Streit nach UnfallVorfahrtrecht gilt auch bei einbiegendem Gegenverkehr

Einbiegen in vorfahrtsberechtigte Straße: Auch mit Gegenverkehr in der Mitte der Fahrbahn kann zu rechnen sein.

Einbiegen in vorfahrtsberechtigte Straße: Auch mit Gegenverkehr in der Mitte der Fahrbahn kann zu rechnen sein.

Ein Autofahrer mit Vorfahrt fuhr mittig auf der Straße, ein Wartepflichtiger bog ein. Es krachte. Doch Schadenersatz wollte die Versicherung des Einbiegenden nicht zahlen – zu Recht?

Wer weiter links oder mittig auf einer vorfahrtsberechtigten Straße fährt, etwa um einem Hindernis auszuweichen, behält seine Vorfahrt. Diese erstreckt sich über die gesamte Straßenbreite. 

Wer in so einem Moment in die Vorfahrtsstraße einbiegt und mit dem Ausweichenden kollidiert, haftet für den Schaden allein. Das zumindest zeigt eine Entscheidung (Az.: 3 U 23/24) des Oberlandesgerichts (OLG) Saarbrücken, auf die der ADAC hinweist.

Mittig gefahren, um anderen Fahrzeugen auszuweichen

Im besagten Fall fuhr innerorts ein Mann mit seinem VW-Bus auf einer Vorfahrtstraße. Er konnte sich dabei nicht ganz rechts halten, weil dort ein Auto parkte. So ordnete er sich mittig ein, fuhr vorbei und rollte auf eine Kreuzung zu. Als er gerade wieder einscherte, bog von links ein anderes Fahrzeug aus einer wartepflichtigen Straße nach rechts auf die Gegenspur des VW-Busses. Es krachte. Der VW-Fahrer forderte danach Schadenersatz vom anderen. 

Sein Argument: Er sei vorfahrtsberechtigt gewesen und nur aufgrund der Verkehrssituation mittig gefahren. Der andere hätte warten müssen, bis er freie Bahn gehabt hätte, anstatt einzufahren, ohne auf den von rechts kommenden Verkehr zu achten. Die Versicherung des anderen Fahrers verweigerte die Zahlung. Die Sache ging über mehrere Instanzen vor Gericht.

So bewertet das Oberlandesgericht die Situation 

Vor dem OLG Saarbrücken bekam der Fahrer des VW-Busses recht. Es entschied: Der andere musste allein haften. Die Vorinstanz hatte noch eine Erhöhung der Betriebsgefahr des VW-Fahrers gesehen, weil dieser zu weit links gefahren wäre. Das OLG sah ihn aber voll im Recht. Demnach erstreckt sich die Vorfahrt über die gesamte Breite der Straße – so habe er das Recht gehabt, weiter links zu fahren, da Fahrzeuge am Wegesrand standen.

Gemäß der Straßenverkehrsordnung muss man zwar möglichst weit rechts fahren. Und entgegenkommende Autos muss man durchfahren lassen, bevor man an einer Fahrbahnverengung, einem Hindernis auf der Fahrbahn oder einem haltenden Fahrzeug vorbeifahren kann.

Aber: Dies dient nur - wenn nicht anders geregelt - dem Schutz des fließenden entgegenkommenden Verkehrs, und eben nicht dem Schutz des einbiegenden Verkehrs. Wer nach rechts in eine Vorfahrtstraße einbiegt, muss also auch mit Gegenverkehr auf der eigenen Fahrbahnhälfte rechnen. (dpa)