Nach TV-DuellSöder zählt den Kanzler an: „Scholz lebt in einer anderen Welt“

Wie lief das TV-Duell zwischen Bundeskanzler Scholz und dem Unions-Kanzlerkandidaten Merz? Das wollte am Sonntagabend Caren Miosga im Ersten unter anderem von CSU-Chef Markus Söder wissen. Für den war die Sache klar: „Für mich ist Merz der eindeutige Sieger!“

„Ich fand, der Kanzler war sehr faktenstark“, lobte SPD-Chef Lars Klingbeil den Auftritt von Olaf Scholz beim TV-Duell, das am Sonntag ARD und ZDF übertragen hatten.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) feierte erwartungsgemäß Friedrich Merz (CDU): „Für mich der eindeutige und klare Sieger!“ Und Melanie Amann vom „Spiegel“, die quasi als Schiedsrichterin von Caren Miosga in ihre ARD-Sendung eingeladen wurde?

Performance von Merz für die Öffentlichkeit überzeugender

Man habe einen kämpferischen Olaf Scholz gesehen, der auf Attacke gegangen sei, der Merz quasi als „doof“ bezeichnet habe. Möglicherweise habe er ein bisschen Boden gut gemacht, führte die Journalistin aus. „Aber unterm Strich sehe ich schon die Performance von Herrn Merz für die Öffentlichkeit als die Überzeugendere“, so Amann weiter.

Scholz habe versucht, die Komplexität der Politik zu erklären und herauszuarbeiten, warum man nicht alles im Hauruck-Verfahren erledigen könnte, erklärt sie. Der Kanzler besitze „die Fachkompetenz, aber es ist dann eben manchmal auch ein bisschen Fachidiotentum“, so Amanns Einschätzung. Und er habe seine Leistungen hervorgehoben, von denen viele Bürger jedoch nicht viel spüren würden. Merz sei der eindeutige Gewinner des Duells.

Ob Olaf Scholz das Ruder noch einmal herumreißen könne, fragt Miosga. Das Urteil von Amann dürfte für die Sozialdemokraten ernüchternd sein. „Wenn es kein unvorhergesehenes externes Ereignis irgendeiner Art gibt, habe ich den Eindruck, dass das Momentum sehr klar zu Merz zeigt.“

Klingbeil: Merz hatte „keine Sekunde Verantwortung in diesem Land mit knapp 70 Jahren“

Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder von der CSU sieht Merz als Sieger des Duells. Es sei ein klarer Schlagabtausch gewesen, analysiert er. „Die Argumente liegen jetzt klar auf dem Tisch. Man hat die unterschiedlichen Persönlichkeiten gesehen.“

An Scholz hat Söder einiges auszusetzen: „Ich hatte das Gefühl: Scholz lebt in einer anderen Welt. Also das, was Olaf Scholz beschreibt, deckt sich nicht mit der gefühlten und realen Situation in unserem Land.“

„Unterm Strich sehe ich schon die Performance von Herrn Merz für die Öffentlichkeit als die Überzeugendere“, urteilte Melanie Amann (links). (Bild: NDR/Thomas Ernst)

„Unterm Strich sehe ich schon die Performance von Herrn Merz für die Öffentlichkeit als die Überzeugendere“, urteilte Melanie Amann (links). (Bild: NDR/Thomas Ernst)

Während Scholz laut Söder aggressiv gewesen wäre, wenn er in Bedrängnis geraten sei, habe Merz auf die Angriffe extrem souverän reagiert und inhaltlich gepunktet. Söder: „Auch von dem Persönlichkeitscheck war Merz eindeutig der Stärkere und Souveränere, dem man das Land besser anvertrauen kann als Olaf Scholz. Die Geschichte mit Olaf Scholz ist auserzählt.“

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SPD-Chef Lars Klingbeil gibt zu, dass sich der Unionskanzlerkandidat kaum aus der Ruhe bringen hat lassen. Das hätten ihm seine Parteistrategen bis kurz vor der Sendung eingetrichtert, vermutet Klingbeil. Allerdings sei Merz „jemand, der noch keine Sekunde Verantwortung hatte in diesem Land mit knapp 70 Jahren, der kann immer behaupten, dass bei ihm alles besser laufen würde!“

Wer war der Sieger des TV-Duells? Darüber waren sich Markus Söder (links) und Lars Klingbeil erwartbar uneinig. (Bild: NDR/Thomas Ernst)

Wer war der Sieger des TV-Duells? Darüber waren sich Markus Söder (links) und Lars Klingbeil erwartbar uneinig. (Bild: NDR/Thomas Ernst)

Merz habe zudem oft seine Meinung gewechselt und fahre einen „Zickzack-Kurs“ - in der Wirtschaftspolitik genauso wie bei den Taurus-Lieferungen an die Ukraine. „Und auch das, was letzte Woche im Bundestag passiert ist, mit diesem Tabubruch und Wortbruch, mit dem Dammbruch gegenüber der AfD, das spielt eine große Rolle. Da gucken viele Leute grade auf Friedrich Merz und fragen: Wie verlässlich wäre der denn als Bundeskanzler, zu seinem Wort zu stehen und Dinge konsequent durchzuhalten?“

Markus Söder bei Caren Miosga: „Es geht um einen Richtungswechsel“

Die aktuellen Wahlumfragen geben Klingbeil recht. Sie zeigen, dass Merz (ebenso wie Scholz) bei den Bürgern nicht wirklich beliebt ist. Nach der Abstimmung der Unionsparteien gemeinsam mit der AfD hat sich das nicht geändert. Viele Menschen in Deutschland vertrauen Merz nicht, sagen Miosga und Amann. „Das kann ich Ihnen erklären“, so Söder. „Es liegt daran, dass ein großer Teil nicht ganz sicher ist, ob wir das, was wir sagen, auch ernst meinen.“

Lars Klingbeil erinnert an den „Tabubruch“ im Bundestag: „Da gucken viele Leute grade auf Friedrich Merz und fragen: Wie verlässlich wäre der denn als Bundeskanzler, zu seinem Wort zu stehen und Dinge konsequent durchzuhalten?“ (Bild: NDR/Thomas Ernst)

Lars Klingbeil erinnert an den „Tabubruch“ im Bundestag: „Da gucken viele Leute grade auf Friedrich Merz und fragen: Wie verlässlich wäre der denn als Bundeskanzler, zu seinem Wort zu stehen und Dinge konsequent durchzuhalten?“ (Bild: NDR/Thomas Ernst)

Die Ereignisse vor gut einer Woche im Bundestag spielten dabei eine ganz entscheidende Rolle. Das Thema Migration entzweie die Bevölkerung seit 2015. „Viele Leute, die wütend und empört und immer noch sehr verunsichert sind wegen des Themas Migration, sind sich noch nicht ganz sicher: Meint die Union das ehrlich? Will sie etwas ändern? Oder ist das möglicherweise so wie in den letzten zehn Jahren? Und Friedrich Merz, der damals nicht dabei war, kann glaubwürdig sagen, dass er einen anderen Kurs will.“

Söder fügt hinzu: „Wir wollen wirklich etwas ändern, es geht nicht nur um einen klassischen Regierungswechsel. Es geht um einen Richtungswechsel.“ Und was die AfD angeht: „Die Ampelregierung hat die AfD groß gemacht. Wir werden sie bekämpfen.“

Schuldenbremse, Migration, Wirtschaftspolitik – diese Themen bestimmten das TV-Duell

In dem von Sandra Maischberger und Maybrit Illner moderierten Duell konnten sich Scholz und Merz zu den aktuell drängendsten Fragen äußern, vor allem zur Migrations-, Wirtschafts- und Außenpolitik. Scholz attackierte Merz unter anderem wegen der Abstimmungen im Bundestag, bei denen die Union einen Entschließungsantrag zur Verschärfung der Asylpolitik mit den Stimmen der AfD durchs Parlament gebracht hatte.

Deswegen hatten auch an diesem Wochenende mehrere hunderttausend Menschen in ganz Deutschland gegen die Politik der Union demonstriert. Dennoch liegt der SPD daran, das Gesetz zum Gemeinsamen Europäischen Asylsystem noch in dieser Woche durch den Bundestag zu bringen, sagt Klingbeil gleich zweimal im Laufe der Sendung. Am liebsten gemeinsam mit der Union. Söder sagt nichts dazu.

Zu Gast bei Caren Miosga (Zweite von links) waren (von links) Journalistin Melanie Amann, CSU-Chef Markus Söder und SPD-Chef Lars Klingbeil. (Bild: NDR/Thomas Ernst)

Zu Gast bei Caren Miosga (Zweite von links) waren (von links) Journalistin Melanie Amann, CSU-Chef Markus Söder und SPD-Chef Lars Klingbeil. (Bild: NDR/Thomas Ernst)

Ein weiteres Thema im TV-Duell war die Finanzpolitik. Merz hatte erneut erklärt, er sei offen für eine Reform der Schuldenbremse. Doch sei dies nicht das vorrangige Thema, wenn er eine neue Bundesregierung anführe. „Wenn Friedrich Merz irgendwie mit in Verantwortung kommen sollte in diesem Land, dann wird es keine fünf Minuten dauern, bis er seine bisherige Position auch hier über den Haufen werfen wird“, sagt Klingbeil.

Für Söder ist die Schuldenbremse im Moment kein Thema. Er will vor allem neue Prioritäten im Bundeshaushalt setzen. Sparen will er beim Bürgergeld und bei den Migrationskosten. Außerdem will er wie Merz das von der Ampelregierung beschlossene Heizungsgesetz wieder abschaffen. Schließlich will Söder bei Investitionen sparen.

Auch wenn im Moment die demokratischen Parteien sehr zerstritten sind, glaubt Melanie Amann: „Es wird sehr schwierig, eine Lösung herbeizuführen. Ich glaube aber, dass eine Koalition absolut möglich ist.“ (tsch)