„Kauf mir das jetzt!“Was tun, wenn Kinder immer alles haben wollen?
Lüneburg – Wenn glubschäugige Plüschtiere, die neue Ritterburg und der Kaufmannsladen im Kinderzimmer kaum noch nebeneinander passen, beschleicht viele Eltern ein ungutes Gefühl. Trotzdem scheint die Flut der großen und kleinen Geschenke einfach nicht abzureißen. Mehr als 3,1 Milliarden Euro gaben die Deutschen im vergangenen Jahr für Spielzeug aus, schätzt der Bundesverband des Spielwaren-Einzelhandels. Die Zahlen steigen seit Jahren. Spielzeug gibt es nicht nur zu Weihnachten und zum Geburtstag, sondern oft auch einfach so, zwischendurch.
Aus dem Spielzeugberg wird ein Müllberg
„Für viele Eltern hat es einen hohen Stellenwert, ihre Kinder optimal zu fördern“, beobachtet Daniel Fischer. Er lehrt als Professor für Nachhaltigkeitswissenschaft an der Leuphana Universität Lüneburg. Da folge man oft dem irrigen Prinzip „viel hilft viel“. Von einem vollgestopften Spielzimmer sind Kinder aber schnell überfordert. Und der Trend zu immer mehr Spielzeug ist auch ökologisch bedenklich. Aus dem Spielzeugberg wird irgendwann ein riesiger Müllberg – wenn die Kinder eben größer sind.
Eltern sollten Anzahl der Besitztümer begrenzen
Statt jeden Wunsch zu erfüllen, sollten Eltern die Anzahl der Besitztümer begrenzen, empfiehlt Fischer.
Denn was knapp ist, gewinnt an Wert – dieses Gesetz gilt auch im Kinderzimmer. So kann man einige Spielzeuge wegräumen und die Dinge von Zeit zu Zeit austauschen. Wie Autos beim Carsharing, so können auch Spielsachen geteilt werden.
In den USA gibt es sogenannte Toy Libraries, wo Familien Spielzeug entleihen können. Auch in einigen deutschen Städten bieten sogenannte Ludotheken Brettspiele und manchmal auch Kinderspielzeug zum Verleih an.
Erlebnisse schaffen statt Spielzeug zu schenken
Vor allem bei spontanen Wünschen sei es wichtig, auch mal Nein zu sagen, meint Inka Bormann. Sie ist Professorin für Erziehungswissenschaft an der Freien Universität Berlin. Denn manche Wünsche verfliegen genauso schnell, wie sie gekommen sind, weiß sie zu berichten. „Wenn Eltern nicht jeden Wunsch erfüllen und das nachvollziehbar begründen, lernen Kinder, sich mit ihren eigenen Bedürfnissen auseinanderzusetzen.“
Oft lassen sich die Bedürfnisse, die hinter den Kinderwünschen aufblitzen, auch anders befriedigen. „Eltern können stattdessen Anregungen geben und Erlebnisse schaffen“, sagt Fischer. Ein Ausflug im Wald erfüllt den Wunsch nach Abenteuer, beim Verkleiden kann das Kind in eine andere Rolle schlüpfen.
Leben im Ökodorf – abseits des Konsums
Viele naturpädagogische Angebote setzen auf solche Erlebnisse, beispielsweise die Seminare im Ökodorf „Sieben Linden“ bei Salzwedel. „Wir laden Kinder und Jugendliche ein, Natur und Gemeinschaft bewusst zu erleben“, sagt Simone Britsch, die mit ihrer Familie in dem ökologischen Gemeinschaftsprojekt lebt. Die Umweltpädagogin organisiert ein- und mehrtägige Workshops für Kinder und Jugendliche sowie Camps für Familien. Eine Nacht im Zelt schlafen und anschließend mit nackten Füßen durch das feuchte Gras laufen, Wildkräuter sammeln oder gemeinsam am Feuer sitzen, das kann bei Kindern einen tiefen Eindruck hinterlassen. „Ich erlebe immer wieder, wie dabei die materiellen Bedürfnisse zurücktreten - auch wenn sie natürlich noch da sind“, so Britsch.
Bedürfnisse werden durch Güter befriedigt
Für gemeinsame Erlebnisse ist im durchgeplanten Familienalltag oft wenig Raum. „Wir leben in einer Gesellschaft, wo unsere Bedürfnisse zunehmend durch Konsumgüter und Dienstleistungen befriedigt werden“, sagt Fischer. Kinder lernen am Modell, sie orientieren sich am Verhalten ihrer Eltern. Wer selbst eine Online-Lieferung nach der anderen bekommt, kann von seinem Kind nur schwer verlangen, dass es bis Weihnachten auf das heiß ersehnte Spielzeug wartet. Anders herum prägt ein bewusster Lebensstil der Eltern auch das Verhalten der Kinder.
Wie das funktionieren kann und wo der eigene Einfluss endet, das erfährt Simone Britsch täglich mit ihren eigenen vier Kindern. „Wenn Klassenkameraden von Computerspielen erzählen oder ein Handy haben, macht das schon Neid.“ Beim Thema Medien haben sie und ihr Mann klare Regeln aufgestellt: Nach einer Kindheit fast ohne elektronische Medien bekommt jedes Kind zum 13. Geburtstag einen PC und darf sich vom selbst gesparten Geld ein Handy kaufen.
Bei anderen Dingen lässt Britsch auch mit sich reden, zum Beispiel bei dem ferngesteuerten Auto, von dem ihr siebenjähriger Sohn fast täglich erzählt. „Er kam immer mit glänzenden Augen von einem Freund nach Hause, der so ein Auto hat.“ Inzwischen besitzt er selbst eins - und hat noch immer Spaß daran. (dpa)