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Interview

Krimi aus Eifel-Kloster„Tatort“-Star rechnet mit der Katholischen Kirche ab – „unchristlicher geht es nicht“

Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring)
im Kloster.

Kommissar Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) ermittelt im neuen „Tatort“ mit dem Titel „Schweigen“ am Sonntagabend (1. Dezember 2024) im Kloster.

Im neuen NDR-„Tatort“ widmet sich Hauptkommissar Falke dem Thema Kindesmissbrauch in der Katholischen Kirche. Darsteller Wotan Wilke Möhring erläutert im EXPRESS.de-Interview die Hintergründe.

von Marcel Schwamborn  (msw)

Passend zum ersten Advent widmet sich der „Tatort“ am Sonntag (1. Dezember 2024, 20.15 Uhr) im Film „Schweigen“ einem ganz wichtigen Thema. Zum ersten Mal wird in der ARD-Krimiserie vom Kindesmissbrauch in der Katholischen Kirche erzählt.

Hauptkommissar Thorsten Falke, gespielt von Wotan Wilke Möhring (57), verbringt nach dem Tod seiner Kollegin Julia Grosz eine Auszeit im abgelegenen Kloster St. Joseph, als der Pastor der Gemeinde bei einem Brand ums Leben kommt. In dessen Nachlass findet sich kinderpornografisches Material. Wurde der Brand als Racheakt von Betroffenen gelegt?

„Tatort“ basiert auf einem echten Fall eines Priesters aus dem Bistum Trier

Drehbuchautor Stefan Dähnert (63) hat einen Fall der Staatsanwaltschaft Saarbrücken als Grundlage genommen. Dort hatte ein Polizeibeamter im Haus seines verstorbenen Onkels für die Beerdigung nach dessen Geburtsurkunde gesucht – und kinderpornografisches Material gefunden. Der Priester aus dem Bistum Trier hatte Tausende Fotos und Dias.

Entstanden ist ein Krimi, der als Kernaussage vermittelt, dass es in der Katholischen Kirche einen Pädophilen-Ring gibt. „Was diese Schweine mit diesen Kindern gemacht haben, mit den Schwächsten, mit Kindern aus kaputten Familien. Solche Schweine, die gehören nicht auf die Kanzel, die gehören in den Knast“, wütet Falke im „Tatort“.

EXPRESS.de sprach mit dem Kölner Schauspieler über sein Verhältnis zur Kirche, die Dreharbeiten im leerstehenden Trappisten-Kloster Heimbach in der Eifel und die Botschaft des Films.

Ist sexueller Missbrauch nicht zu schwere Kost für einen Sonntagabend-Film?

Wotan Wilke Möhring: Im „Tatort“ sind gesellschaftliche Themen wie auch die Flüchtlingsdebatte oder Mafia-Strukturen immer willkommen und haben ihre Berechtigung. Wir wollen nicht nur unterhalten und einen bunten Schlager-Abend veranstalten. Wer bei „Falke“ einschaltet, wird auch mit der knallharten Realität konfrontiert.

Falke (Wotan Wilke Möhring, l.) ermittelt auf dem Klostergelände.

Auf dem Klostergelände ist ein Wohnwagen abgebrannt – es gab einen Toten. Falkes (Wotan Wilke Möhring, l.) Jagdinstinkt ist geweckt.

Was hat Sie an dem Thema gereizt?

Wotan Wilke Möhring: Wir thematisieren die schlimmsten Auswüchse, den Missbrauch von Macht, das System von Vertuschen und Verheimlichen und das fatale Schweigegelübde, das noch heute über dem Gesetz steht. Ich habe nicht den Eindruck, dass da richtig was passiert, obwohl es viele Mitwisser gibt. Mir fehlt nach wie vor jemand auf der Anklagebank, der für seine Taten zur Rechenschaft gezogen wird. Es gibt immer noch viele Dinge aus der Antike – wie das Zölibat – die immer noch Bestand haben.

Welche Reaktionen erwarten Sie aus der Kirche?

Wotan Wilke Möhring: Es kann doch jeder nur froh sein, dass das zum Thema gemacht wird. Dass ausgerechnet die Schwächsten, die voll auf die Institution Kirche vertraut haben, nämlich Kinder, ausgenutzt wurden, ist das Allerschlimmste, was passieren kann. Unchristlicher geht es doch gar nicht. An der Aufklärung kann doch jeder nur interessiert sein. Dieses Festhalten an den alten Strukturen, das schreckt die Leute ab.

Falke (Wotan Wilke Möhring, l.) spricht mit Daniel (Florian Lukas).

Falke (Wotan Wilke Möhring, l.), der im Kloster Abstand sucht, hat sich mit Daniel (Florian Lukas) angefreundet.

Wird mit dem „Tatort“ aber nicht auch den Menschen Unrecht getan, die in der Kirche gute Arbeit leisten?

Wotan Wilke Möhring: Ich weiß auch aus meinem Umfeld, dass die Kirche auch unendlich viel Gutes tut, zum Beispiel im Sozialen und in der Pflege. Ohne deren Engagement sähe es in unserem Land anders aus. Trotzdem muss die Kirche sich diesen unerträglichen, immer und immer wiederkehrenden Missbräuchen stellen und Verantwortung übernehmen. Mit der Aufklärung beschäftigt sich die Kirche nur mangelhaft, zu ihrem eigenen Nachteil. Die Taten, von denen wir erzählen, mögen längst verjährt sein. Aber die Menschen leiden noch immer unter dem, was ihnen angetan wurde.

Umso erstaunlicher, dass der Film in einem echten Kloster in der Eifel gedreht werden durfte.

Wotan Wilke Möhring: Während der Dreharbeiten war die ganze Zeit jemand von der Kirche vor Ort, der ansonsten dort Führungen macht. Dass uns das Kloster wissend ob des Inhalts des Films zur Verfügung gestellt wurde, zeigt, dass man sich der Aufarbeitung dieses dunklen Kapitels nicht in den Weg stellen will. Das war die erste NDR-Produktion, die nicht im NDR-Sendegebiet stattgefunden hat, weil es dort kein passendes Kloster gab. So hatte ich eine Stunde von Köln entfernt quasi ein Heimspiel.

Falke (Wotan Wilke Möhring) im neuen Tatort.

Falke (Wotan Wilke Möhring) spuckt im Film Gift und Galle, als er von den Vertuschungen des Missbrauchs erfährt.

Sind Sie persönlich denn noch in der Kirche?

Wotan Wilke Möhring: Ähnlich wie Falke bin ich ohne Kirche aufgewachsen und die Kirche als Institution brauche ich nicht. Ich bin nur getauft worden, doch dann sind meine Eltern schon ausgetreten. Meine Kinder sind zwar auch getauft, aber wir haben alle nichts mit der Kirche zu tun. In einer katholischen Messe steckt für mich zu viel Okkultismus: mit Hinknien, mit Predigt, mit etwas in den Mund stecken. Das ist einfach die letzte antike Institution, die noch versucht zu überleben.

Wo suchen Sie denn Halt und Trost in schwierigen Momenten?

Wotan Wilke Möhring: Ich bin gerne in Kirchen, weil man in den Gebäuden sofort ruhig ist und zu sich findet. Der Kölner Dom beispielsweise ist Zeitgeschichte zum Anfassen und ein ganz besonderes Gebäude. Ich unterscheide aber stark zwischen Glauben und der Institution. Der Moment der Andacht, des Innehaltens, auch mal das Beten, das gehört für mich zum Leben dazu. Aber wir Menschen entwickeln uns ja weiter. Früher wurde für viele Phänomene, die wir nicht verstanden haben, der Glauben hergeholt. Für mich ist Nähe zu Freunden und Familie in schwierigen Momenten wichtig. Jeder braucht Gemeinschaft, aber die kann mir keine Kirche bieten.