Ausschnitt ein Stück tiefer / Werden Augen immer größer und Männer primitiver“, singt David im Titeltrack, in dem sie sich als kleines Dummchen stilisiert und so genau das bekommt, was sie will. Es bleibt dabei, auch beim dritten Album der derzeit vielleicht angesagtesten deutschen Musikerin: Ein möglicher doppelter Boden ist nicht mit absoluter Gewissheit auszuschließen. Und wenn „schlau“ bedeutet, aus dem eigenen Potenzial den größtmöglichen Erfolg herauszuholen, dann ist Shirin David auf jeden Fall sehr schlau.

Tocotronic - Golden Years

Thom, bist du's? Natürlich nicht: Statt der Musiker Mark Pritchard und Thom Yorke (Radiohead) ist im Video zu „Back In The Game“ eine bunt kostümierte Parade zu sehen. (Bild: Warp Records)

Thom, bist du's? Natürlich nicht: Statt der Musiker Mark Pritchard und Thom Yorke (Radiohead) ist im Video zu „Back In The Game“ eine bunt kostümierte Parade zu sehen. (Bild: Warp Records)

„Man kann den Titel als einen goldenen Hoffnungsschimmer in dunkler Zeit lesen und ein bisschen lakonisch elegant in Bezug auf das eigene Älterwerden. Man kann ihn aber auch als fast schon ein bisschen sarkastisch der Gegenwart gegenüber lesen“, erklärt Sänger Dirk von Lowtzow im Interview mit der Nachrichtenagentur teleschau. Ja, bei Tocotronic konnte man schon immer eine Menge hinein- oder herauslesen. Kluge Musik für ein kluges, anspruchsvolles Publikum. Auch auf „Golden Years“ sind da wieder viele Denker-Gedanken, viele poetische Momente. Schwere Themen. Aber auch eine Zugänglichkeit, die bei dieser Band nicht immer selbstverständlich war.

Eröffnet wird das 14. Studioalbum der Hamburger Indierock-Ikonen mit zwei Liedern, die vom Ende handeln (“Der Tod ist nur ein Traum“, „Bleib am Leben“). Auch später geht es wiederholt um Vergänglichkeit. Sie sind halt alle nicht mehr die Allerjüngsten. Als Konzeptalbum über den Tod soll „Golden Years“ aber ausdrücklich nicht verstanden werden, weil Tocotronic sich für große übergeordnete Konzepte oder „geschlossene Systeme“ allgemein nicht mehr so sehr interessieren. Stattdessen: lieber etwas mehr Offenheit und Lockerheit, inhaltlich wie auch musikalisch. Oder anders: mehr Kann, weniger Muss. Diese goldenen Jahre stehen den Tocos gut zu Gesicht, bei den Fans wird auch diese Platte ihre Wirkung nicht verfehlen.

Mark Pritchard & Thom Yorke - Back In The Game

Alles, nur keine neue Radiohead-Musik? 2016 brachte Thom Yorke mit seiner Hauptband das Album „A Moon Shaped Pool“ auf den Markt, seitdem warten Fans, dass die Avantgarde-Rock-Ikonen endlich wieder ins Studio zurückkehren. Die Rufe werden von Jahr zu Jahr lauter, aber Yorke widmet sich lieber anderen Dingen - vielleicht auch, weil die nicht mit den ganz großen Erwartungen verbunden sind. Auch mit seinem neuesten musikalischen Lebenszeichen scheint Thom Yorke sein Glück wieder in der musikalischen Nische zu suchen.

2019 veröffentlichte Yorke sein letztes reguläres Soloalbum „Anima“, 2024 trieb er mit Radiohead-Kollege Jonny Greenwood und Tom Skinner das Nebenprojekt The Smile voran (“Cutouts“) und schrieb Musik für das italienische Drama „Confidenza“ (wovon aber jenseits der italienischen Filmszene kaum jemand Notiz nahm). Jetzt präsentiert der Brite wieder etwas ganz anderes, eine neue Single, die in Zusammenarbeit mit dem Musiker und DJ Mark Pritchard entstand.

2016 nahmen Yorke und Pritchard schon einmal gemeinsam Musik auf (der Song „Beautiful People“ für Pritchards Album „Under The Sun“), ihre neue Kollaboration heißt „Back In The Game“: ein sphärisches, entrücktes Elektro-Stück mit vielen technischen Spielereien. Yorkes Gesang wurde dabei unter anderem mit einem H910 Harmonizer verzerrt, einem legendären Effektgerät aus den 70-ern. Auch sonst hält sich der 56-Jährige in „Back in the Game“ wieder halb versteckt: Statt Yorke oder Pritchard ist im kunstvollen Musikvideo zu dem Song eine bunte Parade von Kostümierten mit riesigen Masken zu sehen. (tsch)