Mama, wohin soll die Reise gehen?Tochter einer Demenzkranken gibt Tipps für Umgang mit alten Eltern

Peggy Elfmann mit Mutter

Peggy Elfmann begleitete ihre Mutter Kerstin, die an Alzheimer erkrankt war. Sie erhielt den Goldenen Blogger für „Alzheimer und wir“.

Ihre Mutter wurde früh dement. Keiner war vorbereitet. Jetzt gibt Peggy Elfmann wertvolle Tipps für den Umgang mit alten Eltern.

von Andrea Kahlmeier  (ak)

„Warum stellt meine Mutter am Telefon immer wieder die gleichen Fragen? Vergisst die einfachsten Dinge?“ Peggy Elfmann war erst 32 Jahre alt, als bei ihrer 55-jährigen Mutter schließlich Alzheimer diagnostiziert wurde. Sie und ihr Bruder waren absolut unvorbereitet. Erst sprachlos, dann voller Aktionismus. Wie die meisten Kinder, wenn die Kräfte der Eltern nachlassen.

Berührend schildert die Autorin in „Meine Eltern werden alt“, was sie heute am meisten bedauert: „Dass ich meine Mutter nicht rechtzeitig gefragt habe, was sie eigentlich möchte und von mir erwartet. Vielleicht wäre ihr ja sogar früher schon ein Heimplatz recht gewesen?“

Wenn Eltern alt werden: Darüber sprechen ist der Schlüssel

Wollmäuse in der einst so penibel geputzten Wohnung, leere Wasserkisten („trinken sie genug?“), falsch geknöpfte Blusen und immer mehr Zipperlein. Es muss ja nicht gleich eine schlimme Diagnose wie bei Peggys Mutter sein. Oft ist es die Summe der einfachen Dinge im Alltag, die uns zeigt: Unsere Eltern werden alt. Aber darüber sprechen oder gar Schritte einleiten, wie sich etwa rein prophylaktisch ein Pflegeheim anzuschauen, fällt schwer. In Peggys Ohren klingt dabei sofort der Satz ihres Vaters: „Das hat noch Zeit.“

Peggys Familie beschloss schließlich, die Mutter daheim zu pflegen. Heute sagt sie: „Viel zu lange haben wir gezögert, Veränderungen im Haus vorzunehmen, aber als wir das Schlafzimmer ins Erdgeschoss gelegt haben und aus dem Arbeitszimmer ein Badezimmer gemacht haben, war das wegen der Treppen so eine Erleichterung für meine Mutter.“

Und deshalb kennt sie heute all die wichtigen Dinge, die man rechtzeitig im Elternhaus überprüfen sollte:

  1. Alle wichtigen Vorsorge-Dokumente zusammenstellen.
  2. Treppen-, Badezimmer-Check (auch im Dunkeln) machen und Stolperfallen beseitigen.
  3. Farbmarkierungen an Schlüsseln und passendem Schloss anbringen.
  4. Lieblingsgerichte aufschreiben und zu den Dokumenten legen. Gut, wenn Pflegende das wissen und ihren Eltern so Genuss bereiten können.
  5. Auf Erinnerungen setzen: Mit den Eltern deren Lieblingsmusik hören, Orte der  Kindheit entdecken, Kiste mit Herzensgegenständen packen.
  6. Wichtiges an einem Ort sammeln: In einen Kalender auf der Terminseite Notiz- und Arztterminzettel, Einkaufserinnerungen oder Rezepte, auf der anderen Seite Visitenkarten mit wichtigen Kontakten (Pflegedienst, Hausarzt, Apotheke, Taxi) klemmen.
  7. Gemeinsam mit der älteren Person vielleicht ein neues Hobby finden, das hält die Eltern aktiv und ihr Gedächtnis fit.

Nur ein paar von vielen praktischen und guten Ratschlägen, die die Journalistin nach gut zehn Jahren in ihrem Buch weitergibt. Aber es sind vor allem die emotionalen Einsichten, die berühren – und zu denken geben. „Mein Papa erledigte tagtäglich alle Herausforderungen. Dann kam ich mit meinem Wissen aus allen schlauen Ratgebern, deklarierte seinen Unwillen als Altersstarrsinn und war genervt“.

Doch im Laufe der Zeit lernte die junge Frau, was für ihre Eltern viel wichtiger war als Aktionismus und Besserwisserei: „Zuhören, Respekt und Lob zum Beispiel“. Etwa, was die Sorge und Nöte des Vaters anging. Peggy gewöhnte sich daraufhin an, öfter Danke zu sagen, dass er so liebevoll für die Mama da sei. Oder lobte ihn für seine ersten Backversuche.

Aber auch ihr Verhalten zur Mutter veränderte sich stetig. „Ich lernte, dass es meiner Mutter nicht half, sie zu korrigieren. Besser war es, mich ihr und ihrem Tempo anzupassen. Mich neben sie zu setzen, ihre Hand zu streicheln, gemeinsam Musik anzuhören. Sie in dem zu ermutigen, was ihr guttat“, erinnert sie sich im Gespräch mit EXPRESS.de.

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Ein Lernprozess, den Elfmann an einem einfachen Beispiel verdeutlicht: „In einer Phase wusch meine Mutter sehr oft ab, natürlich in ihrem Tempo.“ Sie sei genervt gewesen, weil sie wollte, dass sie sich ausruht und nicht in der Küche steht. Sie habe ihr den Lappen abgenommen und sie ins Wohnzimmer geschickt. „Im Flur fing Mama bitterlich an zu weinen. Mir wurde schlagartig klar, wie ich sie verletzt hatte. Ich hatte ihr die Aufgabe genommen, die zeigte, dass sie weiter am Alltag teilhat.“

All das Engagement, das Tausende von Menschen wie Peggy Elfmann aufbringen, kostet Zeit und Geld. Deshalb unterstützt sie die Forderung des Vereins „wir pflegen“: Lohnersatzleistung (ähnlich wie Elterngeld) für pflegende Angehörige also für die Zeit, in der die Berufstätigkeit reduziert, wird (bis maximal 36 Monate). Wichtig sind auch mehr – und vor allem passgenaue – Unterstützungsmöglichkeiten wie die Tagespflege. Sicherlich eine Win-win-Situation für Familie und Staat.