Freundschaftsforscher warntViele Männer vereinsamen gerade
Köln – „Lebt der überhaupt noch?“ Seit dem Lockdown scheint bei vielen Bekannten das Telefon den Geist aufgegeben zu haben. Laut einer aktuellen Umfrage des Kreditinstituts Santander sind ein Fünftel der Erwachsenen sauer, weil manche Freunde sich überhaupt nicht mehr melden.
„Dabei sind Freunde in Krisenzeiten wichtiger denn je“, sagt Freundschaftsforscher Dr. Wolfgang Krüger. „Denn die Dauernähe überfordert viele Partnerschaften. Bei Herzensfreunden kann man dann mal Dampf ablassen.“
Jeder Mensch hat drei „Herzensfreundschaften“ im Leben
Laut Aristoteles haben die meisten Menschen drei „Herzensfreundschaften“. Personen, denen sie vom Fremdgehen bis zur fiesen Krankheit alles anvertrauen würden. „Und diese intensivieren sich in Krisenzeiten wie diesen meistens noch“, erklärt Dr. Wolfgang Krüger im Gespräch mit uns. Denn Dinge, mit denen wir uns in der Freizeit sonst bespaßen, fallen ja oft noch weg.
Dazu kämen bei den meisten Menschen noch etwa zwölf Durchschnittsfreundschaften, also jene, die man regelmäßig zum Geburtstag einlädt. Und dann natürlich eine Heerschar von guten Bekannten im Job, im Fitnesscenter, im Chor...
„Mit ihnen führt man zwar relativ flüchtige Gespräche, trotzdem sind sie für uns emotional wichtig“, so der Freundschaftsforscher, „denn sie gehören zur Welt, in der man gesehen werden will, prägen das Sozialleben“.
Freundschaften sind wichtig fürs Wohlbefinden
Freunde sind wichtig, nicht nur am Tag der Freundschaft am 30. Juli. Selbst der Wegfall der „Thekenbekanntschaften“ während der Pandemie sei nicht so unterschätzen, so Krüger.
Geredet wird nicht: Haben Männer nur Kumpel und keine engen Freunde?
Warum? Ganz einfach. Alle Welt singt ein Loblied auf die Partnerschaft. Aber Küsschen hin, Küsschen her, echte Fründe sind nach vielen Studien in Wahrheit der wichtigste Glücksfaktor. Laut einer australischen Studie leben 22 Prozent der Menschen mit guten Freunden länger und gesünder.
Gute Freundschaften haben Einfluss auf das Sterberisiko
Laut einer Analyse von 148 Studien ist der Effekt von guten Freunden, die immer ein offenes Ohr haben, wichtiger als Bewegung und Gewicht, was das Sterberisiko angeht.Freundschaften seien auch der stärkste Schutz vor seelischen Erkrankungen, denn sie wirken stressmindernd, das hat Wolfgang Krüger erforscht.
Das sie sogar die Partnerschaften beleben, ist ebenfalls ein Fazit. Krüger: „Im Gegensatz zu früher können Konflikte heute viel besser geführt werden, weil Partner, die Freundschaften pflegen, eigenständiger sind und mehr Selbstvertrauen haben.“
Schade: 50 Prozent der Freundschaften scheitern
Doch nicht jeder Mensch, der uns auf Anhieb sympathisch war, bleibt im Chat „bff“, best friends forever. „Man muss es leider sagen“, bedauert der Freundschaftsforscher, „50 Prozent der Freundschaften, in die wir investiert haben, entpuppen sich als Fehlinvestition, scheitern im Laufe von etwa sieben Jahren.“
Doppeldates: So wird die Pärchenfreundschaft zum Frischekick für die eigene Liebe
Egal, neues Spiel, neues Glück? Nix da, sagen sich viele Männer jenseits der 50 und haben – so sie denn nicht Single sind – nur noch einen besten Freund: Ihre Partnerin.Laut Krüger haben zwei Drittel der älteren Männer keinen besten Freund mehr. Fatal, wenn die Partnerin sich trennt oder stirbt.
Freunde zum Tag der Freundschaft mal wieder anrufen
Deshalb rät er – ebenso wie Dr. Julia Hahmann, Soziologin an der Uni Vechta – nicht nur am „Tag der Freundschaft“ mal wieder zum Hörer zu greifen und dem Freund oder der Freundin zu sagen, wie wichtig er oder sie einem sei.
„Ich liebe dich“ ist es nicht – Woran merkt man eigentlich, dass man ein Paar ist?
Hahmann: „Freundinnen und Freunde, die außerhalb des Haushalts leben, sind jetzt quasi der rettende Anker aus diesem komischen Alltag, den wir gerade leben.“
Und bei Geld hört die Freundschaft auf?
Abschlussfrage an Dr. Krüger: „Würden Sie jedem ihrer besten Freund Geld leihen, wenn einer derzeit klamm ist?“
Er rät, abzuwägen: „Geld ist sachlich, Freundschaft eine emotionale Beziehung. Da muss man schon nachfragen dürfen, wie ist die Lebenssituation, was sind Sicherheiten, wann kriege ich das Geld zurück?“