Die hochtalentierte Lisa Vicari wurde durch „Hanni und Nanni“ zum Kinderstar und beeindruckte in Netflix-Produktionen wie „Dark“ sowie „Isi & Ossi“. Nun drückt die fast 28-Jährige der außergewöhnlichen Berlin-Serie „The Next Level“ (ARD Mediathek und Das Erste, 24. und 31. Januar) ihren Stempel auf.
„The Next Level“-Star Lisa Vicari„Das Feiern gehört nicht zu meinen wichtigsten Hobbys“
Lisa Vicari kennt man aus „Dark“ oder „Isi & Ossi“. Im Februar wird die gebürtige Münchnerin 28 Jahre alt. Seit sie 19 ist, lebt Lisa Vicari in Berlin - die laute Metropole ist sozusagen „Hauptfigur“ von „The Next Level“ (ARD Mediathek und Das Erste, Freitag, 24. und 31. Januar). In der ungewöhnlichen Serie geht es um einen wahren Kriminalfall, Investigativjournalismus, Lebensentwürfe, Clubkultur und den besonderen „Vibe“ der deutschen Hauptstadt. Auf welche Art und Weise spürt ihn Lisa Vicari, eine der aufstrebenden deutschen Schauspielerinnen ihrer Generation? Ist sie Clubgängerin? Und wo will sie mit ihrem Leben und der Karriere noch hin?
teleschau: Wenn Sie jemandem erklären müssten, worum es in der Serie „The Next Level“ geht - was würden Sie sagen?
Lisa Vicari: Ja (lacht), das ist gar nicht so einfach. Weil sich die Serie der typischen Genre-Zuteilung entzieht. Am ehesten würde ich sagen: Es ist ein Porträt Berlins. Man lernt durch verschiedene Figuren, die in der Stadt leben und dort verschiedene Dinge tun, Berlin auf ganz unterschiedliche Art kennen. Wir zeigen, welchen Sog die Stadt hat und was sie mit dir machen kann. Daneben ist „The Next Level“ natürlich auch Kriminalfall, Drama und Zeitgeistporträt. Ein Mix, den ich so aus Deutschland noch nicht gesehen habe.
teleschau: Sie sind selbst Münchnerin, kommen also auch aus einer Großstadt, sind aber mit 19 Jahren nach Berlin gezogen. Was hat die Stadt mit Ihnen gemacht?
Lisa Vicari: Berlin ist anders als alle anderen deutschen Städte - allein durch seine Größe. Es gibt viele komplett unterschiedliche Viertel mit ganz eigener Atmosphäre, sodass Berlin fast wie ein Planet für sich ist. Auch ich spüre die Anziehungskraft Berlins: Es gibt Möglichkeiten ohne Ende, und immer ist alles verfügbar, was man mit seinem Leben gerade so anfangen könnte. Deshalb ziehen ja auch so viele junge Leute aus aller Welt hierher. Die Stadt hat aber auch einen gewissen Stresspegel, sie ist anstrengend. Vor allem dann, wenn man sich in diesen Partysog hineinziehen lässt - wovon die Serie ja auch erzählt.
„Die Party tobte, die Kamera war oft nicht zu sehen ...“
teleschau: Der Drehbuchautor Alexander Osang, ein hochdekorierter Journalist, erzählt hier fiktionalisiert einen Fall nach, für den er selbst lange recherchierte. Es geht um den Tod einer jungen US-Touristin im Club „Berghain“ nach einer Überdosis Pillen 2018. Kannten Sie den Fall?
Lisa Vicari: Ich kannte die Geschichte in der Tat nicht. Auch wenn ich schon von anderen Fällen hörte, in denen Menschen nach Drogenkonsum in Clubs gestorben sind. Es ist aber auch nicht so, dass Alexander Osang den echten Fall in der Serie eins-zu-eins nacherzählt. Es handelt sich um eine fiktionale Serie. Die Geschichte des jungen US-Paares, das am Ende seiner Welt- und Hochzeitsreise noch mal so richtig in Berlin feiern will, bevor es sozusagen in ein bürgerliches Erwachsenenleben nach Amerika zurückgeht, ist nur der dramatische Erzählrahmen. In diesen werden aber noch viele andere Geschichten hineingepackt.
teleschau: Hatte Alexander Osang mit den Dreharbeiten zu tun?
Lisa Vicari: Ich habe mich mit ihm getroffen und hatte viele Fragen an ihn. Weil ich ja eine investigative Journalistin spiele, die an diesem Fall arbeitet. Sozusagen Alexanders Beruf, in dem er sehr erfahren ist. Wir waren auch während des Drehs in Kontakt. Wenn ich Fragen hatte, konnte ich sie ihm jederzeit stellen. Wir haben uns lange über Recherche unterhalten, und mir ist aufgefallen, dass mein Job viele Parallelen zu seinem hat. Wenn ich als Schauspielerin eine Rolle vorbereite, begebe ich mich auch auf eine intensive Recherche. Im Drehbuch sind mitunter Hinweise versteckt. Dann sucht man nach Menschen, die eventuell eine Ähnlichkeit aufweisen zur Rolle - und so weiter. Recherchen von Schauspielern haben durchaus Ähnlichkeiten mit Investigativjournalismus.
teleschau: Der Club heißt in der Serie anders, aber es ist schon klar: Dies soll das weltberühmte „Berghain“ sein. Haben Sie auch dort gedreht?
Lisa Vicari: Nein, gedreht haben wir in einem stillgelegten Heizkraftwerk in Steglitz. Ein verlassenes Gebäude, in das unter anderem eine riesige Treppe hineingebaut wurde. Wir hatten tolle Komparsen, viele davon sind in unterschiedlichsten Clubs Stammgäste und einige sicherlich auch im „Berghain“. Die Szenen im Club wurden auch tatsächlich mit Musik gedreht. Schauspielerinnen und Schauspieler hatten einen Knopf im Ohr, über den sie die Regieanweisungen erhielten. Es war ein sehr besonderer Dreh. Die Party tobte, die Kamera war oft nicht zu sehen, bewegte sich irgendwo - und plötzlich war sie doch da. Es war total cool. Als wäre mal selbst in einem sehr besonderen Club - obwohl wir das alles nachgestellt haben.
„Ein Kulturgut der Stadt, das Menschen weltweit fasziniert“
teleschau: Ich nehme an, Sie waren auch schon im echten „Berghain“?
Lisa Vicari (lacht): Ich habe auf jeden Fall meine Recherchen betrieben. Privat war ich vor dem Dreh tatsächlich nie da. Meine „Berghain“-Premiere fand absurderweise nach dem Dreh jener Szenen im Club statt. Ich fand's schon besonders, was hinter den berühmten Mauern für eine Welt entsteht. Eine Welt, in die man komplett eintauchen kann und darüber wirklich die Zeit vergisst.
teleschau: Die Zeit zu vergessen, ist mit das höchste Lob, das man einem Club machen kann. Was hat das „Berghain“ mit Ihnen gemacht? Was wünschen Sie sich an diesem Ort?
Lisa Vicari: Ich weiß nicht, ob ich ein klassischer Clubgänger bin. Ich glaube, ich bin eher eine Beobachterin. Mich fasziniert, dass dort eine Welt mit eigenen Regeln entsteht, die anders funktioniert als die Welt draußen. Im Club hat man die Möglichkeit, jemand anderes zu sein. Es gelten andere Gesetze. Darin besteht die große Faszination. Es ist für viele Menschen etwas sehr Befreiendes, weil man im Club aus den Konventionen der realen Welt ausbrechen kann.
teleschau: Sie werden 28 Jahre alt, sind also selbst noch im besten Clubalter. Ihre Gedanken hören sich aber nicht danach an, dass Sie danach streben, sich im Club zu verlieren ...
Lisa Vicari: Das Feiern gehört nicht zu meinen wichtigsten Hobbys. Ich werde relativ schnell müde - und gehe dann auch ins Bett (lacht). Ich bevorzuge einen Abend mit guten Freunden in der Bar, wenn ich die Wahl habe. Sollte dieser Abend dann länger gehen, weil er sich so entwickelt, finde ich das schön. Ich habe aber nicht das Gefühl, etwas zu verpassen, wenn es nicht passiert oder wenn ich nicht feiern gehe. Trotzdem finde ich die Berliner Clubkultur total spannend. Es ist längst ein Kulturgut der Stadt, das Menschen weltweit fasziniert.
„Man weiß nie, wie es weitergeht“
teleschau: Sie waren bereits eine bekannte Kinderdarstellerin und haben Ihren Weg über Jugendrollen bis hin zu den jungen Frauen geschafft. War es für Sie immer klar, dass Schauspielerei der richtige Weg ist?
Lisa Vicari: Ja. Seit ich zehn Jahre alt war, wusste ich, was ich beruflich machen will. Es war nicht klar, wie es klappen kann, denn niemand in meiner Familie hatte etwas mit Schauspielerei zu tun. Es gab auch keine Kontakte. Ich habe mir dies als Kind - wenn man so will - selbst erarbeitet. Zwischen neun und 15 Jahren war mein erster Gedanke, wenn ich morgens aufgewacht bin: Wie kann ich Filme drehen? Wie komme ich an die nächste Rolle heran? Ich weiß nicht, woher dieser Wunsch kam, aber er war immer irgendwie da. Natürlich bin ich total froh, dass es geklappt hat oder momentan klappt. Die Branche ist schnelllebig. Man weiß nie, wie es weitergeht.
teleschau: Sie haben nebenbei ein Studium der Medienwissenschaften betrieben. Gibt es noch andere Pläne neben der Schauspielerei?
Lisa Vicari: Das Studium habe ich mittlerweile abgeschlossen. Meine Zukunft sehe ich aber weiter beim Film. Ich habe nun erste Regieerfahrungen gesammelt, indem ich 2023 meinen ersten Kurzfilm gedreht habe. Regie ist auf jeden Fall etwas, das ich in der Zukunft vertiefen will.
teleschau: Als Schauspielerin sind Sie ein verblüffend wandelbarer Typ. Jemand, der in seinen Rollen oft unterschiedlich aussieht. Als welche Ihrer Figuren werden sie am meisten wiedererkannt?
Lisa Vicari: Durch die hohe Reichweite sind es wahrscheinlich die beiden Netflix-Projekte, also „Dark“ und „Isi & Ossi“. Bei „Dark“ wurde es mit der Zeit mehr, weil meine Rolle in der zweiten und dritten Staffel größer wurde. Allerdings kam die dritte Staffel während des Corona-Lockdown heraus, das war dann wie in einem Vakuum. Erst als wir keine Masken mehr trugen, merkte ich, wie oft ich erkannt werde und welche Reichweite die Serie hat. „Isi & Ossi“ richtete sich natürlich an eine andere Zielgruppe. Aber auch das hat viele Menschen erreicht.
„Den berühmten Anruf gab es bisher nicht ...“
teleschau: Netflix wird weltweit gesehen. Hatten Sie schon den berühmten Anruf aus Hollywood?
Lisa Vicari: Den berühmten Anruf gab es bisher nicht, aber ich hatte das große Glück, an bereits zwei internationalen Produktionen beteiligt gewesen zu sein. 2021 drehte ich „Django“, eine italienisch-französische Koproduktion mit Mathias Schoenaerts. Jetzt war ich bei der zweiten Staffel von „Hijack“ mit Idris Elba für Apple TV+ dabei. Darüber darf ich aber eigentlich nicht mehr sagen, als dass ich dabei war (lacht).
teleschau: Sie haben eben von Ihren Regie-Ambitionen erzählt. Welche Filmemacherinnen und Filmemacher bewundern Sie?
Lisa Vicari: Das ist schwierig zu beantworten, weil mich viele Leute faszinieren. Ich habe eine große Liebe für skandinavische Filme und den Norweger Joachim Trier - aber auch für Ruben Östlund aus Schweden. Sofia Coppola ist wichtig für mich, Denis Villeneuve ebenfalls, und aus Deutschland würde ich Edward Berger nennen. (tsch)