Eltern über 40Warum kriegen viele eigentlich erst so spät Kinder?
Für Eric Breitinger war es eine zwiespältige Erfahrung. Der Schweizer wuchs mit Eltern auf, die seine Großeltern hätten sein können. Miriam S. hat sich bewusst für späte Elternschaft entschieden, mit knapp 40 wurde sie noch einmal Mutter. Woher kommt der Trend und wie geht es den Kindern damit? Während medizinische Möglichkeiten und biologische Risiken häufig diskutiert werden, wird das Thema späte Elternschaft seltener soziologisch und psychologisch betrachtet.
Nicht nur Janet Jackson: Immer mehr Mütter bekommen nach 45 noch Kinder
2268 Kinder, die 2015 geboren wurden, hatten Mütter, die 45 Jahre oder älter waren. Im Jahr 2000 hatten nur 706 Neugeborene eine Mutter in diesem Alter, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. „Seitdem stiegen die Geburten in dieser Altersgruppe kontinuierlich“, erklärt Fachreferentin Anja Conradi-Freundschuh.
Vor wenigen Wochen brachte US-Popsängerin Janet Jackson ihr erstes Kind zur Welt - mit 50 Jahren. Die italienische Rocksängerin Gianna Nannini war sogar 54, als sie zum ersten Mal Mutter wurde. US-Schauspielerin Geena Davis wurde mit 47 Jahren Mutter von Zwillingen. Ihre deutsche Kollegin Ute Lemper war beim zweiten Kind 48, Ex-First-Lady Cherie Blair beim vierten Kind 45 Jahre alt.
Ältere Eltern sind gelassener und besser abgesichert
Der Schweizer Autor Eric Breitinger hat für sein Buch „Späte Kinder“ mehr als zwei Dutzend Nachkommen betagter Eltern interviewt. Seine eigenen Eltern waren bei seiner Geburt 46 und 48 Jahre alt. „Spät geboren zu sein, hat Vor- und Nachteile. Auf jeden Fall prägt es für das ganze Leben“, schreibt Breitinger. Die Berichte der Befragten deckten sich oft mit seinen eigenen Erfahrungen.
Alte Mütter und Väter seien häufig psychisch stabiler und gelassener, glaubt er. „Und sie erleben die späte Elternschaft als großes Glück“. Die Eltern seien oft finanziell besser abgesichert und hätten mehr Zeit als junge Eltern, die „im Mehrkampf des Lebens in vielen Disziplinen gleichzeitig kämpfen müssen“.
Die kleine Tochter und den todkranken Vater pflegen
Ihn selbst brachte das später in eine „Sandwichposition“: Als seine eigene Tochter klein war, musste er sich um seinen todkranken Vater kümmern. In der Pubertät fand er es schwierig, dass seine Eltern andere Werte vertraten als er. Wie viele Kinder später Eltern wuchs auch Breitinger ohne Geschwister und ohne Großeltern auf und war dadurch „stark auf Erwachsene und weniger auf Gleichaltrige bezogen“.
Mutterschaft über 45 ist immer noch eine Seltenheit - Mütter ab 40 sind ein Massenphänomen. 2015 hatten in Deutschland 34 000 Neugeborene eine Mama, die zwischen 40 und 44 Jahre alt war. Auch in der Altersgruppe „50 Jahre und älter“ steigt die Zahl der Geburten: 134 Neugeborene hatten 2015 in Deutschland eine so alte Mutter; im Jahr 2000 waren es erst 23.
„Auf keinen Fall das Gefühl haben, jetzt muss ich nochmal in die Disco“
Die Mainzerin Miriam S. war 35 Jahre beim ersten und 39 beim zweiten Kind. Sie habe relativ lange studiert, erzählt sie, dann wollte sie erst im Beruf Fuß fassen. Eine späte Mutterschaft hat sie nie als negativ empfunden - auch ihre eigene Mutter war eine Spätgebärende, sie war 38, als Miriams Schwester zur Welt kam.
„Für mich war immer klar, dass das eine gute Sache ist“, sagt sie heute, „weil man viel Erfahrung hat und sein Leben schon gelebt hat“. Sie selbst sei zum Beispiel viel gereist. „Ich wollte auf keinen Fall mit 40 dasitzen und dann das Gefühl haben, jetzt muss ich noch mal in die Disco.“
Deutschland ist beim Thema späte Mutterschaft Durchschnitt
Unbeschwert ist eine späte Schwangerschaft nicht immer. Die Befürchtung, dass es schwer sein könnte, erneut schwanger zu werden, hat sich bei Miriam S. nicht bewahrheitet. Dann ergab ein Test eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für eine Behinderung. Die Tochter kam gesund zu Welt, aber die Ungewissheit war quälend. „Das ist definitiv ein Nachteil, weil man die ersten Monate in permanenter Angst verbringt.“
Im europäischen Vergleich ist Deutschland beim Thema späte Mutterschaft Durchschnitt. Betrachtet man mit Eurostat den Prozentsatz der Neugeborenen, deren Mütter über 40 sind, liegen Italien mit knapp zehn Prozent und Spanien mit knapp neun Prozent vorn. In Deutschland sind es um die fünf Prozent. Viele osteuropäische Staaten haben Werte um drei Prozent.
(dpa)