„Sugarcane - Der Wahrheit auf der Spur“Indigene wehren sich gegen das Vergessen des Genozids

Die Williams Lake First Nation oder auch die T'exelcemc sind ein indigines Volk im heutigen British Columbia, einer Provinz an der kanadischen Pazifikküste. Nach der Kolonisation durch die Europäer leben die verbliebenen Angehörigen nun größtenteils im sogenannten Sugarcane Reserve (auf Deutsch: Zuckerrohr Reservoir) am Ufer des Williams Lake. (Bild: National Geographic)

Die Williams Lake First Nation oder auch die T'exelcemc sind ein indigines Volk im heutigen British Columbia, einer Provinz an der kanadischen Pazifikküste. Nach der Kolonisation durch die Europäer leben die verbliebenen Angehörigen nun größtenteils im sogenannten Sugarcane Reserve (auf Deutsch: Zuckerrohr Reservoir) am Ufer des Williams Lake. (Bild: National Geographic)

Zwischen 3.000 und 30.000 Todesopfern forderte das kanadische Internatssystem zur Zwangsassimilation der indigenenen Bevölkerung. Mit „Sugarcane - Der Wahrheit auf der Spur“ stemmt sich ein Regie-Duo nun gegen das Vergessen.

Was die Öffentlichkeit lange Zeit nicht wusste: In British Columbia wie anderswo in Kanada und in den USA wurden die Kinder der indigenen Bevölkerung in Internatsschulen systematisch misshandelt. Das Ziel war die Auslöschung ihrer Kultur. Die Schulen unterstanden verschiedenen Kirchen, wie hier die St. Joseph's Mission Indian Residential School. (Bild: National Geographic)

Was die Öffentlichkeit lange Zeit nicht wusste: In British Columbia wie anderswo in Kanada und in den USA wurden die Kinder der indigenen Bevölkerung in Internatsschulen systematisch misshandelt. Das Ziel war die Auslöschung ihrer Kultur. Die Schulen unterstanden verschiedenen Kirchen, wie hier die St. Joseph's Mission Indian Residential School. (Bild: National Geographic)

Seit den 1870er-Jahren wurden über Jahrzehnte hinweg Kinder der kanadischen „First Nations“ ihren Familien entrissen und in kirchlich geführten Internaten teils körperlich und sexuell misshandelt. Das wahre Ausmaß der kolonialen Verbrechen und ihrer Folgen ist noch immer nicht bekannt. Journalistin Emily Kassie und der indigiene Autor und Aktivist Julian Brave NoiseCat machen sich in „Sugercane“ auf die Suche nach den Schicksalen hinter den blanken Zahlen. Am 13. Dezember, 21.00 Uhr auf National Geographic Deutschland ist preisgekrönte Dokumentarfilm erstmals im Deutschen Fernsehen zu sehen.

Das Regie-Duo Emily Kassie und Julian Brave NoiseCat, selbst Angehöriger der T'exelcemc, begleitete die Williams Lake First Nation auf der Suche nach der Wahrheit über die heute geschlossene Schule. Die Entdeckung von namenlosen Gräbern im Jahr 2021 führte zu der schrecklichen Erkenntnis, dass hier auch Säuglinge systematisch getötet wurden. (Bild: National Geographic)

Das Regie-Duo Emily Kassie und Julian Brave NoiseCat, selbst Angehöriger der T'exelcemc, begleitete die Williams Lake First Nation auf der Suche nach der Wahrheit über die heute geschlossene Schule. Die Entdeckung von namenlosen Gräbern im Jahr 2021 führte zu der schrecklichen Erkenntnis, dass hier auch Säuglinge systematisch getötet wurden. (Bild: National Geographic)

Fokus des Films ist die Williams Lake First Nation, auch bekannt als Sugarcane Reserve, in der kanadischen Provinz British Columbia. „First Nation“ ist eine Bezeichnung für die indiginen Völker Nordamerikas als alternative zum veralteten und durch die koloniale Perspektive geprägten Begriff des Stammes. Die Familien des ansässigen Volks der T'exelcemc haben noch immer mit den Folgen des kulturellen Genozids zu kämpfen.

„We don't talk about it“

Laut der bereits vielfach ausgezeicheten Investigativjournalistin Kassie wurden Babys von Schülern der Internate entweder zwangsweise zur Adoption freigegeben oder teilweise einfach lebendig verbrannt. Ed, der Vater von Brave NoiseCat, wäre selbst beinahe so gestorben. Die Opfer des Infantizids kämpfen zugleich gegen das Trauma und das Vergessen. (Bild: National Geographic)

Laut der bereits vielfach ausgezeicheten Investigativjournalistin Kassie wurden Babys von Schülern der Internate entweder zwangsweise zur Adoption freigegeben oder teilweise einfach lebendig verbrannt. Ed, der Vater von Brave NoiseCat, wäre selbst beinahe so gestorben. Die Opfer des Infantizids kämpfen zugleich gegen das Trauma und das Vergessen. (Bild: National Geographic)

Für Julien Brave NoiseCat ist der Film auch persönliche Traumaarbeit, denn er ist Mitglied der T'exelcemc. Sein eigener Vater ist ein Überlebender der teils noch bis in die 70er-Jahre praktizierten genozidalen Methoden. Denn was „Sugarcane“ dokumentiert, sind nicht etwa die seit 2015 bekannten Fälle systematischer Misshandlung und kulturellen Genozids. Die Nachforschungen der Williams Lake First Nation förderten vielmehr unfassbare Grausamkeiten zu Tage, auch wie „Babys von Schülern zur Adoption freigegeben und - erschütternderweise - in die Müllverbrennungsanlage der Schule geworfen wurden und lebendig verbrannten“, berichtet Journalistin Kassie.

Seit wenigen Jahren erst ist der kulturelle Genozid an der indigenen Bevölkerung durch die Schulsysteme in den USA und Kanada bekannt. Die Aufarbeitung beginnt erst, viele Entschuldigungen stehen noch aus. „Sugarcane“, zu sehen bei National Geographic Deutschland am 13. Dezember, 21.00 Uhr, ist ein wichtiges Dokument im Kampf gegen das Vergessen. (Bild: National Geographic)

Seit wenigen Jahren erst ist der kulturelle Genozid an der indigenen Bevölkerung durch die Schulsysteme in den USA und Kanada bekannt. Die Aufarbeitung beginnt erst, viele Entschuldigungen stehen noch aus. „Sugarcane“, zu sehen bei National Geographic Deutschland am 13. Dezember, 21.00 Uhr, ist ein wichtiges Dokument im Kampf gegen das Vergessen. (Bild: National Geographic)

Eines der Babys war Brave NoiseCats Vater Ed, der 1959 knapp dem Tod entging. Dass es sich dabei um eine in der kirchlichen Einrichtung standardmäßig durchgeführte Verbrennung ungewollter Säuglinge gehandelt hat, davon wollten die Behörden nichts wissen, und so blieben die Opfer mit ihrem Schicksal allein. Für viele ist es nach wie vor schwierig, über die traumatischen Erfahrungen zu sprechen. „We don't talk about it“, so beschreibt Brave NoiseCat den bisher üblichen Umgang mit der Geschichte in der eigenen Familie.

Schonungsloser Investigativjournalismus und einfühlsames Porträt

Doch neben Ed gibt es noch viele Betroffene und weitere solcher Geschichten im Sugarcane Reserve. Sie steht exemplarisch für die Erfahrungen vieler Indigener in British Columbia, vor dessen Szenerie sich das Drama um den Kampf für eine Anerkennung der Verbrechen entspinnt. Kassie und Brave NoiseCat setzen hierfür nicht nur journalistisch, sondern auch inszenatorisch Maßstäbe. Die kanadische Seenlandschaft wird so zum Spiegel der dort ausgetragenen Konflikte.

„Sugarcane - Der Wahrheit auf der Spur“ ist ein schonungsloser, aufrüttelnder Dokumentarfilm; einer, der zwar ästhetisch brilliert, damit aber nicht übertüncht, sondern unterstreicht. Er ist zu gleichen Teilen unentbehrlicher Investigativjournalismus wie einfühlsames Porträt. National Geographic Deutschland zeigt nun die Deutschlandpremiere des vielfach ausgezeichneten Werks am Freitag, 13. Dezember, 21.00 Uhr. Bereits ab 10. Dezember ist er auf Disney+ im Stream abrufbar. (tsch)