Kölner Triathlet Till SchrammSo bewegend spricht er über den Tod seines Sohnes (†3)
Köln – In den vergangenen Jahren habe ich mit Till Schramm (31) oft über seine unfassbare Ausdauer gesprochen, über seine Stärke, seine Leidenschaft.
Der Kölner Triathlet zählt zu den besten Deutschen auf der Langdistanz, dem sogenannten Ironman.
Dieser Schmerz geht nicht weg
Schramm, ein starker Athlet, seine Söhne Henry und Theo auf dem Arm beim Zieleinlauf, wenn er mal wieder ein Rennen gewann. Schramm, ein echter Typ: selbstbewusst, optimistisch, vor keinem Wettkampf bange. Er kann wie kein anderer Schmerzen wegstecken, weil er weiß, dass sie vorübergehen.
Doch dieser Schmerz jetzt, der geht nicht mehr weg. Ich sitze ihm gegenüber, und wir reden über den Tod seines Sohnes Henry.
Henry verschluckte sich an einer Möhre
Der Junge starb im Januar, weil er sich im Kindergarten in Köln-Dellbrück an einer Möhre verschluckte. Es ist der blanke Horror!
Schramm, seine Frau Lisa und sein jüngerer Sohn Theo (2) zogen sich in ihrer unfassbaren Trauer zurück. Jetzt will er seine Geschichte erzählen. Sie geht unter die Haut.
„Ich bin ein anderer Mensch, ich führe ein Leben, dass ich nie führen wollte. Und wenn ich nicht meinen Sohn Theo hätte, dann wüsste ich wirklich nicht, was ich hätte tun sollen. Theo ist wie eine Taschenlampe, die bei mir ins Dunkle leuchtet“, sagt Schramm nachdenklich, „Ich war früher ein Mensch, der solche endgültigen Gedanken nie nachvollziehen konnte. Doch dieser Schmerz nach dem Tod des eigenen Kindes...“
Tränen fließen bei dem Gespräch
Ihm kommen die Tränen, seine Stimme stockt, doch er redet weiter, erzählt von dem Tag, an dem er seinen kleinen Henry verlor: „Ich saß auf dem Rennrad, als meine Frau mich anrief und mir erzählte, was passiert war. Schreiend, flehend und weinend bin ich zum Kindergarten gerast.“
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Verschlucken führte zum Bolustod
In der Klinik lag Henry - er hatte im Kindergarten von einer anderen Mutter ein großes Stück Möhre bekommen. Er verschluckte sich an einem zu großen Bissen, dies führte zum sogenannten Bolustod. Der Fremdkörper drückt auf ein Nervengeflecht und sorgt für einen vagalen Reflex. Die Folge ist ein Ausfall aller Systeme – Herzstillstand, Atemstillstand. Schramm sagt: „Du machst dir alle möglichen Gedanken als Eltern, setzt hinter jede Impfung deinen Haken, aber an so einen Scheiß denkt man einfach nicht.“ Wut ist da, Vorwürfe nicht. „Ich kann ihn ja nicht zurückholen“, sagt er.
Ersthilfe war eigentlich perfekt
Die Ersthilfe für Henry war eigentlich perfekt, ein anderer Kindergarten-Vater war Rettungssanitäter, hatte ein Beatmungsgerät im Kofferraum. Auch der Krankenwagen war schnell da. „Wir haben versucht, Henry wiederzubeleben. Er kam nach über zwei Stunden auch zurück, allerdings nur sehr schwach.“
Der Kampf geht in der Kinderklinik an der Amsterdamer Straße weiter. Ein komplettes Ärzteteam gibt alles, doch einen Tag später ist der kleine Henry an den Folgen des Unfalls verstorben.
Du fährst in ein dunkles schwarzes Loch hinein
Schramm versucht, weiterzuerzählen: „Die Fahrt von der Klinik nach Hause war das Schlimmste, wir sind noch voller Hoffnung hin und dann fährst du ohne dein Kind weg, in ein dunkles schwarzes Loch hinein.“
Wir müssen das Gespräch kurz unterbrechen. Tränen fließen. Es fällt alles so schwer.
Der Schmerz verändert sich
Schramm versucht, seine Gefühlslage zu erklären: „Nach dem Tod ist das erst mal ein Schockzustand. Ich konnte mehrere Wochen nicht länger als zwei Stunden pro Nacht schlafen. Der Schmerz geht nicht weg, aber er verändert sich. Und ich weiß nicht, ob der Schock schlimmer ist oder die quälende Gewissheit, dass Henry nie wieder zurückkommt.“
Verdammt - wie kommt ein Mensch damit klar? Der unschuldige kleine Kerl hatte sein Leben doch noch vor sich.
Schramm muss mit dem Leid leben: „Ich bin ein anderer Mann. Vor Henrys Unfall war ich eher unordentlich, habe mein Rennrad in den Keller geworfen, wo alles rumflog. Jetzt ist alles perfekt aufgeräumt, jedes Werkzeug, jede Schraube in einer Schublade. Ich muss immer etwas zu tun haben, ich brauche eine ganz feste Struktur um nicht verrückt zu werden.“
Er verbringt immer noch Zeit mit Henry
Und dazu zählt auch der Umgang mit Henry, der für Till immer noch da ist. „Ich verbringe viel Zeit mit ihm. Wenn ich schwimme, laufe oder mit dem Rad fahre, dann ist er bei mir. Ich springe auch nachts über die Friedhofsmauer, wenn das Tor verschlossen ist, um an seinem Grab zu sein. Ich investiere viel Zeit und Liebe in die Grabpflege. Henry bleibt mein Sohn.“
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Luxusprobleme verschwinden
Seit dem Tod sieht er Mitmenschen auch mit anderen Augen: „Ich habe kein Verständnis mehr für Luxusprobleme, viele Flüchtlinge haben Familienangehörige im Krieg verloren. Was sie durchmachen ist für mich nachvollziehbar, und da sollten wir alle was von unserem Kuchen abgeben.“
Er muss stark sein für seinen zweiten Sohn
Die Kontrolle verlieren, kommt für Schramm nicht infrage. Er will und muss stark sein für seinen jüngeren Sohn Theo (2). „Er leidet auch unter dem Verlust, ich will nicht, dass er noch mehr leidet. Das wäre unfair. Ich will ihm die besten Möglichkeiten bieten.“
Vor der Trauer kann keiner weglaufen
Schramm versucht, sein Leben neu zu ordnen: „Ich habe mich gefragt, ob ich weiter Triathlon-Profi sein kann. Ob ich hier in Köln noch leben kann. Aber uns ist wichtig, dass in dieser Phase, wo sich alles verändert hat, nicht noch weitere Veränderungen getroffen werden. Man kann vor der Trauer nicht weglaufen, aber man kann versuchen, damit zu leben.“
Er hat sich neue Ziele gesetzt. Er will noch mal so richtig angreifen, hat jeden Stein in seinem Training umgedreht. Nächstes Jahr peilt er die großen Langdistanz-Wettkämpfe in Frankfurt oder Roth an. Und auch wenn er in Zukunft beim Zieleinlauf nur noch Theo auf dem Arm hat - sein Henry wird immer bei ihm sein! „Ich vermisse Dich mein tapferer, fröhlicher, schlauer kleiner Ritter, Dein Papa!“