Legenden, Newcomer, Phänomene: 2025 wurde die Musikwelt ordentlich aufgemischt, nicht nur von Superstar Taylor Swift.
The Cure, Taylor Swift, EminemDas sind die Musik-Highlights des Jahres
Natürlich: Taylor Swift, die Person, die Welttournee, das Phänomen, schwebte 2024 über allem. Doch das Jahr hatte musikalisch dann doch einiges mehr zu bieten als die millionfach besuchte „Eras Tour“: The Cure haben nach 16 Jahren wieder ein Album herausgebracht, Eminem rief „The Death Of Slim Shady“ aus, und Linkin Park erfanden sich mal eben neu, was eine gewisse Emily Armstrong praktisch über Nacht weltberühmt werden ließ ... Und das war noch lange nicht alles.
The Cure - Songs Of A Lost World
Grau in grau, nass und kalt und überall nur Winter-Tristesse? - Wie schön! Denn The Cure liefern den perfekten Soundtrack dazu. 16 Jahre nach „4:13 Dream“ (2008) hat die britische Band um Robert Smith endlich eine neue Platte veröffentlicht. Und was für eine. 49 Minuten meisterlicher Düsterpop, verteilt auf acht Lieder: „Songs Of A Lost World“ ist genau das epische Wunderwerk, das viele sich erhofft hatten. Nicht einfach nur irgendein neues Album von irgendeiner berühmten Band, sondern ein musikalisches Happening.
Der Großteil der Aufnahmen zu „Songs Of A Lost World“ war schon 2019 abgeschlossen, trotzdem hielten The Cure diese sehnsüchtig erwartete Musik noch fünf Jahre zurück. Und dann dauert es im Eröffnungstitel „Alone“ weit über drei Minuten, bis Robert Smith seine ersten Zeilen singt: „This is the end of every song we sing ...“ So funktioniert überhaupt die ganze Platte. Es geht immer wieder um die Vergänglichkeit der Dinge und um das Ende der Welt, aber eilig haben The Cure es nicht. Jeder Titel wird für sich ausgiebig zelebriert, ohne dass ein einziger echter Hit dabei wäre. Und dann endet diese Antithese zu allem, was im Pop üblicherweise „funktioniert“, mit einem zehnminütigen „Endsong“ - größer geht's kaum.
Das Bemerkenswerteste allerdings ist die Tatsache, dass The Cure und Robert Smith im Grunde noch immer so klingen wie in den frühen 80er-Jahren, die einzigartige düstere Dark-Wave-Stimmung ihres Sounds nahm in all den Jahren keinen Schaden. „Songs Of A Lost World“ (in Alleinregie von Robert Smith geschrieben, komponiert und arrangiert) ist parallel zur regulären Ausführung in diversen weiteren Konfigurationen erhältlich. Dazu gehören neben mehreren Vinyl-Editionen (unter anderem mit einem „Half-Speed Master“) auch eine Doppelkassette sowie ein Deluxe-Set mit Originalalbum, Instrumental-CD und einem atmosphärischen Dolby-Atmos-Mix im Blu-ray-Audio-Format. Und die beste Nachricht zum Schluss: Bandleader Robert Smith hat zwei weitere Werke angekündigt, die schon bald erscheinen sollen.
Übrigens: Der Kultursender ARTE widmet The Cure am Freitag, 17. Januar, einen Abend - unter anderem wird die sehenswerte Doku „Disintegration - Ein Album. Eine Band. Eine Generation“ ausgestrahlt.
Linkin Park - From Zero
Über Linkin Park sprechen, das war in den letzten Jahren immer auch ein Blick in die Vergangenheit. Mit dem tragischen Tod von Sänger Chester Bennington 2017 schien auch das Ende der Band zwangsläufig besiegelt. Aber jetzt gibt es plötzlich doch wieder eine Zukunft: Linkin Park wagten 2024 einen echten Neustart - und zwar, große Überraschung, mit einer Frau am Mikrofon. Die Skepsis war zunächst groß ...
„Emily Armstrong“, das war Anfang September einer der meistgesuchten Namen bei Google. Jahrgang 1986, geboren in Los Angeles, war die Blondine mit der Power-Stimme bis zuletzt nur Insidern bekannt. Armstrong gehörte unter anderem zur Gründungsformation der Band Dead Sara, vor einigen Jahren lieferte sie auch mal Backing Vocals für das Hole-Album „Nobody's Daughter“. Jetzt ist sie die Neue bei Linkin Park, als Frontfrau steht sie fortan neben Mike Shinoda ganz vorne auf der Bühne. Die ersten Eindrücke und Auftritte waren furios, die Tickets für die Welttour 2025 verkaufen sich rasant. Im November kam das Album.
„From Zero“ beginnt mit einem chorischen Intro. Die anschließenden zehn Songs dürften die Erwartungen treuer Fans erfüllen: Trotz der weiblichen Gesangsstimme klingen Linkin Park immer noch wie Linkin Park. In den kräftigen Songs wie „Cut The Bridge“ oder „Heavy Is The Crown“ lösen sich die Rap-Passagen von Mike Shinoda und die Gesangsparts von Emily Armstrong auf altbewährte Art ab. Auf halber Strecke (zu Beginn des sechsten Titels „Casuality“) darf die gebürtige Kalifornierin dann auch beweisen, wie gut sie das Growling beherrscht.
„Bevor wir zu Linkin Park wurden, war unser erster Bandname Xero“, erinnert sich Shinoda: „Der Albumtitel bezieht sich sowohl auf diese Zeit, in der wir als Nobodys unsere ersten Schritte machten, als auch auf die Reise, die wir jetzt antreten. Klanglich und emotional geht es um Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft - wir bleiben unserem typischen Sound treu, aber alles ist neu und voller Leben.“
Beyoncé - Cowboy Carter
Beyoncé Knowles hat 32 Grammys gewonnen, über 200 Millionen Tonträger verkauft und gilt schon lange als eine der einflussreichsten Persönlichkeiten der Musikwelt. „Queen B“, wie Fans sie gerne nennen, muss niemandem mehr irgendetwas beweisen. Wenn ihr dann eine Tür vor der Nase zugeschlagen wird, nimmt sie Anlauf und tritt die Tür ein: Nachdem ihr vor Jahren bedeutet wurde, sie gehöre als R'n'B- und Pop-Sängerin nicht in die US-Countryszene, veröffentlichte sie in diesem Jahr als Antwort ein ganzes Album, auf dem sie intensiv die afroamerikanischen Wurzeln des Country erforscht.
Etwa fünf Jahre lang soll die gebürtige Texanerin an „Cowboy Carter“ gearbeitet haben - ein ambitioniertes, aber auch abwechslungsreiches Großwerk von knapp 80 Minuten Spielzeit, das im Stile einer traditionellen Südstaaten-Radioshow präsentiert wird. Die 43-Jährige taucht zwischen Gitarre und Fiedel, zwischen Kutschen-Liedern und einer neuen Version von „Jolene“ (mit Grußwort von Dolly Parton) tief ein in die Welt von Westernmusik und Americana. Zahlreiche Country-Nachwuchsstars der Black Community helfen ihr dabei. Die Künstlerin betont: „Das ist kein Country-Album. Das ist ein Beyoncé-Album.“ Es soll niemandem etwas weggenommen werden, es soll nichts neu erfunden werden. Es sollen hier vielmehr ein paar Dinge geradegerückt werden - und so, wie Beyoncé es machte, konnte sich davor in diesem Jahr auch kaum jemand verschließen.
Ayliva - In Liebe
Sie ist derzeit eine der erfolgreichsten Künstlerinnen des Landes: Nachdem Ayliva bereits 2023 mit ihrem Album „Schwarzes Herz“ auf Platz Eins der Charts gelandet war, gelang ihr nur wenige Monate später mit dem Nachfolger das gleiche Kunststück. Auch mit „In Liebe“ erklomm die Berliner Sängerin im ausklingenden Jahr die Spitze der deutschen Charts - und das mit gerade einmal 26 Jahren.
Mit der Album-Single „Lieb mich“ erreichte Ayliva bereits zum dritten Mal den ersten Platz der deutschen Singlecharts. Als erfolgreichster Track der Platte darf aber „Wunder“ gelten, den die Musikerin gemeinsam mit Apache 207 veröffentlichte und der ebenfalls die Chartspitze stürmte. Als erster deutschsprachiger Song und erster Nicht-Weihnachtssong erreichte er im deutschen Spotify über zwei Millionen Abrufe an einem Tag. Über 24 Millionen Streams erreichte der Hit auch bei YouTube, wo Ayliva bereits zum zweiten Mal in Folge in der Kategorie „Artist of the Year“ ausgezeichnet wurde.
Dass die aus dem Ruhrgebiet stammende Ayliva der aktuelle Shootingstar schlechthin ist, zeigten in diesem Jahr auch die MTV Europe Music Awards, bei denen sie als bester deutscher Act ausgezeichnet wurde. Eine weitere Ehre: In der neuen „The Voice Kids“-Staffel wird die Musikerin als Coach auf dem roten Stuhl Platz nehmen. Auf dem Weg nach oben scheint sie unaufhaltsam.
Charli XCX - Brat
Ein brutal stampfender Beat und Synthie-Sounds, die eher nach Kettensäge als nach Keyboard klingen: Schon mit der Beteiligung am Icona-Pop-Megahit „I Love It“ zeigte Charli XCX 2012, wie viel Freude sie daran hat, die ästhetischen Grenzen des Pop auszuloten. Zwölf Jahre später, längst als einflussreiche Pop-Innovatorin etabliert, veröffentlichte die britische Sängerin und Songwriterin im Juni ihr sechstes Album: „Brat“ (deutsch: „Gör“). Der Rolling Stone und weitere Magazine kürten es gerade zum Album des Jahres 2024.
„Brat“ ist angelegt als kurzweilige Club-Platte, mit der Charli XCX ihre eigenen musikalischen Wurzeln feiert. Als Teenager sammelte sie bei illegalen Londoner Raves ihre ersten Erfahrungen als Musikerin, den Geist von damals wollte sie mit neuen Songs ins Hier und Jetzt übertragen. Und diese 15 Banger kommen (bis auf ein paar ruhigere Nummern) ziemlich radikal und wild daher: Die stilistischen Grenzen liegen irgendwo zwischen Hyperpop und Electronica, und mit jedem weiteren Stück möchte man noch ein bisschen lauter aufdrehen. Charli XCX beschreibt „Brat“ als ihr bislang „aggressivstes“ Album. Aber wer ein bisschen was aushält, für den ist es vor allem eins: eine echte Spaß-Platte!
In den USA löste das Album einen viralen Lifestyle-Trend aus: den „Brat Summer“. Selbst Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris sprang auf den Zug auf, übernahm die Ästhetik des Albumcovers (schwarze Schrift auf giftgrünem Untergrund) für ihre Kampagne. Charli XCX krönte die Politikerin daraufhin ebenfalls zur „brat“.
Eminem - The Death Of Slim Shady (Coup De Grace)
„Hi, my name is (what), my name is (who), my name is ... Slim Shady!“ - Mit der Single „My Name Is“ legte Eminem 1999 den Grundstein für eine beispiellose HipHop-Karriere. Ein schmaler weißer Junge aus Detroit, der zum kommerziell erfolgreichsten Rapper aller Zeiten aufstieg, eben auch dank Slim Shady. Im zurückliegenden Mai dann die spektakuläre Ankündigung, begleitet von einem fiktiven Nachruf: Eminem will sein Alter Ego mit einem neuen Album „beerdigen“: „The Death Of Slim Shady (Coup De Grace)“.
Viel Witz, einige Provokationen, zahlreiche Querverweise auf früher (“Guess who's back?“): Schon die ersten zwei Singles „Houdini“ und „Tobey“ zeigten deutlich an, dass Eminem es ernst meint mit dieser vermeintlich letzten Ehrerweisung für die Figur, ohne die er heute wohl nicht die Nummer eins im Business wäre. Satte 19 Songs (unter anderem produziert von Eminems einstigem Förderer Dr. Dre) hat der 52-Jährige auf seinen insgesamt zwölften Langspieler gepackt.
Kurz vor Veröffentlichung betonte Eminem, dass „The Death Of Slim Shady“ ein Konzeptalbum sei und in der richtigen Reihenfolge durchgehört werden sollte. Wer das noch nicht getan hat und wissen will, ob - und wie - Slim Shady hier tatsächlich der „Gnadenstoß“ (“Coup De Grace“) verpasst wird, muss sich etwas Zeit (64 Minuten) nehmen.
Taylor Swift - The Tortured Poets Department
Egal, ob als sogenannter „Swifty“ oder einfach als Mensch, der gelegentlich mal online unterwegs ist: Mit dem Namen Taylor Swift wurde so gut wie jeder in den vergangenen zwölf Monaten mindestens einmal konfrontiert. War es zu Beginn des Jahres vor allem ihre Beziehung zum Football-Star Travis Kelce, die der inzwischen 35-Jährigen mitunter eigene Rubriken in Online-Nachrichtenformaten einbrachte, stand spätestens seit dem 19. April endlich wieder ihre Musik im Vordergrund: Mit „The Tortured Poets Department“ (kurz: „TTPD“) veröffentlichte die 14-fache Grammy-Gewinnerin ihr elftes Studioalbum, das unfassbare 31 Songs umfasst.
Die ausnahmslos eher ruhigen Popnummern erzählen von Liebeskummer und Verliebtsein und erinnern stilistisch an Lana Del Rey. „All my mornings are mondays stuck in an endless February“, heißt es etwa in „Fortnight“, einem Song mit dem US-amerikanischen Sänger und Rapper Post Malone, den Taylor Swift auch zur ersten Single-Auskopplung erkoren hatte. Für den Song „Florida!!!“ arbeitete Taylor Swift zudem mit der Indie-Rockband Florence and The Machine zusammen. Ihren Ex-Freund Joe Alwyn und ihren angeblichen Ex-Freund Matty Healy erwähnt Swift auf dem Album namentlich nicht, auch wenn Fans Letzteren dennoch in einem Liedtext erkannt haben wollen. Stattdessen widmet Swift dem wohl ersten It-Girl, Clara Bow (1905-1965), einen Song. Auch der walisische Dichter Dylan Thomas und die amerikanische Rockmusikerin Patti Smith werden im Titeltrack erwähnt.
Nach seiner Veröffentlichung platzierte sich „The Tortured Poets Department“ nahezu weltweit auf Platz eins der Charts. Das Magazin „Forbes“ krönte Taylor Swift nicht zuletzt dank ihrer Anfang Dezember zu Ende gegangenen „Eras Tour“ zur reichsten Musikerin der Welt mit einem geschätzten Vermögen von 1,6 Milliarden US-Dollar. (tsch)