2021 wurde ein perfider psychologischer Thriller aus Korea sensationell zur größten Netflix-Serie aller Zeiten. Weil die Macht des Geldes nicht nur in der Fiction, sondern auch in der Realität wirkt, musste „Squid Game 2“ kommen. Der Sieger des ersten Spiels will nun den Machern das Handwerk legen.
„Squid Game 2“Die Macht des Spiels
Die erste Staffel der koreanischen Netflix-Serie „Squid Game“ brach gleich mehrere Rekorde. Vier Wochen nach ihrer Veröffentlichung 2021 wurde die perfide Thriller-Serie um 456 arme Schlucker, die in einem mysteriösen Spiele-Camp um eine gigantische Geldsumme und das Überleben kämpfen, von 142 Millionen Netflix-Konten angesehen. Schätzungen zufolge könnten bis zu 400 Millionen Menschen weltweit die Serie gesehen haben. Bei den 74. Primetime Emmys wurde sie mit sechs Awards prämiert, unter anderem räumten Lee Jung-jae als „Bester Hauptdarsteller“ und Hwang Dong-hyuk als erster Asiate für die „Beste Regie“ ab. Die wichtigste Zahl könnte jedoch jene eine Milliarde Dollar sein, die das Unternehmen Netflix durch „Squid Game“ - auch dies natürlich eine Schätzung - im Wert gestiegen sein soll. Weil die Macht des Geldes nicht nur in der Fiktion, sondern auch in der Realität wirkt, musste „Squid Game 2“ einfach kommen. Sieben neue Folgen von Erfolgsautor und Regisseur Hwang Dong-hyuk sind ab Donnerstag, 26. Dezember, bei Netflix abrufbar.
Doch wie setzt man eine Serie fort, die eigentlich abgeschlossen war, aber wegen ihres geradezu absurden Erfolges einfach weitergehen musste? Ein Plot, der noch dazu vor dem Problem stand, dass ein Großteil der Rollen aus Staffel eins verstorben war? Seong Gi-hun (Lee Jung-jae), der Sieger des vorangegangenen Spiels, hat es sich in Staffel zwei zur Aufgabe gemacht, den Drahtziehern des menschenverachtenden Spektakels ein Ende zu setzen. Zur Erinnerung: Auf einer mysteriösen Insel kämpften in Staffel eins 456 meist hoch verschuldete, in jedem Fall aber finanziell verzweifelte Menschen um den Hauptgewinn von 45,6 Won - damals etwa 33 Millionen Euro. Der Haken an der Sache: Nur einer der Teilnehmer konnte den Preis mit nach Hause nehmen. Alle anderen Wettbewerber starben in jener knallbunt designten Welt der Kinderspiele, die von mysteriösen Menschen zur Belustigung einer hochrangigen maskierten Gäste-Schar organisiert wurde.
So funktioniert der Kapitalismus: Niemand wird zur Teilnahme gezwungen
Zu Beginn von Staffel zwei setzt Seong Gi-hun sein Vermögen nun dafür ein, die Drahtzieher des perfiden Spektakels zu finden und die Spiele zu beenden. Weitere Figuren aus Staffel eins, die zurückkehren, sind der aufrechte Polizist Jun-ho (Wi Ha-jun), der mysteriöse Mann im Anzug (Gong Yoo), der die Teilnehmer anwirbt, und der sogenannte Frontmann (Lee Byung-hun), welcher zumindest eine größere Rolle in der Organisation der Spielbetreiber einnehmen könnte.
Dazu castete „Squid Game“-Macher Hwang Dong-hyuk eine große Zahl neuer Spieler-Charaktere mit interessanten Back-Storys, die nach und nach aufgedeckt werden. Natürlich geht es wieder darum zu erläutern, warum Menschen um ihr Leben spielen. Dazu galt es, für die neue Staffel eine Reihe unverbrauchter Spiele zu finden, die einen ähnlichen Thrill samt ultrafieser Entscheidungsmöglichkeiten und Verlaufsformen zu finden, um das Publikum wieder für den asiatischen Sensationshit zu begeistern. Ein Fiction-Format, aus dem 2023 sogar eine ebenfalls von Netflix produzierte Reality-Show (“Squid Game: The Challenge“) wurde.
Macher Hwang Dong-hyuk sagte in einem Interview zu seinem sozial- und gesellschaftskritischen Thrillerwerk, dass die zunehmende Spaltung und Aggressivität innerhalb der Gesellschaft, die wir aus Deutschland oder den USA kennen, wohl auch zunehmend ein Problem in Korea darstellen würde. Jene Feindseligkeiten von Menschen mit einander widersprechenden Wertesystemen wollte er in Staffel zwei im Teilnehmerfeld der Wettbewerber widerspiegeln. Ein wirklich weihnachtliches Programm ist „Squid Game“, das am zweiten Feiertag startet, also beileibe nicht. Die zynischen Veranstalter des „Squid Games“ hätten sich wohl auf die Schenkel geklopft, wenn ausgerechnet an Weihnachten die menschenverachtendsten Spiele aller Zeiten zur Belustigung einer Geldsack-Kaste begonnen hätten.
Immer wieder heißt es in „Squid Game“, die Teilnehmenden seien doch selbst Schuld an ihrem Tod. Schließlich hätten doch alle freiwillig teilgenommen - und sogar im Verlauf des Wettbewerbs noch aussteigen können. Haben sie aber eben nicht gemacht. Doch so funktioniert ja auch Kapitalismus: Niemand wird zur Teilnahme gezwungen. Nur auszusteigen, kann halt das Leben kosten. (tsch)