Diagnose BrustkrebsSo rührend erklärt eine Mutter ihrem Kind, dass sie krank ist

Nicole Staudinger ist inzwischen wieder vom Krebs geheilt und hat aufgeschrieben, wie das damals war – kurz nach der Diagnose: Brustkrebs.

Es war Nicole Staudingers 32. Geburtstag vor anderthalb Jahren, als sie einen Knoten in ihrer Brust ertastete. Ihre Söhne waren zwei und sechs. Gerade erst hatte Nicole sich als Schlagfertigkeits-Trainerin selbstständig gemacht. Nun das.

Nicole hatte einen hochaggressiven Tumor und trug zudem das so genannte Angelina-Jolie-Gen in sich, das verantwortlich ist für Brust- und Eierstockkrebs. Es folgten neun schwere Monate mit Chemo- und Strahlentherapie, ihr wurden beide Brüste entnommen. Heute geht es ihr wieder gut, aber wie war das damals? Wie hat sie ihren Kindern erklärt, dass sie Krebs hat? Nicole hat es aufgeschrieben:

„Du mein Engel, die Mama ist krank.“ „Hast du Schnupfen? Hat Charlotte nämlich auch!“ „Nee, keinen Schnupfen. Meine Brust ist krank. Da wächst etwas, das da nicht hin gehört.“ „Blumen?“ „Nein, mein Schatz, eine Art Knoten.“ „So aus Wolle?“ „Nee, härter als Wolle. Weißt du, wie bei Katrin damals. Da ist doch auch was gewachsen.“ Katrin ist seine Erzieherin, die auch an Krebs erkrankt ist, sich aber wieder bester Gesundheit erfreut.

„Ach wie bei Katrin. Ja ich weiß. Manchmal war sie deswegen zuhause.“ „Genau. Katrin war zuhause weil sie müde und erschöpft war. Ein bisschen wie wenn man Schnupfen hat. Und so ist das jetzt bei mir auch. Ich bekomme jetzt auch Medikamente, die mich sehr müde machen. Dafür machen die mich aber auch wieder gesund.“

„Was tust du deinen Kindern an?“

Er sagt nichts. Guckt nur. Dann: „Bist du traurig deswegen?“ Meine Augen füllen sich mit Tränen „Ja, mein Schatz. Sehr traurig und auch wütend und um ehrlich zu sein stinkesauer“ „Ich auch!“ „Das ist gut. Dann sind wir beide sauer auf diese blöde Krankheit“ „Kann ich mit Felix spielen?“ „Natürlich!“. Es verging seitdem kein Tag während der Therapie, an dem Max nicht nach meiner Brust fragte.

Die Haare sind inzwischen wieder nachgewachsen.

Es gab Tage, da habe ich gedacht, dieses Gefühl frisst mich auf. „Was tust du deinen Kindern da an? Womit haben sie das verdient?“ Kinder haben doch ein Recht auf eine unbeschwerte Kindheit. Stattdessen mussten sie mit einer glatzköpfigen, oft sehr müden Mutter leben. Gemeinsam sind wir durch die emotionale Hölle gegangen. Constantin, der Kleine, hat es vielleicht noch nicht im vollen Umfang mitbekommen, aber Maximilian war voll im Bilde, wenngleich er auch keine tiefer gehenden Details kannte.

Humor als Überlebensstrategie

Wir haben versucht, vieles mit Humor zu nehmen, das ging nicht von Anfang an, wurde mit der Zeit aber zu einer Art Überlebensstrategie. Für mich war irgendwann klar, dass ich versuchen würde, diese Zeit als etwas zu nutzen, was sie vielleicht auch ist: eine Chance.

Es ist eine große Chance, wahnsinnig viel über sich selbst zu lernen. Zum Beispiel, ob man über Selbstheilungskräfte verfügt. Tue ich. Nicht zuletzt wegen meiner Jungs. So weiß ich auch jetzt, dass eine Frau keine Haare braucht, um einigermaßen attraktiv zu sein. Für die Kinder war der Haarverlust übrigens wesentlich einfacher als für mich. Mein Großer fand es sogar ziemlich cool und hat sich auch an meine heutige Kurzhaarfrisur gewöhnt.

Von der Krankheit profitieren

Ich weiß jetzt, wie schön und wertvoll es ist, morgens wach zu werden und einfach so aufstehen zu können. Ohne Übelkeit und Erbrechen. Ohne Kreislaufprobleme. Ohne Kopfschmerzen und ohne das Gefühl, dass dieser Körper garantiert nicht mir gehört. Die Tage ohne Nebenwirkungen der Chemo waren geschenkte Tage. Wunderschön. Und das sind sie auch heute noch, nach der Krankheit.

Das wohl größte Geschenk, was mir Karl-Arsch – so habe ich den Tumor genannt – gemacht hat, ist die Gelassenheit. Ja sicher, irgendwann muss ich sterben. Aber das muss jeder. Keiner weiß, wann das sein wird. Vielleicht muss ich irgendwann an Krebs sterben. Vielleicht aber auch nicht. Vielleicht werde ich auch vorher vom Auto überfahren. Aber mit großer Wahrscheinlichkeit nicht heute. Also können wir ja heute erstmal auf den Spielplatz gehen. Und die Sonne genießen. Und uns vor allem nicht über Tomatensoßenflecken oder zerbrochene Vasen aufregen.

Chance statt Strafe

Und so sehen wir als Familie, diese Herausforderung als Chance und nicht als Strafe. Denn auch wenn die Diagnose nur mich betraf, so machte sie doch eine ganze Menge mehr Menschen betroffen. Die Menschen, die mich heute glücklich in den Arm nehmen, weil ich es überstanden habe.

Nicole hat über ihre Erfahrungen mit der Krankheit ein Buch geschrieben, das es auf die Spiegel-Bestsellerliste schaffte: „Brüste umständehalber abzugeben“.

Nicole Staudinger: „Brüste umständehalber abzugeben“, Eden Books, 14,95 Euro