So geht es Müttern, die keinen Kontakt zu ihren Kindern haben.
Albtraum Muttertag„Mein Kind will nichts mehr von mir wissen“
Jeden zweiten Sonntag im Mai ist es besonders schlimm. Muttertag. Der Tag, an dem Kinder Blumen bringen und die Mama zum Essen einladen. Hannah (53, Name geändert) weiß, dass ihre zweitälteste Tochter nicht kommen wird.
Die 27-Jährige hat vor Jahren den Kontakt komplett abgebrochen. Kein Einzelfall: Immer mehr junge Menschen zerschneiden das Band zur Familie – ganz bewusst.
Psychologin erforscht Kontaktabbruch
Familientherapeutin Claudia Haarmann hat das Buch „Kontaktabbruch in Familien“ geschrieben, seitdem haben der Essener Familientherapeutin hunderte Menschen gemailt. Oft sind es Töchter, die sich ihr Leid mit der narzisstischen Mutter, ihre Gewissensqualen von der Seele schreiben wollen.
Denn „kein Kind verlässt seine Eltern aus Spaß und Belanglosigkeit“, so die Therapeutin. „Das ist immer mit ganz viel Schmerz verbunden.“ Dass die Anzahl der Kontaktabbrüche gestiegen ist, hat ihren Forschungen zufolge viele Gründe.
Trennungen sind heute alltäglich
Die jungen Menschen bekommen tagtäglich vorgelebt, wie schnell Beziehungen zerbrechen. Jährlich sind laut Statistik 160.000 Kinder von der Trennung der Eltern betroffen.
„Meine Generation hat oft die Faust in der Tasche geballt und trotzdem dem Gebot »Du sollst Vater und Mutter ehren« Folge geleistet. Die heutige Generation erwarte aber auch den Respekt vor dem eigenen Lebensentwurf.
Früher sei der Familienkontakt eher wegen Vernachlässigung oder Misshandlungen abgebrochen worden. Heute ist es oft wegen „zu viel Nähe, da fehlt die Luft zum Atmen“.
In der „Peer-Group“, also in der selbst gewählten „Familie“ im Freundeskreis, finden oft viel intensivere Gespräche statt. Haarmann: „Die Kriegsgeneration tut sich schwer damit, über Gefühle zu sprechen. Und das hat sich in der nächsten Generation fortgesetzt. Dabei hängen an der Eltern-Kind-Beziehung so viel Gefühl, Schmerz, Wut und Sehnsucht.“ Die Therapeutin rät deshalb, den Muttertag nicht nur mit Smalltalk auszufüllen, sondern offen über Ängste zu sprechen, wenn das Band der Liebe „überdehnt und erschlafft“ sei.
Vorzeichen waren da
„Warum passiert mir so etwas? Warum tut sie mir das an?“ Das hat Hannah sich lange gefragt. Heute weiß die Westfälin, die im Freundeskreis immer als Super-Mutti gefeiert wurde, die Vorzeichen besser zu deuten.
„Ich liebe Babys“, sagt sie. „Darum habe ich mich immer rührend gekümmert. Doch wenn die Kinder älter und in meinen Augen schwieriger wurden, habe ich mich nicht mit ihnen auseinandergesetzt, sondern halt wieder ein Baby bekommen.“
Lisa habe mehr unter der fehlenden Aufmerksamkeit gelitten als die anderen fünf Kinder. „Sie hat mit tollen Leistungen in der Schule und im Sport versucht, mich zu beeindrucken. Aber ich hatte immer nur Augen fürs jüngste Kind.“
Und später, nach der Trennung von ihrem Mann, sei sie wohl etwas zu viel unterwegs gewesen – auf der Suche nach einem neuen Mann, gibt sie heute selbstkritisch zu.
Dieser Promi hat mit den Eltern gebrochen
Narzissmus, Egozentrik, Gefühlskälte – Eigenschaften, die Kinder aus dem Schoß der Familie treiben. Übrigens auch Moderatorin und Bestsellerautorin Charlotte Roche, die als „vielmaliges Scheidungskind“ ständig umziehen musste.
Sie meinte einmal in einem Interview: „In der Zeit, in der man Kinder hat, kann man sich mal kurz am Riemen reißen und nicht jedes Jahr einen neuen Stiefvater anschleppen.“
Der Schritt, die Eltern-Kind-Verbindung zu kappen, sei anfangs „sehr, sehr schmerzhaft“ gewesen, gesteht sie. Aber jetzt sei der Schmerz weg, das Vermissen weg – „und ich bin tatsächlich frei“.
Es sei übrigens selten der Fall, dass Eltern den Kontakt zu ihren Kindern abbrechen, stellt die Psychologin fest. Das passiere höchstens, wenn Kindern ihren überhöhten Erwartungshaltungen nicht genügen.
Hannah hat mittlerweile die Hoffnung auf Versöhnung begraben. Sie habe ihrer Tochter zweimal Briefe geschrieben, versucht, sich zu entschuldigen. Sie habe sie sogar schon viermal auf Familienfesten getroffen. „Aber da kam nichts von ihr. Mein Kind will wirklich nichts mehr von mir wissen.“
Ist der Muttertag überhaupt noch zeitgemäß? Die Psychologin findet ja. Es sei ja auch eine Form der Wertschätzung. Und die lassen sich 72,3 Prozent der Deutschen, die auf jeden Fall etwas schenken wollen, übrigens viel kosten. 850 Millionen Euro geben Verbraucher dieses Jahr für Geschenke zum Muttertag aus, wie eine Studie des Handelsverbands Deutschland (HDE) zeigt.
Jede zweite Mutter freut sich übers Geschenk
Die Chancen, dass sich die Mutter auch über ein Geschenk freut, stehen übrigens gut. das sagen übrigens 65,9 Prozent der Mütter. Nur jede fünfte Mutter (21,2 Prozent) gab an, sich kein Geschenk zu wünschen.
Gut jeder zweite Verbraucher – 40,9 Prozent der Männer und 63,2 Prozent der Frauen – schenken ihrer Mutter dieses Jahr Blumen.
Pralinen und Schokolade folgen bei Frauen (34,8 Prozent) und Männern (18,6 Prozent) auf Rang zwei. Selbstgestaltete Präsente (27,4 Prozent) vervollständigen bei den Frauen noch vor Parfüm (18,2 Prozent) die Top-3 der populärsten Muttertageschenke.