Mega-HypeGeschmack durch Geruch – Trinkflaschen tricksen das Gehirn aus

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Für mache überraschend: Das Prinzip von „air up“ funktioniert wirklich.

von Alexandra Miebach  (mie)

Köln/München – Viel zu trinken ist wichtig, gerade im Sommer. Am besten ist da natürlich Wasser – klar, das wissen wir alle. Doch vielen fällt es schwer, das literweise und ganz ohne Geschmack in sich reinzupumpen.

Derzeit sorgen deshalb besondere Trinkflaschen für Furore. „air up“ heißen sie – und mit einem cleveren Trick soll schnödes Wasser schmecken wie Eistee, Radler oder Limo. Wie geht das – und viel wichtiger – schmeckt das? Oder macht die Flasche nicht nur dem Gehirn was vor, sondern auch unserem Geldbeutel?

„air up“: Retronasales Riechen macht es möglich

Das System von „air up“ ist einfach. Man füllt Wasser (stilles oder mit Kohlensäure) in die Flasche, setzt einen der speziellen Duftpods auf das Mundstück auf. Saugt man daran, steigt aromatisierte Luft mit dem Wasser auf und wird vom Gehirn als Geschmack wahrgenommen (siehe Grafik).

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Die Grafik zeigt, wie retronasales Riechen funktioniert. Aromastoffe, die in einem Getränk enthalten sind (egal ob in echter Limo oder bei den „Air up“-Flaschen durch den Pod), verflüchtigen sich beim Trinken und gelangen durch den Rachenraum in die Nasenhöhlen. Dort treffen sie auf olfaktorische Rezeptorzellen, die dem Gehirn dann einen Geschmack melden.

Retronasales Riechen nennt man diesen Vorgang. „Etwa 80 Prozent unserer Geschmackswahrnehmung sind eigentlich Geruch, der zum Beispiel beim Zerkauen von Lebensmitteln im Mund freigesetzt wird“, erklärt „air up“-Mitgründerin Lena Jüngst im Gespräch mit dem Sonntag-EXPRESS. Die Trinkflaschen sind übrigens aus „Die Höhle der Löwen“ (Vox) bekannt.

Hält „air up“ was es verspricht?

Wir machen den Test. Wasser rein, Pod drauf, trinken. Und? Schmeckt wie aromatisiertes Wasser. Aber: Der Geschmack könnte deutlich intensiver sein. Daran arbeite das Unternehmen, sagt Lena Jüngst. Von anderen Kunden gab’s ähnliche Feedbacks.

Aber wie kommt eigentlich der Geruch in den Duftpod? „Unser Produktentwicklungsteam setzt die Sorten aus verschiedenen Aromen zusammen, die möglichst nah an die echte Frucht rankommen. Diese Düfte werden aus 100 Prozent natürlichen Stoffen wie Früchten, Kräutern oder Ölen gewonnen“, so die Gründerin.

Die Duftstoffe werden dann auf einen Schwamm aufgetragen, der in den Duftpods steckt. Ein Pod reicht für circa fünf Liter Wasser.

„air up“: Wintersorten sind ein echter Kassenschlager

Nicht nur fruchtig schmeckendes Wasser lässt sich damit erzeugen. Das junge Unternehmen hat auch verrückte Geschmacksrichtungen wie Eierlikör im Programm. Besonders beliebt ist Kardamom.

Nachhaltigkeit steht im Fokus

Was bringt das Konzept in Sachen Umwelt? „Die Hülle der Duftpods besteht aus Polypropylen“, erklärt Lena Jüngst. Ein Kunststoff, der zu 100 Prozent recycelt werden kann. „Wenn ein Softgetränk-Konsument konstant »air up« verwendet, statt zum Beispiel Apfelschorle aus Plastikflaschen zu trinken, spart er pro Duftpod circa fünf bis zehn PET-Flaschen. Eine 0,5-Liter-PET-Flasche besteht aus 27 Gramm Plastik. Der Duft-Pod hingegen nur aus 7,6 Gramm recycelbarem Plastik.“

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Duftpod drauf und schon kann man Wasser mit Geschmack genießen – ganz ohne Kalorien. Der Geschmack könnte allerdings intensiver sein, der fehlende Zucker macht sich eben schon bemerkbar.

Hinzu komme, dass durch weniger Gewicht und Volumen der CO2-Ausstoß beim Transport verringert werde.

„air up“: Die Geräusche sind nicht so schön

Was negativ auffällt: Beim Trinken macht die Flasche merkwürdige Geräusche. Klingt fast wie Pupsen. Damit zieht man in der Öffentlichkeit die Blicke ungewollt auf sich. „Wir haben hin und wieder die Rückmeldung bekommen, dass sich Kunden am Blubbern der Flasche stören. Wir arbeiten dran, es leiser zu gestalten. Es wird sich nicht komplett verhindern lassen, weil wir die Luft brauchen, um den Geschmack zu transportieren“, so Jüngst.

Ist der vorgegaukelte Geschmack eigentlich gesundheitlich unbedenklich? Dr. Gregor Steffen, HNO im Krankenhaus Porz sagt: „Sofern es sich bei den genutzten Duftstoffen um lebensmittelrechtlich unbedenkliche und erlaubte Substanzen handelt, ist aus medizinischer Sicht nichts gegen das Konzept einzuwenden.“

Experte: „Das Strohhalm-Saugen erscheint unpraktikabel“

Prinzipiell sei an der Funktionsweise der Trinkflaschen nichts auszusetzen. „Der größere Anteil der Geschmackswahrnehmung und Geschmacksdifferenzierung erfolgt tatsächlich übers Riechsystem.“ Allerdings sei es fraglich, „ob durch die alleinige Mitlieferung eines Duftstoffs das getrunkene Wasser als Getränk einer bestimmten Geschmacksrichtung wahrgenommen wird.“

Prof. Jan-Christoffer Lüers, Stellvertretender Klinikdirektor an der HNO-Uniklinik Köln, sieht noch ein anderes Problem: „Das notwendige Strohhalm-Saugen erscheint mir etwas unpraktikabel zu sein, lässt sich aber vermutlich technisch nicht anders bewerkstelligen.“

„air up“: Wie sieht es mit den Kosten aus?

Das Team von „air up“ bietet eine Vielzahl verschiedener Duftpods an, mit denen sich Wasser aromatisieren lässt. Besonders beliebt sind Orange-Maracuja, Limette, Zitrone-Hopfen, Pfirsich (schmeckte uns am besten) oder Apfel. Es gibt aber auch Winter-Editionen (auch im Sommer) wie Kardamom und Spekulatius.

Günstig ist der Spaß auf den ersten Blick nicht. Ein Starterset bestehend aus einer 650 Milliliter-„air up“-Trinkflasche und fünf Duftpods in verschiedenen Geschmacksrichtungen ist ab 29,95 Euro erhältlich.

Sechs Duftpods (reichen für 30 Liter) kosten 9,95 Euro. Zum Vergleich: Kauft man 30 Liter aromatisiertes Wasser von Markenherstellern zahlt man ca. 27 Euro. Die Pods rechnen sich also in dem Fall. Außerdem spart man Plastik.