Muttersein früher und heute„Eure Sorgen kannten wir damals gar nicht“
Finde ich einen Kita-Platz? Fördere ich mein Kind genug? Bin ich eine gute Mutter? Verliere ich meinen Job, wenn ich in Elternzeit gehe? Wer bleibt zuhause, wenn das Kind krank wird? Und können wir uns jemals mehr leisten als eine Drei-Zimmer-Wohnung?
Wenn ich mit meiner Mutter über meinen Alltag mit Kindern und Job spreche, und die tausend Fragen, die mich dabei beschäftigen, dann wundert sie sich manchmal. Und frage ich sie dann: War das bei euch auch so? Dann lautet die Antwort ganz oft: „Das KANNTEN wir gar nicht“. Ihr Leben als junge Mutter damals ist mit meinem einfach nicht zu vergleichen. Es fühlt sich so an, als lägen nicht nur knapp 40 Jahre zwischen einst und jetzt, sondern ein ganzes Universum.
Dabei meine ich nicht die Erziehung an sich, die Werte und Methoden – denn die habe ich ohne Frage vor allem von ihr übernommen. Nein, es geht um die Lebensrealität, in der wir heute Eltern sind. Und den Anspruch, der inzwischen an Mütter und Väter gestellt wird. Vieles war früher schwerer, manches leichter. Bewerten möchte ich keinesfalls. Aber eins ist klar: Den Weg, den meine Eltern gegangen sind, gibt es so für mich nicht mehr.
Hausfrau vs. Working Mum
Meine Mutter war Hausfrau und hat vier Kinder großgezogen (Respekt!). Bei uns in der Kleinstadt war das der normale Lebensentwurf. Von Müttern wurde nicht erwartet, Karriere zu machen. Von Vätern nicht, voll mit zu erziehen. Heute ist es für viele Familien normal, dass beide Elternteile arbeiten und die Kinder betreuen - zumindest erlebe ich es so hier in der Großstadt. Man kann sogar sagen, genau das wird erwartet. Und zudem mit Elterngeld und Kitas staatlich gefördert – eine Unterstützung, die es zu Zeiten meiner Mutter nicht einmal annähernd gab.
Auch ich habe nach der Elternzeit wieder angefangen zu arbeiten. Meine Kinder gehen in die Kita, seit sie ein Jahr alt sind. Und ich bin glücklich, dass ich beides tun kann, Kinder großziehen und einem Beruf nachgehen. Vor der täglichen Leistung einer Hausfrau ziehe ich meinen Hut – sie weiß wahrlich, was Arbeit bedeutet.
Früher waren Kids einfach dabei, heute muss man sie „fördern“
Auf der anderen Seite ist es häufig eine ganz schöne Doppelbelastung, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen. Oft habe ich das Gefühl, ich renne von der Kita ins Büro, vom Spielplatz in die Waschküche und zurück. Dabei spüre ich auch den Druck, der gerade auf uns Frauen lastet (und den wir uns auch oft selbst machen): Im Beruf nicht nachzulassen, nein, am besten besonders gut zu sein – und trotzdem möglichst intensiv Zeit mit den Kindern zu verbringen. Das Stichwort ist hier „quality time“: spielen, basteln, fördern und dabei bloß nicht zu oft aufs Smartphone schauen. In meiner Erinnerung haben wir als Kinder immer die Zuwendung bekommen, die wir gebraucht haben, waren aber oft einfach mit dabei, spielten, machten Sport und zogen auch mal alleine um die Häuser. Ich denke nicht, dass jemals jemand meine Mutter gefragt hat, ob sie uns auch genug fördert.
Damals kam die Tante, heute der Babysitter
Es ist ja so, mit Anstrengung und guter Organisation klappt der Alltag mit Kind und Beruf in der Regel gut. Manchmal aber wird man zwischen beiden Polen zerrieben. Es muss nur das Kind krank werden oder bei der Arbeit etwas schiefgehen – und schon kämpfen wir wie blöd gegen die Uhr und merken, wie schnell das schöne Familien-Organigramm ins Wanken kommt. Früher wäre in so einer Situation wohl Oma gekommen, eine Tante, eine Cousine oder Bekannte meiner Eltern, um auf uns aufzupassen. Die meisten wohnten im selben Ort. Eine riesige erweiterte Familie. Dieses Betreuungsnetz fehlt uns heute völlig – denn zwischen uns und unseren Herkunftsfamilien liegen teilweise hunderte Kilometer. Es gibt nur uns, die Kita und einen Babysitter, den wir bezahlen müssen.
Was ich dabei als schön empfinde: Mein Mann und ich sind zusammen in dieser Situation, als gleichberechtigte Partner. Wir müssen, ja, dürfen das Vereinbarkeitsproblem gemeinsam lösen, weil beide Bereiche beiden gehören. Bei meiner Mutter gab es eine klare Trennung: Alles, was die Kinder betraf, war ihre Aufgabe. Alles, was die Arbeit betraf, war die Sache meines Vaters. Jeder hatte seine Expertise, wenn man so will. Aber man konnte sich eben auch nur begrenzt helfen - irgendwie war das auch gar nicht so vorgesehen. Mein Mann und ich sitzen gemeinsam in einem Boot, sind aber auch beide stetig mit Aushandeln, Absprechen und Organisieren beschäftigt. Und wir sind beide auch für beides verantwortlich.
Ein Gehalt reicht nicht, an ein Haus ist nicht zu denken
Dazu gehört auch, dass ich nicht einfach nur arbeite, weil das zu meinem Selbstverständnis dazu gehört, sondern schlichtweg, weil ich es aus finanziellen Gründen muss. Und so geht es vielen: Anders als bei meinen Eltern reicht heute oft ein Gehalt nicht mehr aus, um eine Familie über Wasser zu halten. Mehr noch ist in einer Arbeitswelt mit befristeten Jobs und Zeitverträgen eine gesicherte Finanzplanung kaum mehr möglich. Meine Eltern hatten ein Haus, das sie sich hart erarbeitet haben, das aber irgendwann abbezahlt war. Wir würden uns schon freuen, wenn es eine erschwingliche Wohnung in der Stadt gäbe. An ein eigenes Haus wagen wir kaum zu denken.
Elternsein findet heute öffentlich statt
Aber gerade wenn wir uns mit der Mietwohnung arrangiert haben, postet bestimmt wieder jemand ein idyllisches Bild von Kindern im Garten. Oder eine Studie sagt, wie wichtig es ist, dass Kinder in der Natur aufwachsen. Meinungen und Bewertungen zum Thema Elternsein sind heute allgegenwärtig. In sozialen Netzwerken, auf dem Spielplatz, in der Krabbelgruppe – Mütter und Väter werden beobachtet, verglichen und eingeordnet. Wir regen uns über schockierende Videos seltsamer Väter auf und lassen uns von Müttern, die eine Woche nach Geburt schlank und schön posieren verunsichern. Schon vor der Geburt lesen wir Erziehungsratgeber, wir kennen zahlreiche Beikost-Methoden und wissen, wie die Kardashians entbunden haben. Es ist anzunehmen, dass meine Mutter von all dem keine Ahnung hatte und sich diese Fragen auch nicht gestellt hat.
Das heißt nicht, dass sie sich nicht viele Gedanken um uns gemacht hat, sehr viel Arbeit mit uns hatte und einfach das Beste für uns wollte. So wie auch ich das für meine Kinder will. Das Wichtigste also hat sich und wird sich wohl über Generationen nie verändern – ganz egal in welcher Zeit und unter welchen Voraussetzungen Eltern leben und erziehen. Wie genau aber mein Weg als Mutter in dieser Welt heute aussieht, dass kann ich mir nicht von meiner Mama abschauen. Ich muss ihn eben selbst finden.
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